Legal Chatbots unterstützen auf Knopfdruck bei rechtlichen Fragen. Sie sind ein weiteres Beispiel dafür, wie Legal Tech außerhalb traditioneller Konzepte den Zugang zum Recht verbessert, meint Nico Kuhlmann.
Chatbots sind textbasierte Dialogsysteme. Vereinfacht gesagt, ist ein Chatbot ein Programm, das eine schriftliche Unterhaltung mit einem Menschen simuliert und dem Nutzer Fragen beantwortet. Dies kann entweder über eine eigene Eingabemaske erfolgen oder direkt in vorhandene Messaging-Dienste integriert werden. Das Computerprogramm Eliza, der erste Chatbot der Welt, wurde bereits vor über 50 Jahren vom deutsch-amerikanischen Informatiker Joseph Weizenbaum gebaut.
Diese Programme funktionieren mit natürlicher Sprache. Es wird eine Frage eingetippt und nach der Analyse der Schlagwörter antwortet der Chatbot darauf unter Rückgriff auf eine Datenbank mit vorgefertigten Ausführungen. Ein Chatbot ist somit eine Art virtueller persönlicher Assistent, der jederzeit zur Verfügung steht. Bisher sind solche Chatbots vor allem aus der Kundenbetreuung bekannt. Auf zahlreichen Websites werden diese bereits eingesetzt und stellen eine intuitive und automatisierte Form dar, die FAQs auszuspielen.
Die Chatbots haben mittlerweile aber den reinen Customer-Service verlassen und beraten in vielen verschiedenen Lebenslagen: Smokey informiert beispielsweise über die aktuelle Luftqualität in der Stadt, in der man sich befindet und informiert anschließend automatisch über Verschlechterungen. Gyant analysiert Krankheitssymptome und leitet den Nutzer zu einer möglichen Diagnose. Auch auf dem Rechtsmarkt gibt es jetzt erste Versuche, diese Technologie nutzbar zu machen.
Strafzettel und andere Ungerechtigkeiten
Nachdem der damals 18-jährige Joshua Browder in London mehrere Dutzend Strafzettel für Falschparken erhalten hatte, recherchierte er die rechtlichen Rahmenbedingungen und wie man der Strafzahlung am besten entgehen kann. Er wurde zum Experten auf diesem, von der Anwaltschaft vernachlässigten, Gebiet. Nach kurzer Zeit häuften sich die Anfragen – zunächst aus seinem privaten Umfeld. Um Zeit zu sparen, programmierte Browder einen Chatbot, welcher die ihm gestellten Fragen beantwortete. Der Name des Chatbots ist auch gleichzeitig das Ziel: DoNotPay.
Der Chatbot stellt eine Reihe von Fragen und generiert bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Strafzettels aus den Antworten ein umfangreiches Beschwerdeschreiben, welches automatisch an die zuständige Behörde adressiert ist. Seit Veröffentlichung hat DoNotPay fast 200.000 Strafzettel in London und New York erfolgreich beanstandet und den angeblichen Verkehrssündern umgerechnet insgesamt vier Millionen US-Dollar an Strafzahlungen erspart. Die BBC hat ihn deshalb zum "Robin Hood des Internets" gekürt.
Mittlerweile studiert Joshua Browder an der Stanford University in den USA und will seinen Chatbot weiter ausbauen. Ergänzt wurde bereits ein Modul für Rückerstattungsansprüche gegen Fluggesellschaften bei Verspätungen. Aber auch andere Ungerechtigkeiten, gegen die er seinen Chatbot in Stellung bringen will, hat er bereits im Blick.
2/2: Rechtliche Ersteinschätzung nach Übergriffen
Eine Gruppe Jura-Studenten aus dem englischen Cambridge will den Zugang zum Recht für Opfer krimineller Übergriffe verbessern. Ihnen fiel auf, wie wenig normale Bürger darüber wissen, welche Rechte ihnen als Opfer einer Straftat zustehen und wie sie nach einer Tat vorgehen sollten. Darum programmierten die Studenten kurzerhand LawBot, einen Chatbot, der nach der Tat eine Orientierung durch eine vorläufige Rechtseinschätzung gibt.
