Kein Anwalt will in einer Krisen-Situation in der Öffentlichkeit stehen – doch niemand kann ausschließen, dass die Presse kritische Themen aufgreift. Wie Sie dann am besten reagieren, erklären Christiane Herzhauser und Susanne Krüger.
Anlässe, die zu Krisen führen können, gibt es auch in der Kanzleiwelt viele: Partner können sich fehlverhalten, Transaktionsbeteiligte einem zu großem Bedürfnis nach Öffentlichkeit nachgehen, verärgerte Aktionäre Schadenersatzklagen androhen oder Verhandlungspartner plötzlich nur noch über die Presse kommunizieren.
Versierte Kommunikationsmanager können mit Hilfe gut aufgesetzter Frühwarnsysteme, Präventionsmaßnahmen und externen Beratern oft vermeiden, dass sich derartige Fälle zu echten Krisen entwickeln. Dennoch gibt es Ereignisse, die schlicht nicht vorhersehbar sind, und sofort ist eine Krisensituation entstanden, die es schnellstmöglich zu entschärfen gilt.
Folgende acht Grundregeln helfen bei der Krisenkommunikation:
1. Das A und O: Machen Sie sich ein umfassendes Bild von der Sachlage.
Eine Kommunikationssituation ist kritisch geworden? Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Grundlegende Voraussetzung eines erfolgreichen Krisenmanagements ist es, rasch alle relevanten Fakten zusammenzutragen und dem Krisenteam zu präsentieren. Was genau ist passiert? Gibt es bereits Reaktionen in der Öffentlichkeit, z.B. in der Presse, seitens der Mandanten oder von Kanzleipartnern? Bitte vergessen Sie nicht, auch Ihre Social- Media- Kanäle zu überprüfen.
Transparenz in der Faktenrecherche ist hier von elementarer Bedeutung. Dass dies oft eine der ganz großen Hürden ist, sieht man an der aktuellen Dieselgate-Krise von Volkswagen. Bei VW scheint die interne Aufarbeitung schwer zu fallen, was in der Presse zu Spekulationen und die Geschäftsführung in unnötige Erklärtungsnotstände führt. Also: Alle Karten müssen auf den Tisch, selbst wenn dies möglicherweise bedeutet, sich Fehler innerhalb der eigenen Reihen eingestehen zu müssen. Die Ursachen können Sie später suchen. Sie müssen sich zuerst darauf konzentrieren, eine schnelle und angemessene Reaktion zu erarbeiten.
2. Entwickeln Sie Ihre Kommunikationsstrategie.
Spielen Sie sämtliche möglichen Szenarien durch und wägen Sie ab: Was kann passieren, wenn wir Gegenposition beziehen? Was kann man uns entgegen halten, wenn wir dementieren? Wird das Interesse nachlassen, wenn wir nicht kommentieren? Behalten Sie dabei immer Ihr Ziel im Visier: Schaden von Ihrer Kanzlei und/oder dem Mandanten abwenden und die Krisensituation schnellstmöglich beenden.
Ziehen Sie am besten einen externen Profi als festes Mitglied Ihres Krisenteams hinzu. Denn gerade in schwierigen Situationen – die nicht selten emotional geprägt sind – ist der unverstellte Expertenblick von außen von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, effiziente Lösungen unter Berücksichtigung interner Interessenlagen zu finden. Nicht zu unterschätzen ist zudem das Kontaktnetzwerk des Kommunikationsberaters, das Ihnen jetzt helfen kann.
3. Behalten Sie die Kontrolle.
Auch wenn der Druck von außen größer wird: Bleiben Sie ruhig. Entscheiden Sie, ob und in welcher Weise Sie sich zu der Sache wem gegenüber öffentlich äußern wollen. Nicht immer müssen Sie auf unterschiedliche Fragen einzeln reagieren. Sie können besser ein Statement formulieren, das Sie bei allen Anfragen einsetzen. Legen Sie dessen Wortlaut genau fest und lassen Sie dieses immer vorab von einem Kommunikationsprofi und einem Rechtsanwalt prüfen. Sollten Sie sich Drohungen gegenübersehen, dass vertrauliche Details an die Presse gegeben werden sollen, nehmen Sie den nächsten Schritt in Angriff.
4. Nutzen Sie Ihre guten Journalistenkontakte.
In Krisensituationen ist es von entscheidender Bedeutung, die Akteure und Spielregeln der Medien zu kennen. Sie können beispielsweise ohne unmittelbare Veröffentlichung einen Journalisten Ihres Vertrauens vorab über den Sachverhalt zu informieren und ihm Ihre Sicht der Dinge und ggf. Hintergründe vermitteln, die eine objektive Beurteilung ermöglichen. Sollte der Fall dann tatsächlich öffentlich werden, haben Sie die besten Voraussetzungen für eine faire und ausgewogene Berichterstattung geschaffen, da Ihr Vertrauter fakten- und damit wahrheitsgemäß berichten kann.
5. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter.
