Die einen probieren es klassisch auf dem Verwaltungsrechtsweg, die anderen schreiten direkt vor einen Landesverfassungsgerichtshof – mit dem neuen Rundfunkbeitrag wollen sich viele Privatpersonen und Unternehmen nicht abfinden. Rechtsexperten sind sich uneins und statten beide Seiten mit Gutachten aus. Am Dienstag findet eine mündliche Verhandlung vor dem BayVerfGH statt.
Der Streit um den neuen Rundfunkbeitrag geht in eine neue Runde. Am Dienstag verhandelt der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) über die Popularklagen der Drogeriekette Rossmann und des Juristen Ermano Geuer (Az. Vf. 8-VII-12 und Az. Vf. 24-VII-12). Eingereicht hatten Rossmann und Geuer ihre Klagen bereits 2012 – also noch vor Inkrafttreten des neuen Rundfunkstaatsvertrags.
Der regelt, dass ab Januar 2013 eine Rundfunkabgabe pro Wohnung und Betriebsstätte in Höhe von 17,98 Euro im Monat gezahlt werden muss. Vorher war jeden Monat eine Rundfunkgebühr pro Gerät fällig gewesen.
Erst vor wenigen Wochen, Mitte März 2014, haben die Länder beschlossen, die neue Abgabe um fast 50 Cent zu senken. Damit wollen sie den Beitragszahlern einen Teil der aus der Umstellung resultierenden Mehreinnahmen zurückzahlen. Gelten soll dies aber nach Informationen von focus.de wohl erst ab April 2015.
Zweifel an Kompetenz und Datensammlung
Kläger Geuer findet die neue Regelung nicht fair. Es muss auch zahlen, wer gar kein Rundfunkgerät besitzt. Eine solche Pauschalierung, für die es keine sachlichen Erwägungen gebe, verletze den Gleichheitssatz. Außerdem hält der Jurist die neue Abgabe rechtlich für eine Steuer. Für deren Einführung wären aber die Länder gar nicht zuständig. Das Problem dabei: Der Bund darf zwar Steuern erheben, ihm fehlt es aber umgekehrt an der Rundfunkkompetenz.
Geuer, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht der Universität Passau, hat zudem datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Meldedatenabgleich. Es würden zu viele Daten erhoben, die nicht notwendig seien, um den Rundfunkbeitrag zu ermitteln und einzutreiben.
Die Aufgaben der ehemaligen Gebühreneinzugszentrale (GEZ) übernimmt nun der ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice. Über einen Meldedatenabgleich erhält dieser von den Einwohnermeldeämtern Informationen über die Beitragspflichtigen. Übermittelt werden dabei etwa Name, Geburtsdatum und Adresse, aber auch frühere Nachnamen und der Familienstand.
Schlacht der Gutachter
Es gibt Staatsrechtler, die derselben Ansicht sind wie Rossmann und Geuer, und solche, die es nicht sind – je nachdem für wen sie ein Gutachten zu der neuen Rundfunkabgabe geschrieben haben.
Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof bescheinigte der Abgabe bereits 2010 in einem Gutachten für ARD, ZDF und Deutschlandradio, verfassungskonform zu sein. Auch Rechtswissenschaftler Hanno Kube von der Universität Mainz, welche traditionell dem ZDF nahe steht, ist laut einem Gutachten aus dem Jahr 2013 mit der neuen Regelung im Wesentlichen einverstanden.
Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull ist schon im Jahr 2010 – ebenfalls in einem Gutachten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – zu dem Ergebnis gekommen, dass der Meldedatenabgleich nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Der Schluss von der Größe der Datensammlung auf ihre Gefährlichkeit sei unbegründet. Bull befürchtet auch nicht, dass die Daten missbraucht werden könnten, da diese einer strengen Zweckbindung unterliegen, die durch Löschungspflichten abgesichert ist. Die Möglichkeit, dass diese Regeln eventuell nicht eingehalten werden, sei reine Spekulation.
Anders der Staatsrechtler Christoph Degenhart von der Uni Leipzig: In einem Gutachten für den "Handelsverband Deutschland (HDE) – Der Einzelhandel" kam er zu dem Ergebnis, dass die Reform verfassungswidrig ist, soweit der Beitrag bei Betrieben des Einzelhandels und Filialen erhoben wird. Auch er hält den Beitrag für eine Steuer, für welche die Länder nicht zuständig sind. Die unterschiedslose Einbeziehung aller Unternehmen und die Beitragspflicht für Betriebsfahrzeuge seien gleichheitswidrig, Filialbetriebe würden überproportional belastet.
Andere Juraprofessoren – wie Christian Waldhoff oder Hubertus Gersdorf – schlagen vor, den Rundfunkbeitrag aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren. Auch ihnen ist der neue Beitrag zu nah dran an einer Steuer.
2/2: Auf dem Verwaltungsrechtsweg
Die Drogeriekette Rossmann und Öffentlich-Rechtler Geuer sind nicht die Einzigen, die sich vor Gericht gegen die Abgabe wehren. Auch der Autovermieter Sixt klagt, allerdings vor dem Verwaltungsgericht (VG) München, ein Termin steht noch nicht fest (Az. M 6b K 13.3729). Das Unternehmen stützt sich auf das Gutachten von Degenhart.
Das VG Bremen wies bereits zwei Klagen von Privatpersonen ab (Urt. v. 20.12.2013, Az. 2 K 570/13 und 2 K 605/13). Die Kammer hatte keine rechtlichen Bedenken gegen die Rundfunkabgabe. Sie sah in der Abgabe ausdrücklich keine Steuer im rechtlichen Sinne, sondern sie werde allein für die abstrakte Möglichkeit erhoben, die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Anspruch nehmen zu können. Statistisch verfüge nahezu jeder deutsche Haushalt über ein Empfangsgerät wie Fernseher, Radio, PC mit Internetanschluss oder Smartphone.
Der Gesetzgeber dürfe zur Vereinfachung auch an den Besitz einer Wohnung anknüpfen, selbst wenn in wenigen Einzelfällen dabei auch solche Wohnungen erfasst würden, in denen keine Rundfunkempfangsgeräte vorhanden seien. In beiden Verfahren läuft die Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG).
Im Eilverfahren gescheitert
Mit Eilanträgen hatten Rossmann und Geuer vor dem BayVerfGH versucht, den Abgleich der Meldedaten vorläufig zu stoppen. Damit waren sie gescheitert. Eine Aussetzung des Abgleichs würde zumindest vorübergehend eine gleichmäßige Beitragserhebung erheblich beeinträchtigen, so die Verfassungsrichter. Das hätte Auswirkungen auf sämtliche Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, welche die Nachteile überwiegen würden, die den Betroffenen durch die Übermittlung der Daten an die Landesrundfunkanstalt entstehen (Beschl. v. 18.04.2013, Az. Vf. 8-VII-12; Vf. 24-VII-12).
Auch vor den Verwaltungsgerichten blieben Eilanträge gegen den Meldedatenabgleich bislang erfolglos. In zweiter Instanz entschied etwa das OVG Lüneburg, dass der Beitragsservice durchaus auch wissen dürfe, wo die Bürger früher gewohnt haben (Beschl. v. 10.09.2013, Az. 4 ME 204/13). Die niedersächsischen Richter gaben damit einer Beschwerde des NDR gegen eine Eilentscheidung des VG Göttingen statt.
Die Drogeriekette Rossmann und der Datenschutzrechtler Geuer betreiben nun ein Hauptsacheverfahren vor dem BayVerfGH. Das Rechtsmittel der Popularklage, das es nur in Bayern gibt, erlaubt ihnen, die Regelung direkt und ohne persönliche Betroffenheit anzugreifen. Sie mussten nicht erst Gebührenbescheide abwarten und sparen sich den Weg durch die Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gelten wird das Urteil des BayVerfGH allerdings auch nur für Bayern.
Claudia Kornmeier, Gegen den Rundfunkbeitrag: Mit allen Mitteln des Rechts . In: Legal Tribune Online, 24.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11424/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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