Eins, zwei, drei, vier… Leibesvisitation. So funktionieren Stichproben in bayerischen Gefängnissen, jeder Fünfte wird kontrolliert, ob er will oder nicht. Davon muss man aber auch Ausnahmen machen können, entschied das BVerfG.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die Durchsuchung eines Strafgefangenen vor dem Gang zu einem Besuch richtete (Beschl. v. 05.11.2016, Az. 2 BvR 6/16). Grundlage der Durchsuchung war eine des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG) erlassene Durchsuchungsanordnung, wonach jeder fünfte Gefangene und Sicherungsverwahrte vor der Vorführung zum Besuch zu durchsuchen sei. Diese Durchsuchungsanrodnung verletze ohne die Möglichkeit einer Ausnahme das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers.
Der verbüßt seit 2010 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Er wurde im Mai 2015 vor dem Gang zu einem Besuch seiner Familie körperlich durchsucht und musste sich dafür vollständig entkleiden. Die körperliche Durchsuchung, die auch eine Inspektion der Körperöffnungen umfasste, war auf Grundlage von Art. 91 Abs. 2 S. 1 des BayStVollzG genehmigt worden, wobei pauschal angeordnet wurde, dass jeder fünfte Strafgefangene und Sicherungsverwahrte vor der Vorführung zum Besuch körperlich durchsucht werden soll.
Der Gefangene weigerte sich zunächst, die Durchsuchung durchführen zu lassen, und berief sich darauf, dass diese rechtswidrig sei. Nachdem die eingeteilten Vollzugsbeamten ihm mehrfach die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht hatten, ließ er die Leibesvisitation schließlich zu, bei der die Vollzugsbeamten nichts auffanden.
BVerfG: Ausnahme nötig, wenn Missbrauch unwahrscheinlich
Diese Durchsuchungsanordnung verletzte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mannes, entschied das BVerfG. Die Regelung des BayStVollzG könne zwar noch als vertretbare Einzelfallanordnung angesehen werden. Sie sei aber unverhältnismäßig, da sie aber keine Abweichung im Einzelfall zulasse.
Um einen gerechten Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem Sicherheitsinteresse der JVA zu erreichen, müssten Ausnahmen von der Anordnung möglich sein - zumindest dann, "wenn die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs fernliegt".
Das BVerfG hob damit die beiden Beschlüsse der Vorinstanzen auf und verwies die Sache an das Landgericht (LG) Regensburg zurück. Dieses muss nun klären, ob die JVA im konkreten Fall von der Anordnung hätte abweichen müssen. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist dies mit Blick auf das Verhalten des Mannes bei vergangenen Besuchen jedenfalls nicht ausgeschlossen.
acr/LTO-Redaktion
BVerfG zu Leibesvisitation: Keine Stichproben ohne Ausnahme . In: Legal Tribune Online, 08.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21397/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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