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Deliktshaftung bei Flughafenblockaden: Wer sich fest­k­lebt, haftet!

Gastkommentar von Prof. Dr. Michael Heese, LL.M. (Yale)

20.12.2022

Zwei Beamte der Bundespolizei und ein Sicherheitsmitarbeiter steht mit einem sichergestellten Bolzenschneider an einem Zaun am BER-Flughafen. Aktivisten der Umweltschutzgruppe "Letzte Generation" hatten versucht auf das Rollfeld zu gelangen.

Werden Aktivisten bei Flughafenblockaden schadensersatzpflichtig? Bild: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Müssen Klimaaktivisten, die Flughäfen blockieren, finanziell für Schäden aufkommen? Nachdem ein LTO-Gastbeitrag das mit einem klaren "Nein"  beantwortete, meint Michael Heese nun: Doch, sie handeln sittenwidrig.

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Die Blockade des Flughafens Berlin-Brandenburg durch Aktivisten der sog. Letzten Generation haben die Lufthansa und den Flughafenbetreiber dazu veranlasst, Schadensersatzansprüche zu prüfen. Auch der Bundesjustizminister nahm die Flugausfälle zum Anlass, auf die zivilrechtliche Haftung der Aktivisten und – angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Schäden – auf die lebenslange Durchsetzbarkeit der Forderungen (vgl. § 302 Nr. 1 InsO) hinzuweisen.

Den Aktivisten sind dagegen unlängst Marc-Philippe Weller und Camilla Seemann in einem LTO-Beitrag zur Seite gesprungen. Schadensersatzklagen, so das Fazit ihrer Tour d’Horizon durch das Deliktsrecht, hätten "wohl geringe Erfolgsaussichten".

Das gelte auch für eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Ein Betriebsausfallschaden dürfte zwar billigend in Kauf genommen worden sein. Doch letztlich sei es eine "Abwägungsfrage, in der die besseren Argumente klar gegen eine Sittenwidrigkeit" sprächen. Schließlich seien "den Aktivisten altruistische Motive zugute zu halten", so Weller und Seemann in ihrem Beitrag. Das ist so populär wie unzutreffend.

Richtig ist nur, dass es um eine Wertungsfrage geht - und die ist aus dem System der deliktischen Vermögensschadenshaftung und ihrer Präventions- und Steuerungsfunktion heraus zu beantworten.  Hierzu muss man sich klarmachen, dass die traditionelle Reserve gegenüber einer Vermögensschadenshaftung in Fällen der Störung der öffentlichen Infrastruktur gerade nicht den planvoll agierenden Vorsatztäter, sondern fahrlässiges Verhalten im Blick hat. Wer dagegen die Infrastruktur gezielt (zeitweise) zum Erliegen bringt, indem er seinen Körper als unüberwindbare Barriere einsetzt und dabei ohne Rücksicht auf die betroffenen Rechtsgüter und Interessen agiert, der handelt sittenwidrig.

Dabei kann ein "ehrenwertes" Motiv die Selbstklebenden gerade nicht retten, dokumentiert ihr Verhalten doch eine grundlegende Missachtung der Spielregeln des demokratischen Rechtsstaats. Auch der pauschale Hinweis auf die in das Haftungsrecht hineinwirkenden "Kommunikationsgrundrechte" verfängt nicht. Nach traditionellem Verständnis endet die Versammlungsfreiheit dort, wo Schädigungen und Behinderungen Dritter das Hauptziel des Versammlungsgeschehens sind. Von einer "Sozialverträglichkeit" der Beeinträchtigung Dritter (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.03.2011, Az. 1 BvR 388/05) kann vorliegend keine Rede mehr sein.

Prävention ist eigentlich eine Aufgabe der Gesamtrechtsordnung. Doch nachdem das Strafrecht mit seinem diffusen Nötigungstatbestand wie so oft an sich selbst verzweifelt und auch das bayerische Polizeirecht mit einem verfassungswidrig langem Präventivgewahrsam unangenehm auffällt, muss es wieder einmal das Zivilrecht richten. Einem Musterprozess darf man mit Spannung entgegensehen.

Michael Heese. Foto: Holger Riegel

Prof. Dr. Michael Heese, LL.M. (Yale) ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Regensburg.

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Deliktshaftung bei Flughafenblockaden: Wer sich festklebt, haftet! . In: Legal Tribune Online, 20.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50533/ (abgerufen am: 29.03.2023 )

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