Der Brexit ist beschlossene Sache, was passiert jetzt? Außerdem in der Presseschau: Bei der Erbschaftsteuerreform bahnt sich neuer Streit an, Verordnung zum beA soll Sicherheit bringen.
Tagesthema
Brexit und die Folgen: Mit den Auswirkungen des Brexit auf Rechtsanwälte befasst sich faz.net (Hendrik Wieduwilt). Für in Großbritannien arbeitende Anwälte dürfte es künftiger schwieriger werden, denn bisher konnten sie sich auf die Freizügigkeit berufen. Allerdings wird auch der Beratungsbedarf steigen. Gerade im Gesellschaftsrecht wird der Brexit Auswirkungen haben, meint Rechtsprofessor Christian Kerstin auf Handelsblatt-Rechtsboard. So werden möglicherweise Unternehmen in der Rechtsform der britischen Limited, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben, über einen Wechsel der Rechtsform nachdenken müssen.
Die Frage, wie der Brexit formell über die Bühne gehen könnte, beantwortet Franz C. Mayer auf verfassungsblog.de. Maximilian Steinbeis schlägt ebenfalls auf verfassungsblog.de vor, den bald europafernen Briten über § 10 StAG die Möglichkeit zu eröffnen, auf einem schnelleren Weg die deutsche respektive europäische Staatsangehörigkeit zu erwerben. Mit den tatsächlichen Auswirkungen der Entscheidung auf die Staatsangehörigkeit befasst sich dort auch Dimitry Kochenov. Außerdem beantworten fünf europäische Rechtswissenschaftler fünf Fragen zum Brexit: Laurent Pech (London), Ntina Tzouvala (Durham), Kenneth Armstrong (Cambridge), Jo Shaw (Edinburgh) und Gertrude Lübbe-Wolf (Bielefeld/Karlsruhe).
Rechtspolitik
Anti-Terror-Gesetz: Die Samstags-FAZ und zeit.de weisen darauf hin, dass der Bundestag am Freitag das Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus verabschiedet hat. Die Neuregelung verpflichtet Verkäufer von Prepaid-Handys dazu, die Personalien der Käufers zu prüfen und zu registrieren. Die Bundespolizei soll künftig verdeckte Ermittler auch zur Gefahrenabwehr und nicht wie bisher nur zur Strafverfolgung einzusetzen. Ausführlich stellt lto.de das neue Gesetz vor.
Netzpolitik.org (Ingo Dachwitz/Simon Rebiger) berichten aus der Bundestagsdebatte zur Verabschiedung und stellen Kritikpunkte zusammen.
Erbschaftsteuer: Dass die Erbschaftsteuerreform auch nach der Verabschiedung im Bundestag noch nicht in trockenen Tüchern ist, weiß die Samstags-SZ (Cerstin Gammelin). So habe beispielsweise die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold von den Grünen angekündigt, im Bundesrat gegen das Gesetz zu stimmen. Die Länder, in denen die Grünen mitregieren, wollen sich bis zum kommenden Donnerstag darüber verständigen, wie die für den 8. Juli vorgesehene Abstimmung der Länderkammer gestoppt werden kann. Wie die Samstags-FAZ (Manfred Schäfers) berichtet, zeigte sich die SPD bereits offen für ein Vermittlungsverfahren.
Sexualstrafrecht: Die Koalitionsfraktionen haben sich am Freitag auf die Aufnahme des Grundsatzes "Nein heißt Nein" in die geplante Sexualrechtsreform geeinigt, vermeldet die Samstags-SZ. Eine Vergewaltigung liegt danach auch dann vor, wenn sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinweggesetzt hat. Es ist nicht mehr notwendig, dass ein Widerstand überwunden wurde. Ein "Begrapschen" soll künftig als sexuelle Belästigung strafbar sein.
bild.de berichtet, dass Gina Lisa Lohfink und ihr Rechtsanwalt Burkhard Benecken vom österreichischen Abgeordneten eingeladen wurden, um am 21. Juli vor dem Europäischen Parlament zu sprechen.
In seinem Kommentar befürchtet Jost-Müller Neuhof (Tagesspiegel), dass die jetzt verabschiedete Reform möglicherweise auch zu mehr falschen Verdächtigungen führen könnte.
