Druckversion
Donnerstag, 22.05.2025, 16:07 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/olg-stuttgart-sawsan-chebli-schmaehkritik-facebook-kommentar-meinungsfreiheit-beleidigung
Fenster schließen
Artikel drucken
53294

"Dämliches Stück Hirn-Vakuum" und "Sozialschulden": OLG hält Äuße­rungen über Chebli für Sch­mäh­kritik

von Marie Winzek

29.11.2023

SPD-Politikerin Sawsan Chebli

Die SPD-Politikerin ist dafür bekannt, vor allem auf X nicht selten selbst einen scharfen Ton anzuschlagen. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

SPD-Politikerin Sawsan Chebli hatte eine Sendung von Dieter Nuhr scharf kritisiert. Was ein Facebook-Nutzer daraufhin nicht minder scharf über Chebli schrieb, ist aber nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt, so das OLG Stuttgart.

Anzeige

Die deutsche Politikerin Sawsan Chebli muss die Bezeichnung als "dämliches Stück Hirn-Vakuum" nicht hinnehmen. Das hat am Mittwoch der vierte Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart entschieden und den Verfasser des entsprechenden Facebook-Beitrags zur Unterlassung verurteilt (Urt. v. 29.11.2023, Az. 4 U 58/23). Eine Entschädigung in Geld bekommt Chebli allerdings nicht.

Hintergrund des Rechtsstreits war eine Reaktion der in dem Fall klagenden Chebli auf einen Beitrag der Sendung "Nuhr im Ersten" von Dieter Nuhr. Auf X übte Chebli sehr starke Kritik an der Sendung, verwendete unter anderem die Worte "ignorant, dumm und uninformiert". Diese Beurteilung wiederum kommentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Brandenburg. Unter seinem Facebook-Beitrag ließ sich daraufhin der von Chebli beklagte Facebook-Nutzer aus: "Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C.. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen." Mittlerweile ist der Beitrag gelöscht.

Chebli mahnte daraufhin ab, dann kam es zur Klage: Sie verlangte Unterlassung und Schmerzensgeld. Der Facebook-Nutzer wies den Vorwurf zurück und behauptete, er sei nicht der Verfasser des Kommentars. In erster Instanz wies das Landgericht (LG) Heilbronn die Klage Cheblis noch vollumfänglich ab (Urt. v. 23.02.2023, Az. 8 O 85/22). Der Beitrag sei noch von der Meinungsfreiheit gedeckt – eine Einordnung, die in der Öffentlichkeit für Diskussionen sorgte. Auch juristisch wurde der Vorfall heiß diskutiert. Während sich etwa Prof. Dr. Thomas Fischer in seiner LTO-Kolumne auf die Seite des Heilbronner Gerichts schlug, sah LTO-Chefredakteur Dr. Felix W. Zimmermann in den Äußerungen Beleidigungen.

Der Facebook-Nutzer konnte den OLG-Senat in der Berufungsverhandlung aber nicht davon überzeugen, dass er den Beitrag nicht selbst verfasst habe. Er habe sich zwar mehrfach von den Äußerungen distanziert, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Gleichzeitig habe er "den Beitrag aber damit verteidigt, dass es ihm erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres eigenen Verhaltens "fertig zu machen".

Chebli die "persönliche Würde" abgesprochen

Bei den von Chebli angegriffenen Äußerungen handele es sich um Schmähkritik, urteilte das OLG nun. Nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache habe im Vordergrund gestanden, vielmehr gehe es in dem Facebook-Post um die Diffamierung der Person Cheblis. Damit liege Schmähkritik vor. Die Verwendung der Begriffe "dämlich" und "Hirn-Vakuum" charakterisierten Chebli als eine dumme und hirnlose Politikerin. Den weiteren Begriff "Stück" werde nicht in Verbindung mit einem Menschen verwendet, er sei eindeutig diffamierend und abwertend. "Damit wird jede persönliche Würde abgesprochen", so das Stuttgarter Gericht.

Chebli muss den Kommentar nach Auffassung des OLG auch nicht deshalb hinnehmen, weil sie Politikerin ist. Zwar stehe die Aussage im Zusammenhang mit den Beiträgen Cheblis und des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Brandenburger Landtag, sie knüpft äußerlich auch daran an, so der Senat. Inhaltlich sei der Kommentar jedoch "völlig losgelöst" und persönlich beleidigend. Auch Cheblis Vorverhalten, mit dem sie einen sehr scharfen Ton angeschlagen hatte, lasse keine andere Bewertung zu. Zwar seien ihre Worte gegen Nuhrs Sendung stark abwertend gewesen. Dennoch sei der Kommentar des beklagten Facebook-Nutzers "keine adäquate Reaktion" gewesen.

Auch die Aussage, Chebli solle "einfach abhauen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen", muss die klagende Politikerin nicht hinnehmen. Es handele sich um ein Werturteil, das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, so das OLG. Der Facebook-Nutzer hat mit dieser Aussage nach Auffassung des Gerichts Immigranten herabsetzen wollen. Auch insofern fehle der Bezug zur sachlichen Auseinandersetzung, so das OLG.

Mit dem ebenfalls geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch hatte Chebli dagegen keinen Erfolg. Laut dem Senat fehlt es an dem erforderlichen "unabwendbaren Bedürfnis" für die Zubilligung einer solchen Geldentschädigung. Beachtung fand zudem, dass der Facebook-Nutzer den Beitrag zeitnah gelöscht hat.

