Der BGH hat eine Rabattaktion von Amazon als Verstoß gegen die Buchpreisbindung getadelt. Außerdem in der Presseschau: Schadensersatzforderung gegen Tebartz-van Elst und Gefälligkeitsfahrten ohne Rechtsbindungswille.
Thema des Tages
Buchpreisbindung – BGH tadelt Amazon: Der Bundesgerichtshof hat das Verbot einer Amazon-Rabattaktion bestätigt. Der Online-Händler hatte gegenüber Kunden die Einsendung gebrauchter Bücher mit Pauschalgutschriften vergütet ("Trade-In-Programm"). Diese Gutschriften konnten auch beim Kauf neuer Bücher eingesetzt werden. Damit unterlaufe Amazon die gesetzliche Buchpreisbindung, so der BGH: Gutscheine dürften bei preisgebundenen Büchern nur verrechnet werden, wenn sie einen realen Gegenwert haben. Es berichten die FAZ (Joachim Jahn) und lto.de.
Rechtspolitik
Pkw-Maut: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einem aktuellen Gutachten zu dem Schluss, dass die geplante Pkw-Maut eine "mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit" darstelle. Das meldet unter anderem lto.de unter Berufung auf den Kölner Stadtanzeiger.
Legalisierung von Cannabis: Angesichts von vier Millionen Deutschen, die regelmäßig kiffen und dabei dem "guten Willen der Strafverfolger ausgeliefert" sind, fordert Rechtsanwalt Philip von der Meden in der SZ die Legalisierung von Cannabis. Ein Verhalten zu entkriminalisieren, heiße nicht, es zu befürworten – Rausch sei Privatsache. Von der Meden erinnert an den ultima ratio-Charakter des Strafrechts und stellt die unterschiedliche Behandlung von Alkohol und Cannabis als "Ausdruck einer irrealen Angst" dar.
Schmerzensgeld für Angehörige: Dass ein gesetzlicher Schmerzensgeldanspruch für Hinterbliebene auf der politischen Agenda steht, beschäftigt nun auch die Welt (Manuel Bewarder/Claudia Kade).
Sexualstrafrecht: Der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof) stellt die noch in Ressortabstimmung befindlichen Pläne aus dem Justizministerium zur Verschärfung des Sexualstrafrechts vor. Missbrauch und Vergewaltigung sollen danach auch in Fällen ausdrücklich strafbar sein, in denen sich das Opfer nicht erkennbar wehrt oder dem Täter nicht ausgeliefert ist.
Schiedsstellen für Verbraucher: Nach dem geplanten Verbraucherstreitbeilegungsgesetz sollen Verbraucher Streitigkeiten mit Unternehmen schneller und günstiger vor einer Schiedsstelle regeln können. Die SZ (Simone Gröneweg) informiert über Kritik aus der Immobilienbranche, der zufolge der Gesetzentwurf noch nicht recht auf Streitigkeiten passen will, die Wohnungseigentum betreffen.
Umweltrecht: jurop.org (Johannes Schulte) stellt einen Gesetzentwurf zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz aus dem Umweltministerium vor. Das Gesetz regelt die erweiterte Vereins- bzw. Verbandsklage gegen bestimmte umweltrechtliche Zulassungsentscheidungen. Die Novelle wurde durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs erforderlich; danach können Verbände unter anderem Verfahrensfehler umfassender rügen.
Justiz
BVerfG – Berlin gegen Volkszählung: Das Land Berlin klagt gegen die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung (Zensus 2011), wie lto.de meldet. Die Zählung hatte eine geringere Einwohnerzahl als zuvor vermutet ergeben; Berlin erleidet im Länderfinanzausgleich dadurch eine Milliardeneinbuße. Aus der Sicht Berlins ist das der Zählung zugrunde liegende Gesetz verfassungswidrig.