Vermögensteuer: Nach Ansicht des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel ist für eine gerechte Steuerpolitik auch die Wiedereinführung der Vermögensteuer eine Option, melden die Samstags-FAZ und handelsblatt.de. Eine Vermögensteuer sei verfassungskonform möglich. Aufwand und Ertrag stünden in einem vernünftigen Verhältnis.
Gesetzgebungbeschleunigung: Laut Spiegel sollen einige umstrittene Gesetzesvorhaben noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Wie das Magazin berichtet, haben die Regierungsfraktionen den Bundesrat gebeten, die Gesetze zu erneuerbaren Energien (EEG), Fracking und Integration fristverkürzt abschließend zu beraten. Normalerweise hat der Bundesrat drei Wochen Zeit, sich mit Gesetzen aus dem Bundestag zu befassen.
Elektronisches Anwaltspostfach: Die Montags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) vermeldet unter Bezugnahme auf die Neue Juristische Wochenschrift, dass Bundesjustizminister Heiko Maas angekündigt hat, die bestehende Unsicherheit über mögliche Haftungsrisiken des elektronischen Anwaltspostfachs (beA) in einer Rechtsverordnung zu klären. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Ulrich Schellenberg hatte kürzlich eine entsprechende gesetzliche Regelung gefordert.
Fracking u.a.: Am Freitag hat der Bundestag das Fracking-Gesetz verabschiedet. Silvia Liebrich (Samstags-SZ) sieht die späte Verabschiedung als symptomatisch für viele andere Gesetze, die auch erst "auf den letzten Drücker" beschlossen werden. Sie attestiert der großen Koalition den fehlenden Mut zum Entscheiden und dazu die fehlende Bereitschaft, das Zaudern plausibel zu erklären.
Justiz:
BVerfG zu Polizistenbeleidigung: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Äußerung der Parole "All Cops Are Bastards" ("ACAB") nicht als Beleidigung verfolgt werden kann, sondern eine verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerung darstellt. Die Parole drücke nur eine allgemeine Ablehnung der Polizei aus und beleidige damit keinen einzelnen Polizisten, fasst beispielsweise taz.de (Christian Rath) die Entscheidungsgründe zusammen. Laut spiegel.de kritisierte die Gewerkschaft der Polizei die Entscheidung scharf. Angesichts der wachsenden Gewalt gegen Polizeibeamte sei der Beschluss "das falsche Signal an die falschen Leute".
BVerfG – NPD-Verbotsverfahren: Wie der Spiegel weiß, soll Bundesverfassungsrichter Herbert Landau bis zum Abschluss des NPD-Verfahrens im Amt bleiben. Eigentlich würde seine Amtszeit bereits im August enden.
OLG Köln zu Werbeblockern: Im Streit um die Zulässigkeit des Internet-Werbeblockers Adblock Plus hat die Axel Springer AG einen Teilerfolg gegen den Kölner Anbieter der Software, die Eyeo GmbH, erreicht. Das berichten lto.de und lawblog.de. Das OLG Köln hält Werbeblocker zwar grundsätzlich für zulässig, betrachtet aber das so genannte Whitelist-Konzept von Eyeo als agressive geschäftliche Handlung im Sinne des UWG. Die Software sei unzulässig, wenn und soweit die Werbung nur nach vorgegebenen Kriterien und gegen Zahlung eines Entgelts nicht unterdrückt wird ("Whitelist").
LG Hamburg zum Schadensersatz nach Brust-OP: Das LG Hamburg hat dem Witwer der Porndarstellerin "Sexy Cora", die vor fünf Jahren an den Folgen einer Schönheitsoperation verstorben war, einen Schadensersatzanspruch zugesprochen. Laut lto.de und spiegel.de müssen die Klinik und die Narkoseärztin dem Witwer eine Summe zwischen 140.000 und 824.000 Euro zahlen. In dem Betrag sind Unterhaltszahlungen, Schmerzensgeld sowie Behandlungs- und Beerdigungskosten enthalten.
BGH zur Tötung durch Hebamme: Die Samstags-SZ (Eva Schindele) beleuchtet noch einmal die Entscheidung des BGH gegen eine Geburtshelferin, die bei einer Hausgeburt den Tod des Babys verursacht hatte. Die Hebamme und Ärztin wurde vom Landgericht Dortmund zu einer fast siebenjährigen Haftstrafe verurteilt, der BGH bestätigte diese Entscheidung.
LG Dresden – Entführung Anneli-Marie Riße: Die Samstags-FAZ (Stefan Locke) berichtet von dem Prozess um die Entführung und Tötung der 17-jährigen Unternehmertochter Anneli-Marie Riße.
BVerfG zu OMT: Martin Nettesheim, der Prozessbevollmächtigte des Bundestages im OMT-Verfahren, ordnet auf verfassungsblog.de die Entscheidung in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes ein.
Blackbox Karlsruhe: Der Beitrag von Dieter Grimm zur Politisierung der Justiz aus der FAZ vom vergangenen Montag ist jetzt auch online zu finden.
Rechtsanwälte von David Garrett: Die WamS (Tina Kaiser/Michael Remke) stellt die beiden Rechtsanwälte Harro von Have aus Hamburg und Edward Hayes aus New York vor. Von Have vertritt David Garrett gegen die Anschuldigungen von Ashley Youdan, die von Edward Hayes vertreten wird. Eine gekürzte Fassung des Textes hier.
Recht in der Welt
USA – Einwanderung: Der Supreme Court hat die Entscheidung eines Instanzgerichtes, das die Reform des Einwanderungsrechts von Präsident Obama für verfassungswidrig erklärt hatte, passieren lassen. Das berichtet jetzt auch die Samstags-SZ (Nicolas Richter). Präsident Obama hatte, nachdem ein entsprechender Gesetzentwurf zunächst im Parlament gescheitert war, die Neuregelung per Erlass in Kraft gesetzt. Damit habe er seine Kompetenzen überschritten, so die Richter. Das Gesetz sollte den bis zu fünf Millionen Einwanderern ohne gültige Papiere einen Aufenthaltsstatus geben.
Russland – Anti-Terror-Gesetz: Das russische Parlament hat laut Samstags-SZ (Frank Nienhuysen) und zeit.de ein heftig umstrittenes Anti-Terror-Paket verabschiedet. Danach werden die russischen Telekommunikations-Anbieter dazu verpflichtet, künftig bis zu drei Jahre lang Verbindungsdaten zu speichern, konkrete Daten wie Telefonate, E-Mails und Videos müssen bis zu einem halben Jahr vorgehalten werden. Mit Strafen von bis zu einer Million Rubel müssen Dienste wie WhatsApp rechnen, wenn sie dem russischen Geheimdienst die Herausgabe von Entschlüsselungen verweigern.
Sonstiges
Freiberufler: Die Vor- und Nachteile der echten und vermeintlichen freiberuflichen Tätigkeit beleuchtet Rechtsanwalt Marcel Grobys in der Samstags-FAZ (Beruf und Chance).
Kriegsverbrecher: Die Montags-SZ (Ronen Steinke) stellt eine Interviewserie des belgischen Kriminologen Damien Scalia vor, der zwischen 2011 und 2015 insgesamt 55 verurteilte Kriegsverbrecher befragt hat. Kaum einer habe dabei Reue gezeigt, vielmehr hätten sich fast alle nach demselben Schema gerechtfertigt.
Asylrecht: Die Montags-FAZ (Patrick Bahners) berichtet über einen Vortrag von Hans-Jürgen Papier, in dem jener seine bereits im Januar gegenüber dem Handelsblatt geäußerte Kritik an der deutschen Asylpolitik konkretisierte. Bahners weist darauf hin, dass die von Papier beklagte Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit in einem Verfassungsstaat normal sei. Der Staat mache sich fortwährend Vorgaben, die er nicht erfüllen könne.
Das Beste zum Schluss
Kuck mal, wer da bellt: Berlin hat es geschafft: Nach nur vier Jahren "Bello-Diskussion" wird es demnächst ein neues Hundegesetz geben, berichtet die Samstags-FAZ (Mechthild Küpper). Fiffi, Hasso und Rex müssen künftig an der Leine gehen und Herrchen und Frauchen einen "Abfallbeutel" mit sich führen. In jedem Bezirk sollen zwei neue Mitarbeiter die Einhaltung der Regeln kontrollieren.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. bis 27. Juni 2016: Folgen des Brexit / Anti-Terror-Gesetz beschlossen / Erbschaftsteuer verabschiedet . In: Legal Tribune Online, 27.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19796/ (abgerufen am: 01.05.2024 )
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