Hat die Covid-19-Pandemie die Wirtschaftskanzleien in eine Schockstarre versetzt? Angesichts der Partnerwechsel in den vergangenen Monaten sieht es nicht so aus. Ein Blick auf die spannendsten Transfers.
In der Coronakrise rechnen auch die Wirtschaftskanzleien mit dem Schlimmsten – und sie haben schnell reagiert. Einige frieren Gehälter und Bonuszahlungen ein, verschieben Ausschüttungen an die Partner, bitten ihre Anwälte und Angestellten darum, Arbeitszeiten zu reduzieren – oder entlassen sie gleich reihenweise, wie etwa Taylor Wessing die wissenschaftlichen Mitarbeiter.
Und auch wenn Rechtsberatung an sich als krisensicheres Geschäft gilt, so deuten Personalverantwortliche in den großen Kanzleien bereits an, dass künftig wohl etwas zögerlicher neu eingestellt werden dürfte. Nicht davon betroffen sind die Partnerwechsel, die in den vergangenen Monaten über die Bühne gingen. Denn die meisten dürften bereits vor Ausbruch der Pandemie eingestielt worden sein.
Deutlich verstärkt haben sich Kanzleien wie Friedrich Graf von Westphalen & Partner, die gleich einen kompletten Standort neu eröffnet, und Heuking Kühn Lüer Wojtek, die ein Team für Zürich und eine Partnerin für Hamburg geholt hat.
Mehrere Sozietäten haben sich mit Restrukturierungsexperten verstärkt. Und auch wenn diese Wechsel in den allermeisten Fällen wohl vor der Coronapandemie eingefädelt worden sind, dürften sich die Verantwortlichen im Nachhinein noch mehr über diesen Schachzug freuen, denn Branchenbeobachter gehen davon aus, dass ab Herbst der Beratungsbedarf in Sachen Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz deutlich steigen wird.
1/13 Prominenter Zugang für Arqis
Arqis hat einen besonderen Coup gelandet: Der angesehene Arbeitsrechtler Tobias Neufeld hat sich zum März als Partner dem Düsseldorfer Büro der Sozietät angeschlossen. Der 46-Jährige war zuletzt rund ein Jahr lang in eigener Kanzlei tätig, davor war er langjähriger Partner bei Allen & Overy. Er leitete dort unter anderem die weltweite Praxisgruppe Employment & Benefits und die deutsche Datenschutzpraxis.
Ende 2018 ist Neufeld aus der Partnerschaft bei Allen & Overy ausgeschieden und hat mit Neufeld Legal eine eigene Sozietät gegründet, die auf die Bereiche Arbeitsrecht, betriebliche Altersversorgung und Datenschutz spezialisiert war. Der Arbeitsrechtler war seit 2010 Partner bei Allen & Overy, frühere Stationen seiner Laufbahn waren Cleary Gottlieb, Ashurst und Taylor Wessing.
2/13 FGvW fährt nach Berlin
"Wir fahren nach Berlin", freute sich Friedrich Graf von Westphalen & Partner (FGvW) in den sozialen Medien. Auch wenn das in Coronazeiten vermutlich nur wenige wörtlich nehmen wollen – die Sozietät hat zum Mai ein Büro in Berlin eröffnet und dafür ein Startteam von BRL gewinnen können.
Dr. Alexander Hartmann (43) und Oliver Ehrmann (47), bisher Partner des Berliner Büros von BRL, sind Gründungspartner des vierten deutschen Standorts von FGvW – bislang ist die Kanzlei in Freiburg, Köln und Frankfurt vertreten. Sie wechseln mit einem Team, das im Bereich der steuerrechtlichen Compliance berät. In den kommenden Monaten soll mit Jörg Michael Siecke (52) noch ein weiterer Partner von BRL kommen, er legt seinen Schwerpunkt auf Immobilientransaktionen.
Ein Schwerpunkt des neuen Büros in der Hauptstadt soll nach Angaben von FGvW die Beratung von Startups sein, zudem will die Kanzlei von dort aus Venture-Capital- und Private-Equity-Investoren betreuen und den Standort zur Anlaufstelle für die politiknahe Beratung machen.