Die Revision gegen diese Entscheidung hat der Senat nicht zugelassen, da es sich um einen Einzelfall handele und eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht erkennbar sei. 

mw/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

"Dämliches Stück Hirn-Vakuum" und "Sozialschulden": . In: Legal Tribune Online, 29.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53294 (abgerufen am: 22.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
    • Beleidigung
    • Facebook
    • Meinungsfreiheit
  • Gerichte
    • Oberlandesgericht Stuttgart
Ein besorgter Mann mit Klebeband um den Mund, der sein Smartphone betrachtet. Symbolisiert Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit. 24.04.2025
Meinungsfreiheit

Wahrheitsministerium? Ende der Meinungsfreiheit? Strafen?:

Kommt wir­k­lich ein "Lügen-Verbot"?

Einige Medien haben im Koalitionsvertrag ein angeblich geplantes “Lügen-Verbot” entdeckt und befürchten das Ende der Meinungsfreiheit. Was an den Befürchtungen rechtlich dran ist, zeigen Tobias Gostomzyk und Victor Meckenstock.

Artikel lesen
Demonstration für Demokratie 23.04.2025
Meinungsfreiheit

Die verletzliche Gesellschaft und das Strafrecht:

"Zugriffe auf die Mei­nungs­f­rei­heit erleben Kon­junktur"

Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht wurde in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet. Auch die neue Koalition aus Union und SPD will diesen Trend fortsetzen. Eine problematische Entwicklung, findet Frauke Rostalski.

Artikel lesen
Apple 23.04.2025
EU-Kommission

EU-Kommission:

700 Mil­lionen Euro Strafe für Apple und Meta

Brüssel knöpft sich mal wieder US-Techfirmen vor und verhängt Strafen gegen Apple und die Facebook-Mutter Meta. Zum ersten Mal wird eine Strafe unter dem neuen Digital Markets Act verhängt. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Artikel lesen
Das Bild zeigt ein minimalistisches Design, das den Titel "Die Rechtslage" eines Podcasts zur aktuellen Meinungsfreiheit und rechtlichen Themen darstellt. 19.04.2025
Podcast

Bald Lügenverbot in Deutschland?/ Brutaler Angriff auf Studenten antisemitisch?/ Verdienen Richter zu wenig?:

Ver­letzt ein "Lügen­verbot" die Mei­nungs­f­rei­heit?

Plant die nächste Bundesregierung ein Lügenverbot und wäre es verfassungsmäßig? War der brutale Angriff auf einen jüdischen Studenten antisemitisch? Verdienen Richter zu wenig? Dies und mehr in Folge 30 des LTO-Podcasts "Die Rechtslage".

Artikel lesen
Sascha Weiss aka SchwrzVyce 17.04.2025
Beleidigung

AG Frankfurt a.M. ordnet Einziehung von Streaming-Erträgen an:

Rap mit AfD-Fahne wird dop­pelt teuer

Können bei beleidigenden Songs auch Streaming-Erträge eingezogen werden? Diese Frage hatte das AG Frankfurt zu entscheiden – für einen Rapper wurde es deshalb teuer.

Artikel lesen
Anteilnahme in Solingen 15.04.2025
Meinungsfreiheit

LG Berlin II sieht keine Persönlichkeitsrechtsverletzung:

Asyl­rechts­an­wältin muss NiUS-Beri­chter­stat­tung hin­nehmen

Im Nachgang zum Solingen-Attentat geriet eine Asylrechtsanwältin ins mediale Fadenkreuz insbesondere des rechtspopulistischen Portals NiUS. Doch was DAV und BRAK stark kritisierten, war laut dem LG Berlin II rechtmäßige Berichterstattung. 

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
RECHTS­AN­WÄL­TE (W/M/D) FÜR PRO­DUKT­HAF­TUNG

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Köln

Logo von DLA Piper UK LLP
As­so­cia­te (m/w/x) im Be­reich Cor­po­ra­te/M&A

DLA Piper UK LLP , Mün­chen

Logo von VirchowBund
Ver­bands­ju­rist / Ver­bands­ju­ris­tin (m/w/d)

VirchowBund , Ber­lin

Logo von Ärztekammer Niedersachsen
Voll­ju­ris­tin/Voll­ju­rist (m/w/d)

Ärztekammer Niedersachsen , Han­no­ver

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
RECHTS­AN­WÄL­TE (W/M/D) FÜR PRO­DUKT­HAF­TUNG

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Mün­chen

Logo von DLA Piper UK LLP
Coun­sel (m/w/x) im Be­reich Fi­nan­ce / Ca­pi­tal Mar­kets

DLA Piper UK LLP , Frank­furt am Main

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
RECHTS­AN­WÄL­TE (W/M/D) FÜR PRO­DUKT­HAF­TUNG

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Dort­mund

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
ICC Germany Arbitration Day

22.05.2025, Frankfurt am Main

Triff Möhrle Happ Luther auf der StuWi 2025 in Wismar

22.05.2025, Wismar

Triff Möhrle Happ Luther auf der talent transfair in Kiel

22.05.2025, Kiel

Logo von Schürmann Rosenthal Dreyer Rechtsanwälte
DORA in der Umsetzungs-Praxis: Von der Governance zur Technik

22.05.2025

ICC Germany Arbitration Day

22.05.2025, Frankfurt am Main

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH