Kein Paukenschlag aus Karlsruhe: Die Erhebung des Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung und im nicht privaten Bereich ist verfassungsgemäß, so das BVerfG. Nur für Zweitwohnungen dürfe nicht doppelt kassiert werden.
Die Rundfunkbeitragspflicht ist im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar ist allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Urteil vom Mittwoch entschieden (Urt. v. 18.07.2018, Az. 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17).
Grundlage der Entscheidung für den privaten Bereich sind die ausgewählten Verfassungsbeschwerden dreier Bürger, mit denen die wesentlichen Streitfragen um den zum Jahr 2013 eingeführten Rundfunkbeitrag nach Karlsruhe gelangten. Seitdem werden die aktuell monatlich 17,50 Euro pro Wohnung erhoben. Zuvor richtete sich die Beitragspflicht nach dem Vorhandensein konkreter Empfangsgeräte.
Bis zum 30. Juni 2020 müssen die entsprechenden Landesgesetzgeber eine Neuregelung treffen was die Erhebung des Rundfunkbeitrags für Zweitwohnungen angeht, bis dahin bleibt die aktuelle Regelung erhalten. Wer einen entsprechenden Antrag stellt und die nötigen Nachweise erbringt, kann sich mit dem Urteil der Karlsruher Richter allerdings schon jetzt von der Beitragspflicht für die Zweitwohnung befreien lassen, wie der Senatsvorsitzende Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof schon zu Beginn der Verkündung sagte.
Ein Beitrag - und eben keine Steuer
Die Beschwerdeführer und zahlreiche weitere Kritiker hatten argumentiert, dass den Ländern die notwendige Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung des Rundfunkbeitrags fehle, da es sich bei diesem um eine Steuer handele.
Das BVerfG zeigte sich nun anderer Meinung und machte vergleichsweise knapp klar: Der Rundfunkbeitrag stellt einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinne dar, der für die potenzielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung erhoben werde.
Die dabei erbrachte Leistung, sei die Möglichkeit, Rundfunk empfangen zu können. Damit handele es sich um eine nicht-steuerliche Abgabe, für die die Länder sehr wohl die notwendige Gesetzgebungskompetenz hätten, so die Karlsruher Richter.
Anknüpfung an Wohnungsinhaberschaft verfassungsgemäß
Nach Auffassung des Verfassungsgerichts haben die Landesgesetzgeber auch nicht ihren "weiten Spielraum" überschritten, als sie sich dafür entschieden, den Rundfunkbeitrag pro Wohnung zu erheben. Sie seien rechtmäßigerweise davon ausgegangen, dass die Adressaten den Rundfunk typischerweise in der Wohnung empfangen. Das Innehaben einer solchen Raumeinheit lasse zulässigerweise darauf schließen, dass Rundfunk empfangen werden kann, für den sodann der Beitrag fällig werde.
Der Gesetzgeber müsse bei der Erhebung des Rundfunkbeitrags auch keinen exakten Wirklichkeitsmaßstab wählen. Auch ein Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab genüge, weshalb man bei der Einführung des neuen Systems rechtmäßig "auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung" habe abstellen dürfen.
Das Senat machte dabei deutlich, dass es auch nicht darauf ankomme, ob es auch in jeder beitragspflichtigen Wohnung Empfangsgeräte gibt. Maßgeblich sei nur, dass eine "realistische Nutzungsmöglichkeit" besteht. Denn wo es Beitragsschuldnern wirklich objektiv unmöglich ist, Rundfunk zumindest auf einem von mehreren Wegen zu empfangen, könnten diese bereits nach der aktuellen Gesetzeslage einen Antrag auf Befreiung stellen.
Zudem sei die bis 2013 geltende Anknüpfung an Empfangsgeräte nicht mehr praktikabel, da insbesondere angesichts des technologischen Fortschritts und der Vielfalt der Empfangsgeräte eine effektive Kontrolle kaum möglich sei, so das BVerfG. Dabei komme es auch nicht darauf an, dass der einzelne Beitragsschuldner womöglich bewusst auf den Rundfunkempfang verzichten möchte, da die Empfangsmöglichkeit auch unabhängig vom Willen des potenziellen Empfängers bestünde.
Ungleichbehandlung von Ein-Personen-Haushalten gerechtfertigt
Auch das Argument der Beschwerdeführer, der Rundfunkbeitrag belaste Haushalte ungleichmäßig und verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, überzeugte die Karlsruher Richter nicht. Sie hielten dagegen, dass dem Rundfunkbeitrag eine äquivalente staatliche Leistung in Form eines umfangreichen, so auf dem freien Markt nicht erhältlichen Rundfunkangebots gegenüberstehe - und die sei eben 17,50 Euro im Monat wert, egal, ob man sich den Betrag in einer häuslichen Gemeinschaft teilen könne oder nicht.
