Die Lufthansa-Piloten dürfen vorerst streiken. Außerdem in der Presseschau: Reform des Insolvenzrechts, Streit um das BND-Gelände in München und Kritik an SPD wegen bezahlter Politikergespräche.
Thema des Tages
Streik bei Lufthansa: Die Lufthansa ist dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Frankfurt mit dem Versuch gescheitert, den Streik der Pilotengewerkschaft Cockpit durch eine einstweilige Verfügung zu stoppen. Damit wird am heutigen Mittwoch eine erhebliche Zahl von Flügen ausfallen. Das Arbeitsgericht Frankfurt scheute nach einem Bericht auf handelsblatt.com einen Eingriff in die Tarifautonomie. Das Landesarbeitsgericht hielt die von Lufthansa aufgeworfenen Fragen im Eilverfahren nicht klärbar. Mit den Streitpunkten zwischen Konzernspitze und Gewerkschaft beschäftigen sich auch die SZ (Jens Flottau) und faz.net (Ulrich Friese).
spiegel.de und focus.de erklären, welche Rechte Fluggäste bei ausfallenden Flügen haben.
Rechtspolitik
Insolvenzrecht: Nach einem Richtlinienvorschlag der EU-Justizkommissarin Vera Jourová sollen Umstrukturierungen von angeschlagenen Unternehmen erleichtert werden und bei einer Insolvenz die Restschulden nach drei Jahren entfallen. Insolvenzverwalter fürchten um ihre Bestellungen, da Gerichte nach dem Vorschlag nur noch eingeschaltet werden sollen, wenn ein Teil der Gläubiger seine Interessen gefährdet sieht. Die FAZ (Werner Mussler) und das Hbl (Till Hoppe/Dieter Fockenbrock) fassen die Pläne zusammen.
Plebiszite: In einem Kommentar beschäftigt sich Heribert Prantl (SZ) mit der Forderung nach Volksabstimmungen auf Bundesebene, mit der die CSU in den Wahlkampf ziehen will. Plebiszite seien "kein demokratisches Wundermittel, sondern ein demokratisches Hilfsmittel". Es könne heilsam sein, aber bei falscher Dosierung auch toxisch.
Regulierung von Facebook: Hendrik Wieduwilt (FAZ) kritisiert die Pläne der Justizminister der Länder, Internetanbieter verpflichten zu wollen, "Hassrede" innerhalb von 24 Stunden zu löschen und Berichte anzufertigen. Sie würden damit auf dem "Außenrand des Grundgesetzes" balancieren. Die Regulierung von "Kommunikation, die strafrechtlich nicht begrenzt und daher legal ist", verstoße gegen den Grundsatz der Staatsferne, der Kernbestandteil des Rundfunkrechts ist. Auch die Forderungen nach einer Offenlegung der Algorithmen sei problematisch, da die Geheimhaltung Spam verhindere.
Arbeitsrecht 4.0: Anlässlich der anstehenden Veröffentlichung des "Weißbuchs Arbeiten 4.0" durch Arbeitsministerin Andrea Nahles befasst sich Rechtsanwalt Boris Zsida in der FAZ mit Herausforderungen für das Arbeitsrecht im digitalen Zeitalter. Die strengen Vorgaben des Zeitarbeitsgesetzes, der datenschutzrechtliche Umgang mit "smarten" Werkzeugen sowie die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Crowdworking zeigten, dass das "Arbeitsrecht des letzten Jahrhunderts ist in vielen Punkten nicht mehr mit der digitalisierten Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts vereinbar" sei.
Teilzeitrecht: Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer kritisiert im Hbl die Pläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles, Teilzeit-Arbeitnehmern einen Anspruch auf Rückkehr zur früheren Arbeitszeit zu verschaffen. Die Änderung würde dazu führen, dass Betriebe auf befristete Arbeitsverhältnisse und Minijobs auswichen.
