Druckversion
Freitag, 13.06.2025, 00:32 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/bverfg-beschluss-1-bvr-1717-15-castor-gewahrsam-rechtswidrig-schmerzensgeld-amtshaftung
Fenster schließen
Artikel drucken
20256

BVerfG zu rechtswidriger Freiheitsentziehung: Amts­haf­tungs­klage zu Unrecht abge­wiesen

10.08.2016

Atommüll-Transport

By KaiMartin (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Bei einem Castortransport hatte die Polizei mehrere Demonstranten rechtswidrig in Gewahrsam genommen. Das LG Lüneburg wies die Schmerzensgeldklage eines Castorgegners jedoch ab. Das BVerfG hob diese Entscheidung jetzt auf.

Anzeige

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ein Urteil des Landgerichts (LG) Lüneburg aufgehoben, mit welchem eine Schmerzensgeldklage eines Castorgegners abgewiesen wurde. Das Gericht habe die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) verkannt, heißt es. Der Beschwerdeführer darf nun auf eine anderslautende Entscheidung des LG hoffen. Die Sache wurde nach Lüneburg zurückverwiesen (Beschl. v. 29.06.2016, Az. 1 BvR 1717/15).

Der Demonstrant war bei einem Castortransport im Jahr 2011 bei Harlingen von der Polizei zusammen mit zahlreichen anderen Castorgegnern in Gewahrsam genommen worden, nachdem die Blockade aufgelöst und er mehrmals aufgefordert worden war, sich zu entfernen. So musste er mehrere Stunden in einem nahegelegenen sogenannten Feldgewahrsam verbringen. Das LG entschied später mit Beschluss, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei, da die Demonstranten keinem Richter vorgeführt worden seien. Ob die Ingewahrsamnahme als solche ebenfalls zu Unrecht erfolgt war, lies das Gericht jedoch offen.

LG-Entscheidung wird Freiheitsrechten nicht gerecht

Die hierauf gestützte Amtshaftungsklage des Mannes, mit der er 500 Euro Schmerzensgeld verlangte, wies das LG jedoch später ab. Es war der Ansicht, dass keine hinreichende Schwere der Persönlichkeitsverletzung vorlag, da die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung einzig auf dem fehlenden Richtervorbehalt beruhe. Der klagende Demonstrant habe jedenfalls ausreichend Genugtuung dadurch erfahren, dass das Gericht die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung zuvor durch Beschluss festgestellt habe.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hatte der Mann nun Erfolg. Das angegriffene Urteil werde der Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit der Person und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht gerecht, stellte das BVerfG klar. Zwar sei richtig, dass eine Geldentschädigung nur bei einer hinreichenden Schwere der Grundrechtsverletzung oder wenn andere Möglichkeiten der Genugtuung fehlten in Betracht käme. Die Richter des LG hätten in diesem Punkt die Umstände des Falles aber nicht ausreichend gewürdigt.

Achtstündige Freiheitsentziehung muss gewürdigt werden

Es sei insbesondere zu beanstanden, dass sie in der mindestens achtstündigen Freiheitsentziehung keine nachhaltige Beeinträchtigung erkannt hätten. Es hätte jedenfalls die abschreckende Wirkung beachten müssen, die eine solche Behandlung mit Blick auf den künftigen Gebrauch des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben könne.

Das Gericht habe zudem eine ähnlich lautende Entscheidung des BVerfG aus 2011 verkannt, indem es angenommen habe, dass eine Geldentschädigung für den Castorgegner schon deswegen nicht in Betracht komme, weil er sich rechtswidrig im Bereich des Bahnkörpers aufgehalten habe. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit, Durchführung und Dauer der Freiheitsentziehung komme es hierauf aber gar nicht an, stellte Karlsruhe klar.

una/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BVerfG zu rechtswidriger Freiheitsentziehung: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20256 (abgerufen am: 13.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • Demonstrationen
    • Grundrechte
    • Persönlichkeitsrecht
    • Schmerzensgeld
  • Gerichte
    • Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
Benjamin Ruß mit einem Plastikvisier mit dem Aufdruck "Empört Euch" 20.05.2025
Versammlungen

EGMR verurteilt Deutschland:

Stra­fur­teil wegen selbst­ge­bauten Plas­tik­vi­siers ver­letzt EMRK

Der linke Aktivist Benjamin Ruß nahm an einer Demonstration gegen die EZB teil und trug ein Plastikvisier vor dem Gesicht. Er wurde wegen Verstößen gegen das Schutzwaffenverbot verurteilt. Das verletzt seine Versammlungsfreiheit, so der EGMR.

