Kachelmann und keine Ende: In seiner Klage gegen die Staatsanwaltschaft Mannheim ist die Berufung zugelassen. Die Behörde soll sich nicht mehr zu angeblichen Beweisen äußern dürfen.
Der Moderator Jörg Kachelmann hat in einem Verfahren gegen die Staatsanwaltschaft (StA) Mannheim die Zulassung zur Berufung erreicht: Kachelmann habe die tragende Annahme des Verwaltungsgerichts (VG) Karlsruhe, dass keine Wiederholungsgefahr für die von den Strafverfolgern gemachten Äußerungen bestehe. erschüttert, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit einem Anfang der Woche bekannt gewordenen Beschluss (v. 25.01.2017, Az. 1 S 289/16).
Gegen den Moderator war ab dem Jahr 2010 unter großer medialer Beachtung ein Strafverfahren geführt worden, in dem ihm eine mit einem Messer erzwungene Vergewaltigung seiner früheren Lebensgefährtin zur Last gelegt worden war. Der Moderator war mit Urteil des Landgerichts Mannheim, rechtskräftig geworden im Oktober 2011, vom Tatvorwurf freigesprochen worden.
Presseanfrage nach Freispruch
Die Staatsanwaltschaft Mannheim war schon während des Ermittlungsverfahrens und im Prozess für ihre Informationspolitik kritisiert worden. Auch danach nahm sie aber zu einer Presseanfrage betreffend das Strafverfahren am 12. Oktober 2012 Stellung und machte dabei unter anderem Angaben zu den an dem Messer gefundenen DNA-Spuren. Diese Stellungnahme wurde in einer Fernsehsendung auszugsweise zitiert.
Kachelmann war der Auffassung, sie stelle eine unwahre und unvollständige Tatsachenbehauptung dar, weil sie beim Zuschauer den unzutreffenden Eindruck erweckt habe, die Spurenlage belaste ihn, teilte der VGH nun mit.
Der Moderator hatte die Staatsanwaltschaft Mannheim zunächst außergerichtlich aufgefordert, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, was diese u.a. mit der Begründung ablehnte, die von ihr erteilte Presseauskunft sei zutreffend gewesen.
2/2: VG: keine Wiederholungsgefahr
Kachelmann erhob daraufhin im Jahr 2014 Klage gegen das Land Baden-Württemberg vor dem VG Karlsruhe. Diese wies das VG ab (Urt. v. 04.12.2015, Az. 10 K 1957/14). Es ließ offen, ob die Äußerungen der Staatsanwaltschaft rechtswidrig gewesen seien.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe jedenfalls nicht, weil eine Wiederholung der beanstandeten Äußerung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, so die Verwaltungsrichter. Hierfür spreche bereits, dass die Stellungnahme in Reaktion auf eine Presseanfrage im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Kachelmanns Buch im Herbst 2012 erfolgt sei und seit damals und auch seinem Freispruch mehrere Jahre vergangen seien.
Zudem bestehe heutzutage ein mediales Interesse an den zivilgerichtlichen Verfahren des Moderators. Weshalb dennoch die strafrechtliche Einschätzung der Staatsanwaltschaft noch einmal presserelevant werden könne, sei nicht dargelegt.
Tragende Annahme erschüttert, Verfahrensausgang offen
Kachelmann beantragte, die Berufung gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen und hat damit nun Erfolg. Seine Begründung im Zulassungsantrag habe die tragende Annahme des VG hinreichend erschüttert, der Ausgang des Verfahrens sei offen, so der VGH.
"Die Berufungsrichter haben meines Erachtens richtig entschieden, denn wenn unwahre Tatsachenbehauptungen in der Welt sind, ist immer von einer Wiederholungsgefahr auszugehen", sagt Martin Huff, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. "Der Zeitablauf ist im Äußerungsrecht kein Argument, denn die Staatsanwaltschaft Mannheim könnte ja immer eine Äußerung erneut verbreiten".
Darin sieht er sich auch bestätigt durch den überraschenden Auftritt des Wettermoderators bei einer Veranstaltung mit Alice Schwarzer in Köln Ende vergangener Woche. "Gerade das Verhalten des Klägers in den vergangenen Tagen und die sich daran anschließende Berichterstattung haben gezeigt, dass es immer noch ein Interesse daran gibt. Wenn keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, ist die Widerholungsgefahr also weiterhin als gegeben anzusehen". Der Medienrechtler, der unter anderem Pressesprecher an Gerichten und Staatsanwaltschaften ausbildet, hält es für richtig, dass jetzt der VGH prüfen muss, ob die Auskunft zutreffend war oder nicht.
Tanja Podolski, VGH Mannheim lässt Kachelmanns Berufung zu: Was darf die Staatsanwaltschaft sagen? . In: Legal Tribune Online, 14.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22096/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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