Justiz
BGH zu Widerrufsbelehrung: Darlehensgeber, die nicht die erforderlichen Angaben erteilen, laufen Gefahr, dass auch Jahre später das Widerrufsrecht ausgeübt wird. Das gilt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshof auch für Angaben, die zwar nicht gesetzlich verpflichtend sind, aber in der Widerrufsbelehrung erwähnt werden. Im konkreten Fall ging es um das Immobiliendarlehen einer Sparkasse, die keine Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde erteilt hatte. Die FAZ (Marcus Jung) berichtet zum Urteil.
OLG Stuttgart zu Kloster-Millionen: Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart darf das Benediktinerkloster Neresheim in Baden-Württemberg das Vermögen des früheren Abts Norbert Stoffels vorerst behalten. Nach dem Tod des Abts waren zwei Konten mit einem Betrag in Höhe von 4,4 Millionen Euro aufgetaucht, die auch von einer Stiftung und zwei Treuhänderinnen beansprucht wurden, so die FAZ (Rüdiger Soldt).
Klage wegen BND-Grundstück: Der Erbe einer Alteigentümerin des BND-Geländes in München will die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verklagen. Seine Tante habe dem Verkauf des Grundstücks nur zugestimmt, weil ihr Nachbar, ein NS-Funktionär, sie bedroht habe. Das NS-Regime errichtete dort eine Muster-Siedlung. Nach dem Krieg bezog der BND das Gelände. Ein im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erstelltes Gutachten, das der SZ (Nicolas Richter/Katja Riedel) und tagesschau.de (Katja Riedel) vorliegt, bestreitet hingegen eine Zwangssituation und lehnt jegliche Ansprüche ab.
VerfGH NRW – Silvester-Ausschuss: Die Fraktionen der CDU und der FDP im nordrhein-westfälischen Landtag haben beschlossen, die Landesregierung vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen zu verklagen. Sie verlangen die Herausgabe von Dokumenten und Mobilfunkdaten an den Silvester-Untersuchungsausschuss. Die Unterlagen sind für die Frage relevant, ob Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, wie behauptet, erst am 4. Januar von der Dimension der Vorfälle erfahren hat. Die Landesregierung beruft sich auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, wie die FAZ (Reiner Burger) und zeit.de berichten.
VerfGH BW zu Landeshochschulgesetz: Die FAZ (Thomas Thiel) analysiert die Auswirkungen des Urteils des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg zum Landeshochschulgesetz. Dieses werfe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Idee der unternehmerischen Hochschule zurück und erschwere die Profilbildung der Hochschulen.
BayVerfGH zu Volksbefragung: Der Rechtsanwalt Robert Hotstegs beschäftigt sich auf lto.de mit der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof, die die einfachgesetzliche Einführung von unverbindlichen Volksbefragungen für verfassungswidrig erklärt hat. Eine Einführung durch Verfassungsänderung sei zwar in Grenzen möglich, aber unwahrscheinlich.
VG Düsseldorf/OVG Münster zu Syrien: Nach einer Meldung von lto.de hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf einem 18-jährigen Syrer die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen. Allen nach Syrien zurückkehrenden Asylbewerbern drohe generell die Gefahr der Folter, weil das syrische Regime Rückkehrer aus dem Ausland unter Anwendung menschenrechtswidriger Methoden verhöre. Reinhard Müller (FAZ) weist hingegen auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster hin, nach der syrische Rückkehrer nicht generell Verfolgung befürchten müssen. Zwar stehe ihnen subsidiärer Schutz zu, aber "Schutz ist nicht gleich Asyl".
OLG München – NSU-Prozess: Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat die Befragung eines Zeugen nicht die von der Verteidigung von Ralf Wohlleben erhoffte Entlastung ergeben. Der Zeuge bestätigte die mögliche Existenz eines Holzhäuschens in Jena-Winzerla, von dem der geständige Mitangeklagte Carsten S. gesprochen hatte. spiegel.de (Björn Hengst) fast den Verlauf der Verhandlung zusammen.
