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Zentralrat der Muslime scheitert vorm VG Wiesbaden: Hes­sens haus­ge­machter Isla­m­un­ter­richt rech­tens

09.09.2019

Schulklasse im Klassenraum

© Syda Productions - stock.adobe.com

Das VG Wiesbaden hält den derzeit erprobten Islamunterricht, den das Land selbst gestaltet, für rechtens. Er ist ein Alternativangebot, weil die weitere Zusammenarbeit mit dem umstrittenen türkischen Moscheeverband Ditib ungeklärt ist.

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Der Zentralrat der Muslime ist mit einem Antrag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den neuen Islamunterricht an Hessens Schulen gescheitert. Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden wies den Antrag in einem am Montag veröffentlichen Beschluss als unbegründet zurück (v. 06.09.2019, Az. 6 L 1363/19.WI).

Hessen hat für das laufende Schuljahr an sechs weiterführenden Schulen einen Versuch gestartet. Jeweils in den siebten Jahrgangsstufen soll das Schulfach "Islamunterricht" eingeführt werden, was der Zentralrat der Muslime dem Land durch das Gericht verbieten lassen wollte, er begehrte Unterlassung.

Der Verein argumentierte, das Land Hessen verstoße mit dem selbst organisierten Islamunterricht gegen die Verfassung, weil dieser ohne Beteiligung von islamischen Religionsgemeinschaften angeboten werde. Nach Art. 7 Abs. 3 S. 2 des Grundgesetzes (GG) müsse der Staat die inhaltliche Bestimmung des Religionsunterrichts aber den Religionsgemeinschaften überlassen. Außerdem sei der Staat zur religiösen Neutralität verpflichtet und dürfe keinen Islamunterricht an den Religionsgemeinschaften vorbei einrichten, so der Zentralrat.

VG: Eher Ethik- als Religionsunterricht

Das VG folgte dieser Argumentation allerdings nicht und sah durch den Unterricht, den das Land in dieser Form anbietet, keine Rechte verletzt, da das Fach keinen Religionsunterricht im herkömmlichen Sinne darstelle. Nach seiner Konzeption diene das Fach der Information über den Islam, solle also Wissen vermitteln und nicht bestimmte religiöse Bekenntnisinhalte als wahr darstellen, erklärte as Gericht seine ablehnende Entscheidung.

Insgesamt ähnelt das Fach nach Einschätzung der Kammer eher dem Ethik- als einem Religionsunterricht. Dem Land gehe es deshalb auch nicht darum, über Glaubensinhalte zu bestimmen. Es solle stattdessen über den Islam als solchen und seine zahlreichen Bezüge informiert werden. Die staatliche Neutralitätspflicht werde dadurch nicht verletzt. Auch sei der Islamunterricht nicht verpflichtend, weil die Schüler auf den Ethik- oder christlichen Religionsunterricht ausweichen könnten, so das VG.

Darüber hinaus zweifelte das Wiesbadener Gericht auch schon an der Antragsbefugnis des Zentralrats der Muslime, weil der Verein nicht zwingend als Religionsgemeinschaft einzuordnen sei. Der Gesamtverband bestehe nämlich aus einer Vielzahl von Mitgliedern mit ganz unterschiedlichen Konfessionen und unterschiedlichen Auslegungen des Islams.

Wie geht die Zusammenarbeit mit Ditib weiter?

Der neue Islamunterricht wird seit dem Sommer in einem Schulversuch für Kinder der siebten Jahrgangsstufe in Hessen angeboten. Hintergrund für die Einführung ist die ungeklärte Zusammenarbeit mit dem umstrittenen türkischen Moscheeverband Ditib beim islamischen Religionsunterricht. Sollte die Kooperation enden, will das Land ein Angebot in alleiniger staatlicher Verantwortung als Alternative anbieten können.

Der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht wurde in Hessen zum Schuljahr 2013/2014 mit Ditib als Partner eingeführt. Wegen der Nähe des Verbands zur türkischen Religionsbehörde Diyanet und damit letztlich zum türkischen Staat hatte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) zuletzt Zweifel an der Unabhängigkeit von Ditib geäußert. Um die bestehenden Vorwürfe zu entkräften, hat der türkische Moscheeverband zahlreiche Unterlagen beim Land eingereicht.

Eine finale Entscheidung über die Fortsetzung der Zusammenarbeit soll nach Angaben des Ministeriums auf jeden Fall noch im Herbst oder Winter dieses Jahrs fallen. Als Konsequenz aus dem schwebenden Verfahren wird der bisherige bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht nur noch für Schüler bis zur Jahrgangsstufe sechs angeboten. Die Schüler der Jahrgangsstufe sieben können das neue Fach Islamunterricht in alleiniger staatlicher Verantwortung nutzen.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

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Zentralrat der Muslime scheitert vorm VG Wiesbaden: Hessens hausgemachter Islamunterricht rechtens . In: Legal Tribune Online, 09.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37523/ (abgerufen am: 25.03.2023 )

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