Das BVerwG bestätigt Rundfunkbeiträge für Unternehmen. Außerdem in der Presseschau: LG Hamburg zur Haftung bei Verlinkungen von Urheberrechtsverletzungen und Gnadenerlasse für Strafgefangene in der Vorweihnachtszeit.
Thema des Tages
BVerwG zu Rundfunkbeiträgen von Unternehmen: Das Bundesverwaltungsgericht wies eine Klage von mehreren Unternehmen – darunter Sixt und Netto – ab und erklärte damit die Rundfunkbeiträge für Unternehmen für verfassungsmäßig. Die Bemessung des Rundfunkbeitrags für Unternehmen nach Zahl der Beschäftigten, der Betriebsstätten und er Dienstfahrzeuge sei damit rechtens. Sixt hatte noch am selben Abend angekündigt, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Es berichten lto.de und SZ (Katharina Mea Beisel).
"Veraltetes Rundfunkrecht": Hendrik Wieduwilt (FAZ) hält das Rundfunkrecht im digitalen Zeitalter für veraltet. Im Gegensatz zur Rundfunknutzung sei eine Kontrolle der digitalen Mediennutzung sehr viel einfacher, zur Öffnung von Online-Quellen sende nämlich jeder automatisch seine Daten, somit sei eine "blinde und pauschale Regelung überhaupt nicht nötig". Der Rundfunkbeitrag gleiche zudem eher einer Steuer als einer für eine tatsächliche Leistung erbrachten Gegenleistung in Form eines Beitrags, da ihn nun jeder zahlen müsse unabhängig von der Inanspruchnahme der Leistung. Wieduwilt hält ein Umdenken in der Frage des Rundfunkbeitrags für angebracht, bezweifelt aber, dass eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgen werde.
Rechtspolitik
DNA-Analysen: Die FAZ (Reinhard Müller) befasst sich mit der Diskussion um die Ausweitung der DNA-Analyse zur Aufklärung von Straftaten. Bundesjustizminister Maas, die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) und weitere Politiker befanden, dass die bisherige Regelung in der Strafprozessordnung nicht weitgehend genug sei. Der Bericht verweist auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zum genetischen Fingerabdruck. Das Gericht hatte seinerzeit die Auswertung von DNA zur Identitätsfeststellung für verfassungskonform erachtet, eine weitergehende Analyse, die Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale zulasse, aber nicht, da insoweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sei.
Infrastrukturgesellschaften: Ministerpräsidenten und Bundesregierung verständigten sich über ein Gesetzespaket, welches Grundgesetzänderungen zum Bund-Länderverhältnis vorsieht. So sollen etwa für den Bau, Betrieb und Erhalt der Autobahnen nicht mehr die Länder, sondern eine bundeseigene GmbH verantwortlich sein. Auch für die Errichtung Schulen und Kindergärten sollen derartige Infrastrukturgesellschaften zuständig werden. Ein ausführlicher Bericht findet sich in der taz (Kai Schlieter).
Bio-Siegel: Die Verhandlungen der EU-Institutionen über die Regelungen der Produktion von Bio-Lebensmitteln sind laut taz (Jost Maurin) zunächst gescheitert. Bei den Verhandlungen ging es um einen Entwurf zur Umstrukturierung der EU-Ökoverordnung. Unter anderem sollte ein eigener Pestizidgrenzwert für ökologisch hergestellte Lebensmittel eingeführt werden, um Konsequenzen aus vergangenen Betrugsskandalen zu ziehen. Ökoverbände hatten allerdings von Anfang an kritisiert, dass Biobauern nun auch für den Pestizideinsatz der konventionellen Nachbarfelder haften müssten, wenn diese Giftstoffe etwa auf ihre Felder geweht würden.
Europäische Staatsanwaltschaft: Der Rat für Justiz und Inneres beschäftigte sich mit dem Verordnungsentwurf zur Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft. Diese solle bei Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union tätig werden. Eine Einigung auf einen Verordnungstext konnte allerdings, trotz der mehrheitlichen Zustimmung der Minister, nicht erreicht werden. Bundesjustizminister Heiko Maas und der französische Justizminister Jean-Jaques Urvoas appellierten in einer gemeinsamen Erklärung an die Mitgliedstaaten, eine solche Behörde schnellstmöglich einzurichten, so lto.de.
Genossenschaften: Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums hat eine Reform des Genossenschaftsgesetzes zum Inhalt, so das Handelsblatt-Rechtsboard (Ulrich Noack). Die Reform sehe Prüfungserleichterungen für kleine Genossenschaften vor und enthalte Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität der Genossenschaft als Rechtsform.