Artikel lesen
OpenJur-Anwälte Dr. Mina Kianfar und Dr. Lukas Mezger von der Kanzlei Unverzagt 12.05.2025
Datenschutz

LG Hamburg zur Rechsprechungsdatenbank:

OpenJur haftet nicht für Fehler der Ber­liner Justiz

Wegen der Veröffentlichung eines nicht anonymisierten Beschlusses verklagte ein Anwalt OpenJur. Das LG Hamburg wies die Klage ab. Für den Gerichtsfehler hafte OpenJur weder nach DSGVO noch BGB. Der Betrieb dieser Datenbank sei Journalismus.

Artikel lesen
Besetzung eines Uni-Instituts in Berlin im Mai 2024 07.05.2025
Abschiebung

Erfolgreiches Eilverfahren irischer Palästina-Aktivistin:

VG Berlin stoppt wei­tere dro­hende Abschie­bung

Ohne strafrechtliche Verurteilung will Berlin propalästinensische Aktivisten abschieben. Das VG Berlin stoppte dies nun erneut für eine Irin – zumindest vorerst.

Artikel lesen
Demonstration für Demokratie 23.04.2025
Meinungsfreiheit

Die verletzliche Gesellschaft und das Strafrecht:

"Zugriffe auf die Mei­nungs­f­rei­heit erleben Kon­junktur"

Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht wurde in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet. Auch die neue Koalition aus Union und SPD will diesen Trend fortsetzen. Eine problematische Entwicklung, findet Frauke Rostalski.

Artikel lesen
Anastasia Biefang während des Prozesses vor dem Bundesverwaltungsgericht 2022 16.04.2025
Transsexuelle

BVerfG entscheidet nicht über Tinder-Profil:

Trans­gender-Offi­zierin schei­tert mit Ver­fas­sungs­be­schwerde

Wegen ihres Tinder-Profils hatte die Bundeswehroffizierin Anastasia Biefang einen Verweis bekommen. Dagegen zog sie durch alle Instanzen, bis vor das BVerfG – ohne Erfolg. Es hat ihre Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Artikel lesen
Bibliothek 15.04.2025
Grundrechte

Hinweis "Werk mit umstrittenen Inhalt" keine Grundrechtsverletzung:

Stadt­bücherei Münster darf vor eigenen Büchern warnen

Leseempfehlungen in Bibliotheken sind keine Seltenheit. Doch was gilt für eine Warnung? Ein Autor klagte gegen einen kritischen Einordnungshinweis und sieht das staatliche Neutralitätsprinzip als verletzt an. Jetzt entschied das VG Münster.

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Ju­ris­ti­sche Mit­ar­bei­ter & Re­fe­ren­da­re | Ar­beits­recht | Ber­lin, Frank­furt,...

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von ARQIS
Prak­ti­kan­ten (m/​w/​d) AR­QIS Sum­mer School 2025

ARQIS , Düs­sel­dorf

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Prak­ti­kan­ten

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Mün­chen und 1 wei­te­re

Logo von Landtag Brandenburg
Par­la­ments­rä­tin/Par­la­ments­rat (B 2) als Re­fe­rent/in (m/w/d)

Landtag Brandenburg , Pots­dam

Logo von Oppenhoff
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Köln

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fortbildung Sportrecht im Selbststudium/ online

13.06.2025

Betriebsverfassungsrechtliches Kolloquium II

16.06.2025, Bonn

Bankrechtstag 2025 in Frankfurt am Main – Hybrides Format: Teilnahme vor Ort und Online –

27.06.2025, Frankfurt am Main

Green Legal Lab 2025

29.08.2025, Berlin

DRK-Sommerschule im Humanitären Völkerrecht

25.08.2025, Strausberg

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH