Die EU-Kommission hat einen Vorschlag gemacht, wie Menschenrechtsverstöße in Ländern außerhalb der EU besser sanktioniert werden können. Ob das EU-Parlament diesem Entwurf zustimmen wird, ist jedoch fraglich.
Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie China, Russland oder Saudi-Arabien könnten von der Europäischen Union künftig deutlich einfacher sanktioniert werden. Die EU-Kommission legte am Montag einen Vorschlag für eine entsprechende neue Regelung vor. Sie soll es ermöglichen, gegen Personen, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren, Einreiseverbote zu verhängen und ihre Vermögenswerte in der EU einzufrieren.
Bislang konnten solche Verstöße nur im Zusammenhang mit Strafmaßnahmen gegen Staaten oder im Rahmen von speziellen Sanktionsregimen geahndet werden, die die EU zum Beispiel im Kampf gegen Cyberangriffe und den Einsatz von Chemiewaffen geschaffen hat. Das hat eine Reaktion der EU auf Menschenrechtsverletzungen bislang kompliziert oder unmöglich gemacht - so zum Beispiel im Fall der grausamen Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul.
Ob qualifizierte Mehrheit reicht, muss einstimmig beschlossen werden
Veröffentlicht wurde der konkrete Vorschlag aus Geheimhaltungsgründen nicht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unterstützt die EU-Kommission aber die Idee, dass die einzelnen Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen schon mit einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten getroffen werden können und nicht einstimmig getroffen werden müssen. Dies bedeutet, dass schon die Zustimmung von 15 der 27 EU-Staaten ausreichen würde, wenn diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.
Dass dieser auch vom Europaparlament geforderte Punkt die erforderliche Zustimmung aller EU-Staaten bekommt, gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich. Etliche Mitgliedstaaten befürchten nämlich einen Verlust an Einfluss, wenn das Einstimmigkeitsprinzip aufgehoben wird.
Kommissionsvize Maros Sefcovic zeigte sich dennoch optimistisch. Sobald das neue Sanktionsregime in Kraft sei, werde die EU mehr Flexibilität haben, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu ahnden, erklärte er am Montagabend in Brüssel. "Unabhängig davon, wo sie stattfinden oder wer dafür verantwortlich ist."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: "Wir müssen für die Menschenrechte und für die Grundfreiheiten eintreten." Die jetzt geplante Sanktionsregelung sei längst überfällig gewesen.
Wohl keine Benennung nach Alexej Nawalny
Vorbild für das geplante EU-System ist der sogenannte Global Magnitsky Act der USA. Dieser war 2016 vom US-Kongress beschlossen worden, um Sanktionen gegen Einzelpersonen zu verhängen, die für den Tod des russischen Anwalts und Wirtschaftsprüfers Sergej Magnitski verantwortlich sind. Magnitski war 2009 während der Untersuchungshaft in einem russischen Gefängnis gestorben, nachdem er misshandelt und unzureichend medizinisch versorgt worden war.
Vorschläge, den geplanten EU-Sanktionsmechanismus nach dem jüngst vergifteten Kremlkritiker Alexej Nawalny zu benennen, griff die Kommission nicht auf. Die EU-Staaten hatten wegen des Anschlags auf den Oppositionspolitiker bereits in der vergangenen Woche über das Chemiewaffen-Regime Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin verhängt
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Vorschlag der EU-Kommission: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43149 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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