Justiz
BVerfG zu Leibesvisitationen: Das Bundesverfassungsgericht gab einer Verfassungsbeschwerde statt, in der sich ein zu lebenslanger Haft verurteilter Gefangener gegen eine Leibesvisitation in einer bayrischen Haftanstalt wehrte, wie lto.de und lawblog.de (Udo Vetter) schreiben. Die Rechtsgrundlage für die Durchsuchung ist das Bayerische Strafvollzugsgesetz, das eine Durchsuchung bei jedem fünften Gefangenen oder Sicherungsverwahrten vor der Vorführung zum Besuch anordnet. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass eine solche Anordnung ohne eine mögliche Ausnahme – etwa, weil die Gefahr des Missbrauchs fernliege – gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gefangenen verstoße und unverhältnismäßig sei. Es hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung ans Landgericht Regensburg.
LG Hamburg zu Urheberrechtsverletzungen: Das Landgericht Hamburg erließ im einstweiligen Rechtsschutz eine Verfügung, in der es die bloße Verlinkung von urheberrechtlich geschütztem Material als Urheberrechtsverletzung ansah, so lto.de (Pia Lorenz) und netzpolitik.org (Leonard Dohbusch). Der Europäische Gerichtshof hatte zuvor bereits in einem Urteil entschieden, dass das Verlinken von Webseiten mit gegen Urheberrechte verstoßenden Inhalten ausreichend sei, um eine Urheberrechtsverletzung zu begründen. Das ausschlaggebende Kriterium sei hierbei die Bereitstellung des Links mit Gewinnerzielungsabsicht. Das Landgericht Hamburg musste unter anderem der Frage nachgehen, wie die Gewinnerzielungsabsicht auszulegen sei. Es ging davon aus, dass diese nicht erst dann vorliege, wenn die Verlinkung selbst zur Gewinnerzielung bestimmt sei, sondern bereits wenn die Seite als Ganzes diesem Zweck diene.
AG Nürnberg zur Taubenfütterung durch Mieter: Wie spiegel.de, lto.de und lawblog.de (Udo Vetter) melden, kann das regelmäßige Füttern von Tauben durch einen Mieter aus seiner Wohnung heraus eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrages nach sich ziehen. Im Fall vor dem Amtsgericht Nürnberg hatte der Mieter zunächst gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese nun aber zurückgezogen, womit das ursprüngliche Urteil rechtskräftig wurde.
BGH zu Kritik an journalistischer Arbeit: internet-law.de (Thomas Stadler) befasst sich mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom September 2016 zur Abgrenzung zwischen der Verdachtsberichterstattung (Tatsachenbehauptung) und Meinungsäußerung (Werturteil) sowie zum Umfang zulässiger Kritik an journalistischer Arbeit.
OLG München – NSU: Wie spiegel.de und focus.de melden, sagte Beate Zschäpe über ihren Anwalt Hermann Borchert aus, dass sie keine Kenntnisse zum Fall Peggy Knobloch habe.
Die SZ (Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm) und spiegel.de (Björn Hengst) berichten zudem über die Beschlagnahme eines Briefes von Zschäpe durch das Oberlandesgericht München. Den Brief schrieb Zschäpe 2013 aus der Haftanstalt heraus an einen befreundeten Neonazi. In diesem zeige sie sich selbstbewusst und dominant, anders als ihr bisheriges Auftreten im Prozess vermuten ließe und sie sich selbst in ihren Aussagen darstelle. Das Oberlandesgericht gab der von der Nebenklage beantragten Verlesung des Briefes statt. Es führte dazu aus, dass der Brief wichtige Rückschlüsse auf die Persönlichkeit Zschäpes zulasse und damit wesentliche Informationen enthalte, die ihr Persönlichkeitsrecht zurücktreten ließen.
OLG Düsseldorf – Kaiser's Tengelmann: Auch Rewe nimmt nun die Beschwerde gegen die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erlassene Ministererlaubnis zur Fusion von Edeka und Kaiser's Tengelmann zurück. Da nun alle Beschwerden zurückgezogen wurden, muss sich das Oberlandesgericht Düsseldorf nur noch im Rahmen der Kostenentscheidung mit der Rechtmäßigkeit der umstrittenen Ministererlaubnis auseinandersetzen, so lto.de.
LG Köln – Schmerzensgeld für Helmut Kohl: Das Landgericht Köln hat in der laufenden Verhandlung erneut bekräftigt, dass Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl gegen die Ghostwriter Heribert Schwan und Tilman Jens eine Entschädigung wegen der Veröffentlichung persönlicher Zitate in seiner Biographie zustehe, wie focus.de und lto.de melden. Der Vorsitzende Richter Martin Koepsel habe zur genauen Höhe allerdings nichts sagen wollen, die Anwälte Kohls hatten zuletzt eine Entschädigung in Höhe von fünf Millionen Euro gefordert.
