Der 68. Deutsche Juristentag in Berlin steht bevor. Und wie immer werden in sechs Abteilungen wichtige rechtspolitische und juristische Probleme unserer Zeit diskutiert. In der Abteilung Berufsrecht geht es um den Trend zur Deregulierung vor allem des Anwaltsberufs, aber auch um gesellschaftsrechtliche Fragen und nicht zuletzt um Qualitätssicherung durch Fortbildungspflichten.
Der Deutsche Juristentag befasst sich diesmal speziell mit den Beratungsberufen und deren Zukunft.
Die Bedeutung der freien Berufe für das Wirtschaftsleben wird gerne unterschätzt. Immerhin erwirtschaften sie mehr als 10% des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland und sichern das Erwerbsleben von mehr als dreieinhalb Millionen Beschäftigten. Trotz dieser Bedeutung ist ihre Eigenständigkeit mit vielen Unsicherheitsfaktoren belastet. Dies merken zum Beispiel viele junge Anwälte, die sich selbständig machen (müssen). Sich einen Mandantenstamm zu arbeiten und einen Fachbereich zu finden, der die Existenz sichert, ist nicht einfacher geworden.
Die vergangenen Jahrzehnte haben eine weitgehende Deregulierung ihrer Tätigkeit gebracht – die Abgrenzung zu gewerblichen Unternehmen hat an Trennschärfe verloren und sorgt immer wieder für Diskussionen. Während die einen die voranschreitende Kommerzialisierung der freien Berufe beklagen, fordern andere – etwa die EU-Kommission - weitere Deregulierungsanstrengungen und die Aufhebung vieler Sonderregelungen für die freien Berufe. Dass der EuGH im Fall Doc Morris das deutsche Fremdbesitzverbot bei Apotheken gestützt hat, wird die weitere Entwicklung kaum aufhalten, wenn England sogar für Anwaltskanzleien so genannte Alternativ Business Structures zulässt.
Da der Anstoß für diese Deregulierung zum einen vom Verfassungsrecht und zum anderen von den Europäischen Grundfreiheiten ausging, lag es nahe, die festgefahrene berufsrechtliche Debatte zu beleben. Der Gutachter, Professor Dr. Axel Kämmerer (Hamburg), plädiert dafür, den Kernbestand des geltenden Berufsrechts zu bewahren, regt zugleich aber weitere Öffnungen etwa im Werberecht und im Gesellschaftsrecht der Freien Berufe an. So müssten etwa Gesellschaftsformen wie die GmbH & Co. KG ebenso möglich sein wie es auch sinnvoll wäre, endlich zum Beispiel die Anwalts-AG zu regeln. Auch die Frage, mit wem der Rechtsanwalt sich in einer Sozietät zur Berufsausübung verbinden darf, wird diskutiert werden. Umstritten wird auch sein, ob sich Personen an Sozietäten oder Gesellschaften beteiligen dürfen, die selbst nicht Berufsträger sind.
In den Referaten wird es um die Frage gehen, was heute noch die freien Berufe auszeichnet. Diskutiert werden wird aber auch, ob es Pflichten zur Fortbildung gibt und wie diese ausgestaltet sein müssten, um etwa zu dokumentieren, dass man an einer Qualitätssicherung interessiert ist.
Kontroverse Meinungsgefechte sind der Abteilung sicher. Nach einer ganz aktuellen Umfrage lehnt die Anwaltschaft die vorgeschlagene Aufhebung eines berufsspezifischen Werberechts mehrheitlich ab, obwohl diese in der Praxis eigentlich schon besteht. Und auch die Ethik-Debatte wird sicherlich breiten Raum in der Diskussion einnehmen.
Der Autor Rechtsanwalt Martin W. Huff, Leverkusen, ist Pressesprecher des Deutschen Juristentags.
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Abteilung Öffentliches Recht: Neue Religionskonflikte und staatliche Neutralität
Martin W. Huff, Berufsrecht: . In: Legal Tribune Online, 20.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1501 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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