Im Frühjahr 1940 wurde im kalifornischen San Bernhardino das erste McDonald’s-Restaurant eröffnet. Das Unternehmen schrieb nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Rechtsgeschichte. In den Gerichtssälen dieser Welt hat es einen festen Platz. Und liefert gepflegten Imperialismus, aber auch Rechtslegenden wie den Fall Liebeck, erzählt Martin Rath.
Der US-amerikanische Gastronomiekonzern, der seine Produkte seit 1948 im Stil industrieller Fließband-Rationalität an den Konsumenten bringt, ist seit den 1950er-Jahren weltweit präsent. Das Franchising, der Vertrieb von Produkten und Dienstleistungsroutinen unter einer gemeinsamen Marke, in standardisierten Filialen und nach einheitlichen Qualitätsrichtlinien, wurde von McDonald’s zwar nicht erfunden, aber in die unterschiedlichsten Rechtsordnungen des Globus exportiert.
Es würde ja Wunder nehmen, bekäme man es hier nicht auch mit Juristen zu tun.
Mit dem etwas berüchtigten Fall "Liebeck v. McDonald’s Restaurants" geistert beispielsweise seit 1994 der Fall einer älteren Dame aus Arizona durch die Welt des Juristenhumors, und mit der Verleumdungsklage gegen "Greenpeace London" erzielte McDonald’s einen grandiosen Pyrrhussieg. Dazu später mehr.
Dänischer Widerstand gegen Weltburgertum
Denn selbst wenn es zunächst harmlos erscheint, kommen mitunter merkwürdige Dinge vor: 1994 klagten McDonald’s USA und McDonald’s Dänemark gegen einen gewissen Allan Bjerrum Pedersen, weil dieser für seine fahrbare Würstchenbude die Bezeichnung "McAllan" verwendete und damit Unterscheidungskraft und Wertschätzung der geschützten Marken verwässere. Das See- und Handelsgericht Kopenhagen entsprach diesem Klageantrag mit Entscheidung vom 24. August 1995.
Beispiele für entsprechende Verfahren finden sich überall auf der Welt. Die Rechtsabteilung des Gastronomie-Konzerns bewegte sich vor den Handelsgerichten obskurer Golffürstentümer ebenso wie vor dem Bezirksgericht Tokio oder der Justiz von Singapur. In der Mehrzahl der dokumentierten Fälle griff der Markenschutz. Im Prinzip ist der Fall des dänischen Würstchenbuden-Besitzers keiner von der außergewöhnlichen Sorte. Er ging allerdings nicht ganz gewöhnlich zu Ende. Der dänische Gastronom, der heute nicht mehr Allan Bjerrum Pedersen heißt, hatte argumentiert, sein Freundeskreis habe ihm den Spitznamen Mc oder Mac Allan nach der schottischen Whiskymarke "Maccallen" gegeben.
Obwohl nun der Mann in der nächsten Instanz obsiegte, änderte er seinen Namen in Mac Allen Pedersen, verließ nach allerlei Behördengezänk das dänische Mutterland und sucht seither als Betreiber einer Diskothek auf Grönland sein Glück.
Private und unternehmerische Pyrrhussiege
Der Prozess des Herrn Pedersen gehört wohl in die Kategorie privater Pyrrhussiege vom Typ "Kleinunternehmer besiegt Weltkonzern, kommt aber mit dem Triumph nicht zurecht" – vielleicht deshalb, weil es nicht um Produktqualitäten, sondern um alberne Namensrechte ging.
Einen juristischen Sieg, auf den man bei näherer Betrachtung vermutlich lieber verzichtet hätte, errang der Weltkonzern selbst mit seiner Verleumdungsklage gegen Mitglieder von "London Greenpeace". Diese hatten 1986 ein Flugblatt veröffentlicht, auf dem McDonald’s für den Hunger in der Dritten Welt, Regenwaldzerstörung, Ausbeutung von Kindern und Gift in Nahrungsmitteln in Verbindung gebracht wurde. Man kennt diese Handlungsfelder des Weltbösen.
McDonald‘s agierte nun gegen die obskure Londoner Kleingruppe, die mit dem moralischen Weltkonzern Greenpeace International nicht in Verbindung stand, als gälte es, einen geheimen Scientology-Leitfaden zum juristischen Niedermachen von Zweiflern zu befolgen: Die Schadensersatzforderung belief sich auf 100.000 britische Pfund, aufzubringen von insgesamt fünf Personen, die über eher prekäre Einkünfte verfügten. Nach Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) spionierten sieben Privatdetektive über mehr als zwei Jahre gegen "London Greenpeace".
Nach englischem Recht war in Verleumdungsverfahren keine Prozesskostenhilfe zu gewähren. Den nicht, bestenfalls schlecht anwaltlich vertretenen Greenpeaclern stand ein Kronanwalt mit seiner Lawfirm gegenüber, was den EGMR fast 20 Jahre nach der Publikation der inkriminierten Flugblätter veranlasste, einen Verstoß gegen das Gebot prozessualer Fairness festzustellen und dem Vereinigten Königreich erhebliche Schadensersatzpflichten aufzuerlegen (Urt. v. 15.02.2005, Az. 68416/01).