Recht in der Welt
Griechenland – Auslieferung von mutmaßlichen Putschisten an Türkei: Ein Gericht in Athen verweigerte die Auslieferung von acht türkischen Soldaten, denen von der Regierung in Ankara eine Beteiligung am Putsch vorgeworfen wird, wie die SZ (Mike Szymanski) und spiegel.de schildern.
Frankreich – Verurteilung Cahuzac: Der ehemalige Haushaltsminister Jérome Cahuzac ist von einem französischen Gericht zu drei Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden, so die SZ, FAZ (Michaela Wiegel) und taz (Rudolf Balmer). Das Gericht sah den Fall als "außergewöhnlich schweres Vergehen" an. Als damaliger Haushaltsminister sei seine Aufgabe die Bekämpfung jeglichen Steuerbetruges gewesen.
UN-Tribunal – Ratko Mladic: In einem ausführlichen Bericht beleuchtet die taz (Eric Rathfelder) das Plädoyer des Chefanklägers beim UN-Kriegsverbrechertribunal gegen den bosnisch-serbischen General Ratko Mladic. Dieser hatte eine lebenslange Haftstrafe für den wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten General gefordert.
Sonstiges
Asyl: Flüchtlinge, die ab dem 15. März 2017 über Griechenland in die Europäische Union ein- und entgegen den europäischen Asylregeln in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterreisen, sollen nach Auffassung der EU-Kommission wieder nach Griechenland abgeschoben werden können. Es berichten die SZ, FAZ (Michael Stabenow) und spiegel.de (Markus Becker). Im Jahre 2011 hatten verschiedene Gerichte einen Abschiebestopp nach Griechenland festgelegt, wegen Mängeln im griechischen Asylsystem. Seitdem habe sich die Situation allerdings stark verbessert und werde sich bis März weiterhin entspannen, so die Kommission.
"Weihnachtsamnestie": Die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt über Gnadenerlasse für Strafgefangene in der Vorweihnachtszeit und schildert die Praxis in den einzelnen Bundesländern. Gefangene, die nicht wegen schwerer Gewalt- oder Sexualverbrechen ihre Strafe verbüßten und deren Haft in den Tagen vor dem Jahresende auslaufe, könnten ab Mitte November vorzeitig aus der Haft entlassen werden.
Vertragsverletzungsverfahren im VW-Skandal: Die EU-Kommission leitet gegen Deutschland und weitere EU-Staaten ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren ein. Die Länder hätten es versäumt, Sanktionen zu verhängen, obwohl Volkswagen verbotene Abschaltprogramme verwendete und die nationalen Bestimmungen Strafen vorsähen. Außerdem hätten Deutschland und Großbritannien in ihren nationalen Untersuchungsberichten nicht alle ihnen bekannten Informationen preisgegeben. Es berichten SZ (Markus Balser, Alexander Mühlauer), Hbl (Silke Kersting) und lto.de.
Killer Robots: netzpolitik.org (Constanze Kurz) beschäftigt sich mit sogenannten Killer Robots. Menschenrechtsorganisationen setzten sich in einer Kampagne für ein Verbot dieser Tötungsmaschinen ein. Diese könnten nicht zwischen Soldaten und Zivilisten unterscheiden und verstießen gegen humanitäres Völkerrecht. Ab nächster Woche werde bei den Vereinten Nationen in Genf darüber beraten, welche autonomen Waffensysteme in die sogenannte "Convention on Conventional Weapons" aufgenommen werden sollen. Die Kampagne will ein umfassendes Verbot dieser autonomen Tötungsmaschinen durch die Konvention erreichen.
Das Letzte zum Schluss
Klage gegen Oxford University: Ein ehemaliger Student der Eliteuniversität Oxford klagt vor Gericht, weil er in einem "erbärmlich schlechten" Kurs über Indien als britische Kolonie mit einer schlechten Note abgeschlossen hätte, was seine Abschlussnote insgesamt herunterzog. Er konnte somit kein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt werden und fordert nun das Geld, das er als solcher verdient hätte, schreibt justillon.de (Jana Schäfer).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Die juristische Presseschau vom 9. Dezember 2016: Rundfunkbeiträge für Unternehmen / Haftung für Verlinkungen / Freigelassene Gefangene . In: Legal Tribune Online, 09.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21409/ (abgerufen am: 30.04.2024 )
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