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Prozessauftakt im NPD-Verbotsverfahren: Befan­gen­heit­s­an­träge und Ver­schwör­ungs­the­o­rien

von Pia Lorenz

01.03.2016

Bundesverfassungsgericht

Bild: Mehr Demokratie, Wikimedia Commons, cc-by-sa-2.0, Zuschnitt und Skalierung durch LTO

Am ersten Tag des Verbotsverfahren vor dem BVerfG stellte die NPD Befangenheitsanträge gegen zwei Richter. Die Prozessvertreter der Partei bezweifeln pauschal fast alles, der Senat reagiert gelassen. Er will in der Mittagspause entscheiden. 

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Beginn des zweiten NPD-Verbotsverfahrens

Die rechtsextreme NPD hat zum Auftakt des Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei Richter des erkennenden Zweiten Senats als befangen abgelehnt. Die Anträge richten sich gegen den zuständigen Berichterstatter Peter Müller und gegen Richter Peter Michael Huber. Beide sind ehemalige Politiker - und ihre in dieser Funktion getätigten Aussagen macht die NPD, vertreten durch ihre Anwälte Peter Richter und Michael Andrejewski, ihnen zum Vorwurf.

Die angegriffenen Richter wiesen den Vorwurf der Voreingenommenheit zurück. Der Zweite Senat, der mit den Anträgen offenbar gerechnet hatte, reagierte gelassen und will das Verfahren planmäßig fortsetzen. Der Vorsitzende, Gerichtspräsident Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, sagte, der Senat werde über die Anträge in der Mittagspause befinden. Über Protest der NPD setzte er sich hinweg. Der Senat müsse seine Besetzung von Amts wegen prüfen und habe das bereits getan, so Voßkuhle.   

Noch vor der Mittagspause ging es auch um die Problematik der V-Leute - der erste Versuch, die NPD zu verbieten, war 2003 gescheitert, weil die Partei bis in die Führungsebene mit V-Leuten durchsetzt gewesen war. Zudem erklärte NPD-Anwalt Richter seine Vermutung, dass die Kommunikation zwischen ihm und den Partei-Vorständen überwacht worden sei. 

Richter weisen Befangenheitsvorwürfe zurück

Zu den Befangenheitsanträgen erklärte NPD-Anwalt Richter, Peter Huber habe sich in seiner Zeit als thüringischer Innenminister von November 2009 bis November 2010 mehrfach für ein Verbot der NPD ausgesprochen und einen Ausschluss aus der Parteienfinanzierung gefordert. Er verwies auf Medienbeiträge des heute 57-Jährigen und zitierte aus einer Broschüre, deren Vorwort CDU-Mann Huber damals verfasst habe.

Müller wiederum habe sich in seiner Zeit als saarländischer CDU-Ministerpräsident von 1999 bis 2011 mehrfach negativ und abwertend über die NPD geäußert. Er habe zwar nicht so offen für ein Verbot plädiert wie Huber, trotzdem gebe es keine Zweifel daran, dass er die Partei für verfassungsfeindlich halte und sie ablehne.

Müller wie auch Huber seien in ihren Ämtern direkte Vorgesetzte der Verfassungsschutzbehörden ihrer Länder gewesen. In der für das Verfahren entscheidenden Frage der V-Leute könnten sie daher versuchen, eine Offenlegung der Akten zu verhindern, um ein Versagen ihrer Behörden zu verheimlichen.

Die angegriffenen Richter erklärten, von Akten des Verfassungsschutzes keine Kenntnis zu haben. Die zitierten Äußerungen seien zutreffend. Aber: "Das hat mit meiner Tätigkeit als Richter des Bundesverfassungsgerichts nichts zu tun," so Huber.

NPD-Vertreter bezweifelt Abschaltung von V-Leuten

Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) erklärte, spätestens seit Ende 2012 seien sämtliche V-Leute in Spitzenpositionen der rechtsextremen Partei abgeschaltet worden. Das hätten die Innenminister bestätigt, die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sei gewährleistet. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist diese Abschaltung der Informanten in Führungsgremien der Partei Voraussetzung dafür, dass das Parteiverbotsverfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genügt und somit überhaupt betrieben werden kann.

NPD-Anwalt Richter kritisierte die behauptete "Abschaltung" der Informanten als nicht nachvollziehbar, die Akten seien teilweise geschwärzt. Es sieht danach aus, als wolle er auch 13 Jahre nach dem ersten Verfahren erneut auf ein Verfahrenshindernis setzen, welches eine Entscheidung in der Sache verhindern würde.    

Tillich erklärte noch einmal die Motivation der Länder für den neuen Versuch, die rechtsextreme Partei verbieten zu lassen. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber das Verbot sei erforderlich. Die NPD sei politisch bedeutend. Und sie sei gefährlich.