2/2: Unfreiwillige Arbeitsmarktintegration in Wiesbaden
Der Stoff für David-gegen-Goliath-Geschichten wird im Zusammenhang mit einem Weltkonzern, der über eine hohe regionale Marktpräsenz verfügt, kaum jemals ausgehen, nur wechselt mitunter die Gerichtsbarkeit.
In Deutschland waren beispielsweise arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen beliebt. Hübsch ist hier etwa ein Beschluss des Arbeitsgerichts (ArbG) Wiesbaden vom 21. Dezember 1999 (8 BV 29/99): Dem Betreiber eines McDonald’s-Restaurants war hier offenbar erst vom Gericht der Kopf zurechtzurücken, dass er seinen Betriebsrat nicht in Räumen unterbringen sollte, die sechs Kilometer von der Betriebsstätte entfernt lagen. Auch die Anschaffung eines PCs für den Betriebsrat gab das Gericht dem Gastronomieunternehmen auf, nicht zuletzt mit dem Hinweis darauf, dass die Arbeitnehmervertretung allein im laufenden Jahr 30 Beschlussverfahren gegen diesen McDonald’s-Betreiber anhängig gemacht hatte.
Hier liegt es vielleicht nahe, in McDonald’s jenen "Ausläufer des bekannten amerikanischen Imperialismus" zu sehen, "den deutsche Intellektuelle noch mehr verachten als den Muff der Wohnküchen, in denen sie mit Bratkartoffeln und Kohlrouladen großgezogen wurden" – ein Bild, mit dem Henryk M. Broder 1989 in der Wochenzeitung "Die Zeit" dem Siegeslauf des kapitalistischen Unternehmens das Wort redete (im Sommer 1989 hatte das erste Lokal in der UdSSR eröffnet).
Ein wenig ins Grübeln kommt man jedoch, wenn man die sachliche Begründung des Betriebsrats liest, derer es wegen des grundsätzlichen Anspruchs auf einen PC eigentlich gar nicht mehr bedarf, die im Beschluss des ArbG Wiesbaden aber wiedergegeben wird: Die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung sind in der deutschen Schriftsprache ungeübt, führen sie an, die Orthografie-Korrektur der Textverarbeitung hilft ihnen. Womöglich diente hier ja einmal der "Ausläufer des amerikanischen Imperialismus" der Arbeitsmarktintegration geringqualifizierter ausländischer Mitbürger in Deutschland mehr als so manche sozialamtsmäßige Integrationsbemühung.
Legende des Juristenscherzes: Fall Liebeck
Genauer hinzuschauen lohnt auch im leider legendären Fall der Rentnerin Stella Liebeck aus Albuquerque, der häufig als Beispiel für den vermeintlichen Irrsinn der US-amerikanischen Ziviljustiz herhalten muss: "Liebeck v. McDonald’s Restaurants".
Als juristenhumoristischer Aspekt ist das Ergebnis bekannt: Eine McDonald’s-Kundin verbrüht sich am heißen Kaffee und erhält von einer Jury Schadensersatz über 160.000 US-Dollar wegen ihrer Behandlungskosten sowie 2,7 Millionen US-Dollar Strafschadensersatz. In dieser Verkürzung ging der Fall um die Welt.
Weniger bekannt ist, dass Stella Liebeck zum Unfallzeitpunkt eine 79 Jahre alte, nie im Leben als Gerichtshansel aktive Dame war, sich auf dem Beifahrersitz eines parkenden Kraftfahrzeugs befand, der Kaffee tatsächlich bemerkenswerte 82 bis 88 °C hatte (50 bis 70 °C werden als trinkbar gehandelt), sie eine erhebliche Verletzung und Hospitalisierungsschäden erlitt und außergerichtlich nicht mehr beansprucht hatte als die Differenz zwischen den Behandlungskosten und den Leistungen der gesetzlichen US-Krankenversicherung für Senioren (Medicare). Ebenfalls unerwähnt bleibt zumeist die Kürzung des Jury-Verdikts, zunächst durch den Richter des Ausgangsverfahrens, dann in der Instanz, schließlich das Prozessende mittels Vergleichs über eine bedeutend geringere Summe.
McDonald’s in der Welt der juristischen Ökonomie
Der Fall Liebeck konnte in den USA gerade in seiner etwas peinlichen Verkürzung viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil gewichtige Interessen einer Reform des (Straf-) Schadensersatzrechts das Wort reden.
Der Dynamik der öffentlichen Aufmerksamkeit wird es nicht geschadet haben, dass der berühmt-berüchtigte Gastronomiekonzern die Rolle des Prozessgegners hatte. Der ständige Kampf beispielsweise darum, die Identität der Marke nicht verwässern zu lassen, macht diesen Goliath zu einem dankbaren Ziel für jedweden David.
Autor: Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln. Disclosure: In diesem Jahrhundert hat der Verfasser kein Produkt des besagten Unternehmens konsumiert.
Martin Rath, Mc Donald's vor Gericht: Zu heißer Kaffee und andere Burgerrechtsfragen . In: Legal Tribune Online, 19.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15272/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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