Das israelische Parlament hat am Montag trotz massiver Kritik ein Kernelement der höchst umstrittenen Justizreform verabschiedet. Es schränkt damit die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts ein.
Trotz massiven Widerstands hat Israels Parlament ein Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedet. Die Mehrheit stimmte nach tagelanger Debatte am Montag für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets, Kritiker stufen es als Gefahr für Israels Demokratie ein.
Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu. Die Netanjahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen.
Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Straßen. Verhandlungen, auch in letzter Minute, über einen Kompromiss blieben erfolglos. Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu. Mehr als Zehntausend Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte ein Teil der umstrittenen Pläne verabschiedet werden. Berichten zufolge könnte dies die Einsatzbereitschaft des Militärs erheblich beeinträchtigen. Auch aus der Wirtschaft und weiteren Teilen der Gesellschaft gab es solche Drohungen.
Opposition kündigt Petition beim Höchsten Gericht an
Israels Oppositionsführer Jair Lapid hat Konsequenzen angekündigt. Die Opposition werde am Dienstagmorgen beim Höchsten Gericht eine Petition gegen die "einseitige Aufhebung des
demokratischen Charakters des Staates Israels" einreichen, sagte er am Montag. Er appellierte auch an Reservisten der Armee, eine Entscheidung des Höchsten Gerichts über das Gesetz abzuwarten, ehe sie ihren Dienst verweigern.
Israels Justizminister Jariv Levin hingegen lobte die "Korrektur des Justizsystems". In einem ersten Schritt habe das Parlament die ihm von der Justiz weggenommenen Befugnisse wiedererlangt. Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus streng religiösen Koalitionspartnern. Sie könnten Netanjahu laut Experten jedoch auch in einem schon länger gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.
Gegen das Vorhaben der Regierung gibt es immer wieder Massenproteste. Die Organisatoren der Demonstrationen riefen nach der Verabschiedung des "diktatorischen Gesetzes" am Montag die Menschen dazu auf, auf die Straße zu gehen. Vor dem Parlamentsgebäude in Jerusalem demonstrierten israelischen Medien zufolge rund 20.000 Gegner der Justizreform.
dpa/pab/LTO-Redaktion
Trotz landesweiter Proteste: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52325 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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