BGH zu Gefälligkeitsfahrten: Der Bundesgerichtshof hat zum Klassikerproblem der Gefälligkeitsfahrt entschieden: Wer Kinder zu Sportveranstaltungen ihres Vereins fährt, kann grundsätzlich mangels Rechtsbindungswillen keinen Aufwendungsersatz verlangen. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müsse das auch für die gesetzlichen Schuldverhältnisse (hier Geschäftsführung ohne Auftrag) gelten. lto.de stellt das Urteil vor.
BGH zur Anerkennung ausländischer Adoptionen: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs darf homosexuellen Paaren eine im Ausland durchgeführte Adoption in Deutschland nicht allein deshalb versagt werden, weil sie hierzulande nicht erlaubt ist. Maßgeblich ist für den BGH das Kindeswohl, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch): Würde man eine ausländische Adoptionsentscheidung in Deutschland nicht anerkennen, hätte das Kind hier keine abgesicherte Bindung zum Paar.
VG Stuttgart zu Flüchtlingsunterkunft: Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart dürfen in der Stadt Leonberg Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden. Damit sind mehrere Nachbarn mit ihrem Eilantrag gegen die Errichtung von Wohncontainern gescheitert; sie rügen Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften (Immisions- und Hochwasserschutz). Dies berichtet lto.de.
VG Braunschweig zu Namensänderung: Die taz (Christian Rath) berichtet über ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig, das einer deutsch-türkischen Familie eine Namensänderung verweigert. Die Familie wollte ihren türkischen Namen ablegen, um Diskriminierung zu vermeiden – für das VG kein "wichtiger Grund", den eine Namensänderung voraussetzt.
Neue Düsseldorfer Tabelle: Zum 1. August 2015 gilt eine neue "Düsseldorfer Tabelle": Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder sowie der Mindestunterhalt eines Kindes in allen Altersstufen werden erhöht. Am 28. Juli will das Oberlandesgericht Düsseldorf die neue Tabelle vorstellen. Das meldet lto.de.
BAG zu Diskriminierung in Kleinbetrieben: Liegen lediglich Indizien für eine Altersdiskriminierung vor, müssen nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch Kleinbetriebe die Vermutung der Diskriminierung entkräften: Die Beweislastumkehr des § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gilt auch für sie. Das meldet lto.de.
LG Detmold zu Pedelecs (E-Bikes): Weil Pedelecs (spezielle Form von E-Bikes) keine Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes sind, gilt die verschuldensunabhängige Haftung des Straßenverkehrsrechts nicht. Das hat das Landgericht Detmold laut lto.de Mitte Juli entschieden.
AG Frankfurt (Main) zu Polizeigewalt: Das Amtsgericht Frankfurt (Main) hat einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Der Beamte habe bei einer Blockupy-Demonstration 2013 einen Demonstranten heruntergedrückt und mehrere Faustschläge und Kniestöße gegeben – "absolut unverhältnismäßig", so das AG laut lto.de.
LG Duisburg – Love Parade: Der juristischen Aufarbeitung des fünf Jahre zurückliegenden Unglücks bei der Duisburger Love Parade widmen sich nun auch die taz (Anja Krüger/Pascal Beucker), die Welt (Kristian Frigelj) und spiegel.de (Jörg Diehl). Seit eineinhalb Jahren prüft das Landgericht Duisburg Eröffnung des Hauptverfahrens. Die SZ (Klaus Ott) legt Augenmerk auf ein Gutachten, das zwar klare Hinweise auf ein ex ante ersichtliches "Risiko der Überfüllung" belege, aber auch Angriffsfläche biete.
BGH – Gröning-Revision: Neben dem vor dem Landgericht Lüneburg verurteilten "Buchhalter von Auschwitz" Oskar Gröning haben nun auch fünf Nebenklägervertreter Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, schreibt die taz (Andreas Speit). Nach ihrer Ansicht solle von Mittäterschaft statt von Beihilfe ausgegangen werden.
Recht in der Welt
Griechenland – Justizreform: Das griechische Parlament hat eine Justizreform verabschiedet, die Anfang 2016 in Kraft tritt. Mit der Reform soll die Dauer von Zivilverfahren erheblich verkürzt werden sowie Banken den ersten Zugriff bei der Zwangsversteigerung von Hypotheken ermöglicht werden. Die Reform und ihre politische Dimension stellt die FAZ (Rainer Hermann) vor.