Dies soll besonders hilfreich sein, wenn sich das Opfer etwa aus Scham nicht direkt einem anderen Menschen anvertrauen möchte. Die Angaben sind anonym und können aus der Vertraulichkeit der eigenen vier Wände erteilt werden. Zusätzlich sind die Fragen und Ausführungen von LawBot bewusst mit der Hilfe von Psychologen möglichst empathisch und anteilnehmend formuliert.
Im Ergebnis unterstützt das Programm bei der Einschätzung, wie der Vorfall rechtlich zu bewerten und ob das fragliche Verhalten tatsächlich strafrechtlich relevant war. Entschließt sich ein Betroffener, den Vorfall zu melden, erstellt der Chatbot aus den erteilten Angaben eine schriftliche Zusammenfassung und zeigt auf einer Karte, wo sich die nächste Polizeistation befindet.
Der Chatbot deckt bisher 26 verschiedene Straftatbestände ab. Die Entwickler planen aber, weitere hinzuzufügen. Eine Expansion von LawBot nach Deutschland ist ebenfalls angedacht, die Entwickler sind bereits mit Universitäten hierzulande in Kontakt.
Lisa, wir brauchen schnell eine Geheimhaltungsvereinbarung
Auch für das Wirtschaftsrecht gibt es bereits erste Anwendungen. LISA (Legal Intelligence Support Assistant) erstellt im Vereinigten Königreich Geheimhaltungsvereinbarungen in weniger als 15 Minuten, die für beide Parteien angemessen und vernünftig sein sollen. LawDroid unterstützt bei der Unternehmensgründung in Kalifornien, indem dieses Programm die notwendigen Punkte abfragt und aus den Angaben direkt die erforderlichen Dokumente erstellt.
Bisher sind die vorhandenen Chatbots größtenteils automatisierte Erklärungen von Tatbestandsmerkmalen – sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Der potenzielle Anwendungsbereich für Chatbots im Recht ist aber gleichsam grenzenlos. Vor allem in Bereichen, in denen eine hohe Anzahl relativ gleichgelagerter Fälle vorkommt und der Weg zum Anwalt meist aufgrund der Dauer oder der Kosten unterbleibt, können Chatbots in Zukunft einen skalierbaren Mehrwert leisten.
Zugang zum Recht auf Knopfdruck
In der vernetzten Welt des digitalen Zeitalters sind Textnachrichten eine bequeme, schnelle und alltägliche Kommunikationsmethode. In Zukunft werden nicht nur unsere Freunde, Verwandten und Kollegen auf Textnachrichten antworten, sondern auch immer mehr Chatbots, die uns in diversen Situationen mit Rat zur Seite stehen werden.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Chatbots haben keine Öffnungszeiten, schlafen nicht und geben keine patzigen Antworten, weil sie einen schlechten Tag haben. Zudem sind bisher alle Legal Chatbots kostenlos. Somit entfallen zwei der Hindernisgründe, warum gegenwärtig so wenige Bürger rechtlichen Rat bei einem Anwalt einholen: Zeit und Geld.
Natürlich können Chatbots die rechtliche Bewertung durch einen Anwalt nicht ersetzen - dies ist auch nicht die Idee dahinter. Es geht vielmehr darum, denjenigen mit einer ersten rechtlichen Einschätzung oder mit einfachen Dokumenten zu helfen, die bisher oft gar keinen nennenswerten Zugang zum Recht hatten. Für viele Bürger wird es besser sein, dass ein Chatbot die einfachen, rechtlichen Fragen beantwortet als wie bisher oft gar keiner.
Der Autor Nico Kuhlmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells Int. LLP in Hamburg und Blogger für den Legal-Tech-Blog.de.
Nico Kuhlmann, Legal Tech: Chatbots: Virtuelle Assistenten des Rechts . In: Legal Tribune Online, 21.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22422/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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