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BGH bejaht Auskunftsanspruch für Kind: Klinik muss Namen von DDR-Samen­spender her­aus­geben

von Maximilian Amos

26.02.2019

Künstliche Befruchtung

© koya979 - stock.adobe.com

In der DDR genossen Samenspender, anders als heute, völlige Anonymität gegenüber ihren leiblichen Kindern. Eine Frau darf nun nach 28 Jahren dennoch den Namen ihres biologischen Vater erfahren, entschied der BGH.

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23 Jahre alt musste eine Frau erst werden, um festzustellen, dass der Mann, den sie bislang als Vater angesehen hatte, gar nicht ihr leiblicher Vater war. Ihre Eltern hatten sie im Wege einer künstlichen Befruchtung in einer Klinik mit dem Sperma eines unbekannten Mannes gezeugt. Nicht einmal sie kannten seine Identität. Ihre Tochter aber wollte, nachdem sie davon erfahren hatte, wissen, wer ihr biologischer Vater ist und zog dafür bis vor den Bundesgerichtshof (BGH). Der entschied mit kürzlich veröffentlichtem Urteil, dass sie einen Anspruch darauf hat, von der Reproduktionsklinik den Namen des Mannes zu erfahren, obwohl der Vertrag noch in der DDR geschlossen worden war, wo ihm Anonymität zustand. (Urt. v. 23.01.2019, Az. XII ZR 71/18).

Zwar ist die Frau im Dezember 1990 zur Welt bekommen und hat somit die DDR und ihr Ende nicht mehr miterlebt. Die Behandlung zur künstlichen Befruchtung begann aber kurz vor der Wende, die Befruchtung ihrer Mutter mit dem Sperma eines auch ihren Eltern unbekannten Mannes fand im April 1990 statt, vermittelt durch die Klinik. Der Ehemann ihrer Mutter erkannte das aus der Befruchtung hervorgegangene Kind als gemeinsame Tochter mit seiner Frau an und wurde somit im wiedervereinigten Deutschland ihr rechtlicher Vater. In der Folge wuchs die Tochter in dem Glauben auf, er sei auch ihr leiblicher Vater, ehe sie 2013 von den Umständen ihrer Zeugung erfuhr. Daraufhin fasste sie den Entschluss, ihren tatsächlichen Erzeuger kennenzulernen und verlangte von der Reproduktionsklinik Auskunft über seine Identität.

Die Klinik aber weigerte sich, da sie dem Mann Anonymität zugesichert hatte. Viele Samenspender legen Wert darauf, etwa weil sie keinen Kontakt wünschen oder Sorge vor Unterhaltsansprüchen haben. Sie hielt sogar Rücksprache mit dem Spender, doch der verweigerte seine Zustimmung, sodass die Einrichtung ihre Hände gebunden sah. Die Tochter aber blieb bei ihrem Entschluss und verklagte die Klinik auf Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters, womit sie zunächst in zwei Instanzen scheiterte. Erst der BGH in Karlsruhe gab ihr nun Recht.

Treu und Glauben als "übergesetzlicher Rechtssatz"

Außergewöhnlich an dem Fall ist, dass der Vertrag zwischen den rechtlichen Eltern und der Reproduktionsklinik noch nach DDR-Recht geschlossen worden war, welches Samenspendern den Schutz ihrer persönlichen Daten auch vor ihrem leiblichen Kind zusicherte. Zwar hatte schon das Landgericht (LG) Dresden in der Berufung für Recht erkannt, dass die Tochter auch nach DDR-Gesetzen wirksam in den Vertrag mit einbezogen worden sei. Außerdem folgt im heutigen Deutschland aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR) aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ein Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Dieses Recht werde aber, so die Dresdner Richter, durch das rechtlich geschützte Interesse des Samenspenders ausgeschlossen, der sich anders als nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland auf die Einhaltung der Schweigepflicht habe verlassen können und auch heute noch verlassen dürfe.

Der BGH sah dies allerdings anders und folgerte einen Anspruch der Tochter nach Treu und Glauben aus § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der BRD (BGB). Eigentlich müssen Gerichte bei Verträgen, die nach DDR-Recht geschlossen sind, diese so auslegen und behandeln, als ob die damaligen Normen heute noch fortgölten - und zwar so, wie es ein DDR-Gericht getan hätte. Danach sei bereits ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Kindes zustande gekommen, der auch nach der Geburt eine rechtliche Sonderbeziehung zwischen Kind und Klinik geschaffen habe, aus der ein Auskunftsanspruch über die Identität des Spenders folgen könne, stellte der Senat fest. Dabei komme es nicht darauf an, ob auch für Ansprüche, die erst nach der Wiedervereinigung entstanden sind, DDR-Recht maßgeblich sei, denn der in § 242 BGB niedergelegte Grundsatz von Treu und Glauben sei "als übergesetzlicher Rechtssatz allen Rechtsordnungen immanent", so der BGH gemäß seiner ständigen Rechtsprechung.

DDR-Recht bricht nicht das Grundgesetz

Es sei der Klinik trotz der Zusicherung gegenüber dem Spender, seine Daten vertraulich zu behandeln, zuzumuten, die notwendigen Informationen herauszugeben, fand der Senat. Die ärztliche Schweigepflicht werde durch einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch ohnehin außer Kraft gesetzt. Auch müsse die Klinik keine Schadensersatzansprüche des Spenders fürchten, da sie rechtlich gebunden sei.

Zwar müsse bei der Abwägung auch das ebenfalls aus dem APR folgende Recht des Spenders einbezogen werden, dass seine Daten vertraulich behandelt würden. Doch selbst wenn diesem Anonymität zugesichert worden sei, überwiege der höchstpersönliche Anspruch des Kindes, seine biologischen Eltern zu kennen, regelmäßig das Anonymitätsinteresse des Vaters. Dieser habe sich schließlich "bewusst mit einem maßgeblichen Beitrag an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt und trägt hierfür eine soziale und ethische Verantwortung", führte der BGH aus. Außerdem sei das DDR-Recht, welches ihm Anonymität garantiert habe, insoweit nicht anwendbar, da es gegen das grundrechtlich geschützte APR verstoße. Einen Vertrauensschutz gebe es hier nicht.

In den Augen der Karlsruher Richter macht es auch keinen Unterschied, dass die Eltern nach Angaben der Klinik der Anonymität des Spender zugestimmt hatten. Denn diese könnten gar nicht über das Recht ihres Kindes disponieren, die Identität seines biologischen Vaters zu kennen. Die junge Frau sei auf die Auskunft der Klinik angewiesen, um ihre leibliche Abstammung zu erfahren. Das 2018 neu geschaffene Samenspenderregister, in das die Daten von Samenspendern eingepflegt werden und für das Kinder aus künstlichen Befruchtungen einen Auskunftsanspruch haben, helfe ihr in diesem Fall nicht weiter, da es keine Altfälle erfasse.

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BGH bejaht Auskunftsanspruch für Kind: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34047 (abgerufen am: 12.11.2025 )

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