Noch bevor Sie mit der Presse sprechen, sollten Sie Ihre Kollegen und Mitarbeiter auf den aktuellen Stand bringen. Denn für sie ist nichts schlimmer als Probleme von außen über Gerüchte, Mandanten oder aus der Presse zu erfahren. Dabei geht es nicht darum, jedes Detail auszubreiten. Wichtig ist das Signal: Wir haben die Lage im Griff und wir kümmern uns! Damit beugen Sie nicht nur potenziellen Spekulationen und Flurfunk vor, sondern Sie schaffen wichtiges Vertrauen.
Scheuen Sie sich nicht, vorgefertigte Sprachregelungen für Rückfragen herauszugeben und bestehen Sie auf deren Wortlaut. Dadurch entlasten Sie Ihre Kollegen, wenn sie von außen mit Fragen konfrontiert werden. Regeln Sie auch, wer nach außen sprechen darf und wer nicht. Dies erleichtert denen, die nicht sprechen sollen, erheblich den Umgang mit der Thematik. Denn es geht hier nicht darum, den Journalisten in eine Sackgasse zu schicken, sondern zu vermitteln: "Ich kann Ihnen dazu nichts sagen, aber unser zuständiger Partner ruft Sie dazu zurück." Das sichert auch den Aspekt der nachstehend empfohlenen Konsistenz.
6. Konsistenz ist alles.
Sorgen Sie dafür, dass Ihre Aussagen aus einem Guss sind und weichen Sie nicht von Ihrer festgelegten Kommunikationsstrategie ab. Dies gilt für mündliche Statements ebenso wie für schriftliche Äußerungen oder Kommentare in den sozialen Medien. Legen Sie innerhalb des Krisenteams vorab fest, welche Person sich offiziell zum Sachverhalt äußert und briefen Sie diese umfassend.
Falls nötig, bereiten Sie sich für Pressegespräche und Interviews mit Hilfe erfahrener Mediencoaches vor. Diese helfen nicht nur, Ihre Stressresistenz in schwierigen Kommunikationssituationen zu erhöhen. Indem Sie z.B. Interviewsituationen vorab durchspielen, haben Sie die Chance, Ihre Statements dem Prüfstand unfairer Fragen, falscher Schlussfolgerungen oder vehementen Nachbohrens zu unterziehen.
7. Seien Sie auf alles gefasst.
Eine perfekte Vorbereitung für schwierige Kommunikationssituationen basiert nicht nur darauf, sämtliche Fakten und die Positionen der Beteiligten präsent zu haben. Sie sorgt auch dafür, dass Sie bzw. der Sprecher Ihre Sozietät in jeder Situation souverän vertreten. Sie werden vielleicht mit unsachlichen Vorwürfen oder mit falschen Fakten bedrängt. Achten Sie stets darauf, sachlich zu kommunizieren und lassen Sie sich im Gespräch nicht in die Falle von Rechtfertigungen oder vorauseilendem Gehorsam locken.
8. Bleiben Sie authentisch.
Egal, für welchen Weg aus der Krise Sie sich entscheiden: Bleiben Sie authentisch. Erliegen Sie nicht der Versuchung, sich durch falsche Kompromisse – z.B. durch Äußerungen, die kanzleiweit nicht getragen werden, die Situation aber kurzfristig beruhigen könnten – aus der Affäre zu ziehen.
Gut recherchierende Journalisten werden Sie sofort mit Widersprüchen zu früheren Äußerungen konfrontieren; einmal nach außen gegebene Statements können Sie nicht rückgängig machen. Journalisten und vielleicht sogar Mandanten werden Sie wieder darauf ansprechen und die Widersprüche im schlechtesten Fall auf die Bewertung Ihrer Beratungstätigkeit übertragen.
Professionell kommuniziert, kann selbst ein zugegebener Fehler den Ruf Ihrer Kanzlei als glaub- und vertrauenswürdigen Partner letztendlich stärken und im besten Fall dazu führen, dass Sie als authentisch und lernfähig wahrgenommen werden.
Auch wenn die Arbeit hoffentlich umsonst ist, sollten Sie sich die Mühe machen, sich auf Krisenkommunikationssituationen vorzubereiten. Präventive Maßnahmen verhindern oft schon, dass eine schwierige Situation zur Krise ausufert. Sollte sie doch einmal nicht zu verhindern sein, konzentrieren Sie sich auf drei Dinge: schonungslose interne Aufklärung, Authentizität sowie Ruhe und Besonnenheit. Denn nicht selten kann Abwarten zunächst die beste Reaktion sein – vorausgesetzt, Sie sind perfekt vorbereitet.
Christiane Herzhauser, Inhaberin der Agentur Herzhauser PR, berät seit über 15 Jahren Vorstände und Managing Partner in internationalen Unternehmen sowie Sozietäten und ist Expertin für Kanzleimarketing und Krisenkommunikation.
Susanne Krüger, MBA, ist Leiterin Geschäftsentwicklung und Unternehmenskommunikation einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Berlin.
Susanne Krüger und Christiane Herzhauser, Kanzlei-Marketing: 8 Tipps für die aktive Krisenkommunikation . In: Legal Tribune Online, 22.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19173/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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