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BAG zu Betriebsrat bei Holding ohne Geschäftstätigkeit: Herr­scher über die Töchter

Gastbeitrag von Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück und Anton Kuntzsch

24.05.2018

Betriebsratswahlen sind nur möglich, wo Leitungsfunktion ausgeübt wird

© Robert Kneschke - stock.adobe.com

Mitbestimmung soll dort ausgeübt werden, wo Leitungsmacht tatsächlich ausgeübt wird. Dass eine Holding lediglich existiert, reicht also nicht, entschied das BAG. Die Details erklären Robert von Steinau-Steinrück und Anton Kuntzsch.

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Übt eine inländische Muttergesellschaft keine betriebsverfassungsrechtliche Leitungsmacht aus, so kann kein Konzernbetriebsrat gebildet werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) und blieb damit in der Struktur seiner früheren Rechtsprechung zu den Grundsätzen vom "Konzern im Konzern" (Beschl. v. 23.05.2018, Az. 7 ABR 60/16).

Zugrunde lag der Entscheidung der typische Fall: Die Arbeitnehmervertreter wollen einen weiteren Betriebsrat, die betroffenen Unternehmen nicht. Die den Streit begründende Konzernstruktur hat es in sich: In Deutschland bestehen fünf inländische Gesellschaften. Eine davon ist eine deutsche Holding ohne eigene Geschäftstätigkeit, die übrigen vier sind operative Töchter. Die Holding hält an allen die Mehrheit und wird selbst wiederum zu 100 Prozent von einer Internationalen Holding AG mit Sitz in der Schweiz gehalten. Der Geschäftsführer der deutschen Holding ist bei der schweizerischen angestellt, die auch die alleinige Leitungsmacht über alle deutschen Gesellschaften hat.

Die vier Betriebsräte der Tochtergesellschaften sind es hier, die einen Konzernbetriebsrat gem. der §§ 54 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), 18 Aktiengesetz (AktG) bilden wollten. Entscheidend dafür ist, inwieweit die deutsche Holding ein herrschendes Unternehmen im Inland ist und damit die Voraussetzungen für die Bildung eines Konzernbetriebsrats vorliegen.

Wer beherrscht die Tochtergesellschaften

Nach Ansicht der Beschwerdeführer verlangen die §§ 54 BetrVG iVm. 18 AktG nicht, dass die Konzernobergesellschaft ihren Sitz im Inland haben muss. Anderes solle auch nicht aus dem Territorialprinzip des BetrVG folgen, nach dem das BetrVG auf alle in Deutschland gelegenen Betriebe anzuwenden ist. Ob die Konzernobergesellschaft ihren Sitz im In- oder Ausland hat, spiele keine Rolle.

Gegen diese Ausführungen wendeten sich die Unternehmen erfolgreich in allen drei Instanzen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG zum "Konzern im Konzern", kann kein Konzernbetriebsrat gebildet werden, wenn eine inländische Muttergesellschaft keine betriebsverfassungsrechtliche Leitungsmacht ausübt.

Der bloße Sitz einer Gesellschaft ohne Geschäftstätigkeit im Inland reiche nicht aus, entschieden die Richter am BAG. Vielmehr bedürfe es immer eines Beherrschungsverhältnisses. Werde jedoch die Gesellschaft im Inland gänzlich von einer ausländischen Gesellschaft geleitet, beherrsche die Inlandsgesellschaft de facto niemanden, also auch keine ihrer Tochtergesellschaften.

Ein bisschen Macht muss sein

Die Rechtsprechung orientiert sich damit an dem Grundgedanken der Mitbestimmung. Diese soll nur da ausgeübt werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird (BAG Urt. v. 13.10.2004, Az. 7 ABR 56/03). Denn die Errichtung eines Konzernbetriebs dient nicht dazu, die Mitbestimmungsrechte zu erweitern. Die Anerkennung einer Arbeitnehmervertretung ist vielmehr allein als betriebsverfassungsrechtliche Reaktion auf die konzernrechtliche Leitungsmacht zu verstehen.

So wäre es im Falle eines "Konzerns im Konzern". Dann aber erfüllt der Konzern im Konzern seinerseits sämtliche Voraussetzungen eines Unterordnungskonzerns. Entscheidend ist dann vor allem, dass Leitungsmacht besteht – und zwar im Verhältnis zwischen Mutterunternehmen zur Tochter und zwischen Tochter und Enkelunternehmen. Dabei reicht es schon, wenn diese Macht lediglich "partiell" besteht.

Allerdings müssen dem Tochterunternehmen wesentliche, die Mitbestimmung in personellen, sozialen oder wirtschaftlichen Angelegenheiten betreffende Leitungsaufgaben zur eigenständigen Ausübung verbleiben. Dabei darf es weder gänzlich von der Mutter bestimmt werden, noch darf es sämtliche Leitungsmacht ausüben, da sonst kein Konzern im Konzern, sondern ein "normaler" Konzern im betriebsverfassungsrechtlichem Sinn vorliegt. Und all das gab es bei der deutschen Holding mit der machthabenden Mutter in der Schweiz gerade nicht.

Der Autor Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück ist Partner bei Luther Rechtsanwälte in Berlin und auf das Arbeitsrecht spezialisiert. Der Mitautor Anton Kuntzsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei.

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Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück und Anton Kuntzsch, BAG zu Betriebsrat bei Holding ohne Geschäftstätigkeit: Herrscher über die Töchter . In: Legal Tribune Online, 24.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28785/ (abgerufen am: 30.01.2023 )

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