Recht in der Welt
Südafrika – IStGH-Austritt: In einem englischsprachigen Beitrag auf verfassungsblog.de untersucht der Doktorand Juha Touvinen, ob der Rücktritt Südafrikas vom IStGH-Statut mit der Bill of Rights vereinbar ist.
Sonstiges
Gekaufte Politikergespräche: Der SPD wird vorgeworfen, durch die entgeltliche Vermittlung von Gesprächen mit Spitzenpolitikern gegen das Parteiengesetz verstoßen zu haben. Die Gespräche, an denen auch Justizminister Heiko Maas teilgenommen hat, wurden von der SPD-Agentur Network Media GmbH vermittelt und sollen nach einem Bericht von Frontal21 3.000 bis 7.000 Euro gekostet haben. Die Staats- und Verwaltungsrechtlerin Sophie Schönberger sieht darin eine illegale Parteispende. Der Strafrechtler Frank Saliger sieht zumindest einen Anfangsverdacht für gegeben. Die Agentur behauptet hingegen, dass die Geldzahlungen lediglich sicherstellten, dass die Kosten der Veranstaltungen gedeckt sind, wie Welt und spiegel.de (Max Holscher) berichten.
Rechtsstaat-Zentrum in Karlsruhe: In Karlsruhe ist ein Zentrum geplant, das die Geschichte des Rechtsstaats erlebbar machen soll. Beteiligt sind unter anderem das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof, in dessen "Saalbau" das Zentrum Platz finden könnte, wie die SZ (Wolfgang Janisch) schreibt.
Zivilklausel: Die Kooperation der Universität Bremen mit der Bundeswehr verstößt gegen die Zivilklausel der Universität. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das der Kasseler Anwalt Bernd Hoppe im Auftrag des Vereins "NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit" erstellt hat und über das die taz (Ralf Pauli) berichtet.
Schiedsabreden: Die Rechtsanwälte Janine Gissa und Daniel Valdini weisen in einem Beitrag für die FAZ auf die Möglichkeit hin, in Schiedsabreden einzelne Normen der deutschen Rechtsordnung abzuwählen. Dies könne eine lukrative Alternative zur "Flucht ins ausländische Recht" darstellen.
"Black Friday" als Marke? Händler, die für Schnäppchen am letzten Freitag im November mit den Worten "Black Friday" werben, befürchten Abmahnungen. Eine Holding aus Hongkong hat den Begriff markenrechtlich schützen lassen. Markenrechtler bezweifeln den markenrechtlichen Schutz, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt).
Europa-Krise: Im Anschluss an das Buch "The End of the Eurocrats‘ Dream", herausgegeben von Christian Joerges, Damian Chalmers und Marcus Jachtenfuchs, wird auf verfassungsblog.de die Debatte um die Krise in Europa mit Beiträgen von Richard Bellamy, Bojan Bugaric, Mark Dawson und Floris de Witte, Maurizio Ferrera, Daniel Innerarity, Poul Fritz Kjaer, Karl-Heinz Ladeur, Jiří Přibáň, Elise Muir und Jonathan White weitergeführt.
Reichsbürger: lto.de (Maximilian Amos) unterzieht die sogenannten Reichsbürger einer genaueren Betrachtung, befasst sich mit ihrer Ideologie, untersucht ihre Argumente und beschreibt die Gefahren, die von ihnen ausgehen.
Das Letzte zum Schluss
Laute Hähne: Der Streit zwischen einem Hobbyzüchter und seinem Nachbarn um Hahnenschreie endete am Amtgericht Brandenburg/Havel mit einer einvernehmlichen Lösung. Leidtragende sind jedoch die Tiere: Sie dürfen sich zwischen 20 und 8 Uhr und am Wochenende nicht mehr draußen aufhalten, meldet focus.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. November 2016: Lufthansa-Streik / NS-belastetes BND-Grundstück / Illegale Parteispenden? . In: Legal Tribune Online, 23.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21236/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
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