Italien – Aufarbeitung von Attentaten: Mit der Verurteilung zweier Männer durch ein Mailändisches Gericht zu lebenslanger Haft wegen eines Terroranschlags in den 1970er Jahren im norditalienischen Brescia sei ein historischer Akt der Aufklärung gelungen, schreibt die SZ (Oliver Meiler). Nicht ganz klar sind die Verstrickungen des Geheimdienstes.
UN-Hochkommissarin für Menschenrechte: Die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Flavia Pansieri, ist zurückgetreten – offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Pansieri stand in der Kritik, Hinweise auf sexuelle Übergriffe an Kindern durch französische Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik lange nicht untersucht zu haben. Darin sehen Beobachter den eigentlichen Grund für den Rücktritt. Die SZ (Andrea Bachstein) berichtet.
Juristische Ausbildung
Refugee Law Clinic: Die taz (Michelle Trimborn) stellt im Berlin-Teil die "Refugee Law Clinic" an der Humboldt Universität vor, mit der vorwiegend Jurastudenten Flüchtlingen juristische Beratung bieten wollen.
Sonstiges
Angriffe auf Flüchtlingsheime: Einen dramatischen Anstieg von Angriffen auf Flüchtlingsunterbringungen verzeichnet das Bundesinnenministerium: Bereits in der ersten Jahreshälfte 2015 habe es so viele einschlägige Gewalttaten gegeben wie im Jahr 2014 insgesamt. Hierzu schreibt unter anderem die SZ.
Heribert Prantl (SZ) findet klare Worte: "Wer Flüchtlingsunterkünfte angreift, ist ein Verbrecher. Und wer gegen Menschen hetzt, die Asyl beantragen, muss sich als dessen Gehilfe betrachten lassen."
Schadensersatzforderung gegen Tebartz-van Elst: Das Bistum Limburg will gerichtlich klären lassen, inwieweit der einstige Bischof Tebartz-van Elst für den finanziellen Schaden haftet, den er durch den Bau eines über 30 Millionen Euro teuren Bischofshauses angerichtet hat. Ob es zur Klage kommt, soll dann der Heilige Stuhl im Vatikan entscheiden. Es berichten die SZ (Matthias Drobinski), die FAZ (Daniel Deckers) und lto.de.
Daniel Deckers (FAZ) weist in einem gesonderten Kommentar darauf hin, dass das Kirchenrecht zahlreiche Delikte kenne und die Verfolgung durchaus denkbar ist. Sollte Tebartz-van Elst hingegen keine Verfolgung fürchten, so wäre das "nichts anderes als der lange Zeit in der Kirche praktizierte Täterschutz".
Produkthaftung: Die SZ (Wolfgang Janisch) wirft am Beispiel umfallender Ikea-Kommoden die Frage auf, wann Hersteller trotz unsachgemäßer Montage durch Kunden haften. Für Hersteller gelte ein strenger Maßstab, auch bei einschlägigen Warnhinweisen.
Das Letzte zum Schluss
Schulrauswurf nach unüberlegtem Geplapper: Sie solle etwas mit einem Oberstufenschüler gehabt haben: Weil er Sex-Gerüchte über eine Lehrerin verbreitet hatte, ist ein elfjähriger Schüler in München vom Gymnasium geflogen – zu Unrecht, so das Verwaltungsgericht München. Der Anwalt des Schülers äußerte gegenüber sueddeutsche.de: Er mache seit 35 Jahren Schulrecht, habe aber "nie zweieinhalb Stunden über das Schulhofgeplapper von Elfjährigen verhandeln müssen".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 24. Juli 2015: BGH zur Buchpreisbindung – Gefälligkeitsfahrten zum Sport – Gerüchte auf dem Schulhof . In: Legal Tribune Online, 24.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16359/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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