Zwar liege darin eine Ungleichbehandlung vor. Diese beruhe aber auf Sachgründen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen aber noch genügten, denn die Landesgesetzgeber hätten die wohnungsbezogene Erhebung des Rundfunkbeitrags in zulässiger Weise darauf gestützt, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbildet. An eben dieser "gesellschaftlichen Wirklichkeit" habe sich der Gesetzgeber bei der Einführung des neuen System orientieren dürfen.
Für Zweitwohnungen darf nicht kassiert werden
Nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist nach Ansicht des Verfassungsgerichts hingegen die Rundfunkbeitragserhebung auch für Zweitwohnungen. Wer für die Erstwohnung zahlt, habe den Vorteil des möglichen Rundfunkempfangs bereits abgegolten, weswegen Zweitwohnungsinhaber für den gleichen Vorteil unrechtmäßig mehrfach herangezogen würden.
Mehrfach abzukassieren lasse sich auch nicht damit begründen, den Verwaltungsaufwand für die Erhebung des Rundfunkbeitrags möglichst gering halten zu wollen. Den Rundfunkanstalten würden die relevanten Meldedaten nämlich zu Verfügung gestellt, sodass eine mehrfache Beitragserhebung ohne unzumutbaren Mehraufwand vermieden werden könne. Auch das Argument der Rundfunkanstalten, Missbrauch vorbeugen zu wollen, zieht nicht: Wer für die erste Wohnung zahle, könne das System nicht durch Meldeverstöße über weitere Wohnungen umgehen.
Das BVerfG deutete aber an, dass der Gesetzgeber die aufgetragene Neuregelung so ausgestalten könne, dass der Mehraufwand für die Rundfunkanstalten im Rahmen bleibe. Etwa, indem er die Adressaten durch das Erbringen von Nachweisen bei der Sachverhaltsaufklärung einbinde.
Autovermieter Sixt verliert ebenfalls
Die vierte Verfassungsbeschwerde, auf die die Verfassungsrichter am Mittwoch Bezug nahmen, war die des Münchner Autovermieters Sixt für den nicht nur privaten Bereich der Erhebung des Rundfunkbeitrags. Dieser wehrte sich als Gewerbetreibender dagegen, für jedes seiner fast 50.000 Fahrzeuge einen monatlichen Beitrag von 5,83 Euro entrichten zu müssen. Er wollte vom BVerfG auch klären lassen, ob es zulässig ist, für Betriebe je nach Zahl der Mitarbeiter gestaffelt Rundfunkbeiträge zu erheben.
Die Antwort des Senats am Mittwoch war deutlich: Im nicht rein privaten Bereich sei die Erhebung des Rundfunkbeitrags verfassungsgemäß, weil der Inhaber von Betriebsstätten einen Vorteil erhalte. Er könne sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für seinen Betrieb beschaffen und dieses auch dazu benutzen, seine Beschäftigten und Kunden zu informieren und zu unterhalten.
Und noch viel mehr: Bei Unternehmen, deren Betätigung schwerpunktmäßig in der Nutzung von Kraftfahrzeugen liegt, werde dieser Nutzungsvorteil zum Hauptvorteil, der beim Geschäft mit Mietwagen sogar eingepreist werden könne. Dabei müsse der Gesetzgeber nicht zwischen Autos unterschieden, die vom Betrieb selbst genutzt würden, und solchen, die an Kunden vermietet würden.
Ebenfalls keinen Gleichheitsverstoß stelle es dabei dar, wenn Unternehmen mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern unterschiedlich belastet würden, weil sie unterschiedlich viele Betriebsstätten haben. Denn die Gesetzgeber hätten eben nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter, sondern - rechtmäßig - auf die der Betriebsstätten abgestellt.
Der Mainzer Professor Dr. Friedhelm Hufen wertete die Entscheidung aus Karlsruhe bei der Live-Übertragung der Urteilsverkündung als "95-prozentigen Sieg für die Rundfunkanstalten" - und damit als keine große Überraschung: Viele Beobachter waren bereits nach der mündlichen Verhandlung im Mai davon ausgegangen, dass die Karlsruher das umstrittene System zumindest nicht vollständig kippen würden.
ms/LTO-Redaktion
BVerfG zum Rundfunkbeitrag: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29825 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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