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Reaktionen auf das EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: "Den glä­s­ernen Bürger gibt es hier nicht"

20.09.2022

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (rechts) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (links)

Sowohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser als auch Bundesjustizminister Marco Buschmann reagierten auf das EuGH-Urteil. Ob sich die Ampel-Koalition intern schnell einig wird? Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

"Eine herbe Klatsche". Oder auch: "Ein guter Tag für die Bürgerrechte". Für das Urteil des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung gibt es viel Zustimmung, viele sehen jetzt die Regierung in der Pflicht. Ob die sich schnell einigen wird?

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Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur deutschen Vorratsdatenspeicherung fühlen sich FDP und Grüne in ihrer Position bestätigt. Die Luxemburger Richter:innen erklärten am Dienstag, dass die derzeit ausgesetzte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit dem EU-Recht unvereinbar ist (Urt. v. 20.09.2022, Az. C-793/19 und C-794/19). Justizminister Marco Buschmann (FDP) bezeichnete die Entscheidung als historisch und sprach von einem "guten Tag für die Bürgerrechte".

"Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen", twitterte er am Dienstag nach der Urteilsverkündung. Das Urteil des EuGH sei "eine erneute herbe Klatsche" für die Befürworter der anlasslosen Speicherung von Daten, denen es bis heute nicht gelungen sei, eine verfassungskonforme Regelung vorzulegen, hieß es von der Grünen-Bundestagsfraktion. Anstatt über immer neue Eingriffsbefugnisse zu diskutieren, müsse jetzt endlich eine "Überwachungsgesamtrechnung" auf den Weg gebracht werden.

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Katrin Helling-Plahr erklärte: "Wer wie CDU/CSU bisher in Überwachungsphantasien schwelgte, hat heute deutlich aufgezeigt bekommen, dass Vorratsdatenspeicherung in Europa ausgeschlossen ist. Den gläsernen Bürger gibt es hier nicht". In einer freien Gesellschaft gingen die Internetbewegungen des Einzelnen den Staat im Regelfall nichts an.

Faeser: "Rechtliche Möglichkeiten müssen auch genutzt werden"

Ob sich die gesamte Ampel dabei so einig ist, bleibt abzuwarten. SPD-Innenministerin Nancy Faeser zeigte sich zuletzt offen für stärkere Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Am Dienstag erklärte sie, der EuGH habe deutlich klargestellt, welche Daten zum Schutz der nationalen Sicherheit und zur Bekämpfung schwerer Kriminalität gespeichert werden dürften. Er habe auch ausdrücklich entschieden: "IP-Adressen dürfen gespeichert werden, um schwere Kriminalität bekämpfen zu können." Zudem gestatte er gezielte Anordnungen zum Speichern für bestimmte Orte wie etwa Flughäfen, Bahnhöfe oder für Gegenden mit hoher Kriminalitätsbelastung. Diese rechtlichen Möglichkeiten müssten nun auch genutzt werden, sagte Faeser. Dabei sei ihr die entschiedene Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder besonders wichtig.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CDU), forderte die Bundesregierung auf, jetzt zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Das Urteil lässt eine befristete Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen zur Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch zu", sagte die Rechtspolitikerin.

SpaceNet: "Jetzt herrscht wieder Rechtssicherheit für die Internetbranche"

Die SpaceNet AG, die die Klage angestrengt hatte, begrüßte das Urteil: "Nach sechs Jahren Verfahren sind wir froh, dass das Thema Vorratsdatenspeicherung endlich geklärt ist. Jetzt herrscht wieder Rechtssicherheit für die Internetbranche, unsere Kunden und alle Bürger", sagte der Vorstand der SpaceNet AG, Sebastian von Bomhard.

Auch der Digitalverband Bitkom zeigte sich erfreut: "Es macht keinen Sinn, sich weiterhin an diesem Instrument der anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten abzuarbeiten. Die Politik ist aufgefordert, andere, und zwar gesetzeskonforme Möglichkeiten der digitalen Forensik zu nutzen", teilte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder mit.

Bei den Beratungen der Ampel-Regierung über eine Nachfolgeregelung zur Vorratsdatenspeicherung müssten zwei Dinge berücksichtigt werden, forderte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke: In welchem Umfang Daten an die Ermittlungsbehörden übergeben würden, dürfe nicht im Ermessen der Telekommunikationsanbieter liegen. Außerdem schränke eine kurze Speicherdauer den Nutzen drastisch ein. Er sagte: "Eine rechtskonforme und im polizeilichen Alltag funktionierende Speicherung von Verkehrsdaten ist gleichsam praktizierter Opferschutz und optimierte Strafverfolgung."

pdi/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

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Reaktionen auf das EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: . In: Legal Tribune Online, 20.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49673 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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