Kreisen um Nebenkriegsschauplätze

2/2: Parteiverbotsverfahren als "Todesstrafe für eine Partei"?

Bezug nehmend auf die eindringlichen Worte von Senatsmitglied Müller zur Bedeutung von Parteien in der Demokratie und dem absoluten Ausnahmecharakter eines Verbots betonte auch der Vertreter des Bundesrats, dass Verbote von Parteien der Demokratie fremd seien. Das Grundgesetz ermögliche viele politische Ansätze. "Minimalbedingung aber sind die Achtung vor der Demokratie und vor der Menschenwürde," so Prof. Dr. Christoph Möllers von der HU Berlin. Die NPD aber erfülle nicht einmal diese Minimalanforderungen. Die Partei habe sich noch nie zur Verfassung bekannt, und bislang keinen einzigen der vorgelegten Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit entkräftet.   

Richter widersprach: Die Partei bekenne sich sehr wohl zur Freheitlichen Demokratischen Grundordnung. Das werde die Beweisaufnahme ergeben. Gegenbeweise habe Bundesratsvertreter Möllers nicht vorgelegt - das müsse er aber in dem Verbotsverfahren. Richter vertrat die Auffassung, die Strafprozessordnung (StPO) müsse uneingeschränkt Anwendung finden - schon weil "es die Todesstrafe für eine politische Partei aufgrund ihres vergangenen Tuns" herbeiführen solle. Dementsprechend müssten alle Belege öffentlich verlesen werden.

Nicht nur Präsident Voßkuhle, der schon in seinen einleitenden Worten darauf hingewiesen hatte, dass man nicht im Strafverfahren sei, sah das anders. Auch der weitere Vertreter des Bundesrats, Prof. Dr. Christian Waldhoff von der HU Berlin, widersprach. Er hält nicht alle Regelungen der StPO für übertragbar, da das Verfahren sich nicht gegen einen Einzelnen, sondern gegen eine Partei richte. Er verwies auch auf den Schutz von Personen, welcher die Veröffentlichung bestimmter Schriftstücke ausschließe. 

NPD: Verschwörungstheorien statt Sachvortrag

Auf eine Sachdiskussion zu den Voraussetzungen eines Parteiverbots wollten die Vertreter der NPD sich scheinbar gar nicht erst einlassen. Richter und Andrejewski haben in der Sache noch nichts vorgetragen. Offenbar spielen die beiden Anwälte auf Zeit. Richter verwies am Morgen darauf, dass keine Verteidigungsstrategie möglich sei, solange die Vertraulichkeit seiner Kommunikation mit den Vorständen der Partei nicht gesichert sei. 

Das bezweifelt er schon länger - und verweist nach Angaben von Tagesschau.de zur Begründung darauf, dass im Jahr 2012, also noch vor Beginn des NPD-Verbotsverfahrens, das Auto seiner Mutter in einen Unfall mit einem von Pkw des Verfassungsschutzes verwickelt worden sei. Der zuständige saarländische Verfassungsschutz hatte danach erklärt, dass der Fahrer und ein anderer Verfassungsschützer in anderer Sache unterwegs waren und sich um die Überwachung von Salafisten gekümmert hätten; der Zusammenstoß sei ein Zufall gewesen. NPD-Anwalt Richter versuchte aber, das Gericht davon zu überzeugen, dass er aus Angst vor Überwachung in seinem Kommunikationsverhalten mit der der NPD-Führung beeinträchtigt worden sei.

Auch im Übrigen trug Richter Argumente vor, die mit der Verfassungstreue der NPD nicht direkt etwas zu tun haben: Ausgerechnet jetzt solle das Sprachrohr derer, die mit den derzeitigen Zuständen nicht einverstanden sind, wegverboten werden. Der Kern des Verfahrens sei der "Schutz der herrschenden Verhältnisse", die herrschenden Parteien missbrauchten das Parteiverbotsverfahren und der Rechtsstaat solle ein Ideologiestaat werden. In der Flüchtlingsproblematik werde geltendes Recht gebrochen, die Kanzlerin ermächtige sich selbst und gebe den Befehl zum Rechtsbruch. "Das ist die Lage", so Richter. "Und die, die darauf hinweisen, werden jetzt verboten. Volk soll ausgetauscht werden, bevor die herrschenden ausgetauscht werden können."

Mit Materialien von dpa

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Pia Lorenz, Prozessauftakt im NPD-Verbotsverfahren: Befangenheitsanträge und Verschwörungstheorien . In: Legal Tribune Online, 01.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18640/ (abgerufen am: 21.03.2023 )

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