3/13 Heuking baut in Hamburg und Zürich aus
Heuking Kühn Lüer Wojtek hat in den vergangenen Monaten gleich zwei neue Partner geholt: In Hamburg kam die Finanzierungsanwältin Sandra Pfister, in Zürich der Bank- und Kapitalmarktrechtler Marcel Hostettler. Die 48-jährige Pfister wechselte zum März als Equity Partnerin von Bryan Cave Leighton Paisner, wo sie seit 2016 Partnerin war. Zuvor arbeitete sie für Kaye Scholer (jetzt Arnold & Porter), Simmons & Simmons und Shearman & Sterling.
In Zürich bildet der Zugang des 43-jährigen Hostettlers den Auftakt für eine Neuaufstellung des Standorts: Insgesamt vier Anwälte werden den Schweizer Standort verstärken. Hostettler wechselte Anfang April von der multidisziplinären Sozietät MME, wo er ebenfalls Partner war.
Ebenfalls Anfang April kam in Zürich der Kapitalmarkt- und Steuerrechtler Eric Baumgartner, zum Mai folgten Dr. Anna Wehrmüller, die in den Bereichen Regulatory und Compliance arbeitet, sowie der Banking- und Finance-Anwalt Dr. Peter Märkl folgen. Baumgartner wechselte von der Kanzlei Lexcellence, Wehrmüller kam wie Hostettler von MME und Märkl von der UBS. Die Neuzugänge haben laut Heuking viel Erfahrung auf technologieaffinen Mandanten im Kapitalmarktbereich und sollen diesen Bereich weiter ausbauen.
4/13 Wechsel auf die Schäl Sick
Das Kölner Görg-Büro hat sich zum Mai mit dem Corporate-Anwalt Dr. Christoph Niemeyer verstärkt. Der 42-Jährige war erst zum Jahresanfang bei Oppenhoff & Partner in die Partnerschaft aufgenommen worden, bei Görg ist er ebenfalls als Partner eingestiegen. Mit seinem Zugang umfasst die Corporate/M&A-Praxisgruppe der Kanzlei 70 Anwälte, darunter 25 Partner.
Wenn Niemeyer sich bei Görg weit genug aus dem Fenster lehnt, kann er womöglich einen Blick auf das Gebäude seines alten Arbeitgebers erhaschen: Oppenhoff & Partner hat sich in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofes eingerichtet, während Görg einige hundert Meter auf der gegenüberliegenden Rheinseite logiert, der Schäl Sick.
5/13 Vom Main an die Isar
Dr. Matthias Weissinger hat seinen neuen Arbeitsplatz nicht nur ein paar hundert Meter, sondern gleich mehrere hundert Kilometer weiter entfernt eingerichtet. Er ist als Partner in das Münchener Büro von Ashurst gewechselt, zuvor war er in Frankfurt für Shearman & Sterling tätig. Dort arbeitete er mehr als neun Jahre, Anfang 2018 wurde er zum Partner in der Finanzierungs- und Restrukturierungspraxis ernannt.
Ashurst wertet seinen Zugang als "wichtigen Entwicklungsschritt" für das europäische Finanzierungs- und Restrukturierungsteam, denn Weissinger berät vorwiegend in den Bereichen Leveraged Finance, Corporate Lending und der Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten.
6/13 Norton Rose Fulbright schließt eine Lücke
Christoph Enderstein hat sich im März dem Frankfurter Büro von Norton Rose Fulbright angeschlossen. Er leitete zuletzt das Debt Capital Markets Team bei Allen & Overy in Deutschland. Bei Norton Rose Fulbright ist Enderstein nun als Partner im Kapitalmarktrechtsteam tätig; er berät insbesondere Emittenten und Emissionsbanken bei internationalen Kapitalmarkttransaktionen.
Mit dem Zugang des Anwalts schließe man eine Lücke im Beratungsangebot, teilte Norton Rose Fulbright mit. Zuletzt hat die Sozietät den Bereich Banking & Finance mit der Bankaufsichtsrechtlerin Dr. Caroline Herkströter verstärkt sowie mit Regina Rath, die als Prozessrechtlerin einen Schwerpunkt auf bank- und finanzrechtliche Auseinandersetzungen legt.
7/13 Bye-bye Norton Rose Fulbright, hello Pinsent Masons
Anthony Morton, der als English Solicitor und in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen ist, hat sich zum 1. Mai 2020 dem Frankfurter Büro von Pinsent Masons angeschlossen. Er berät unter anderem bei Finanzierungen und Restrukturierungen – zwei Rechtsbereiche, die künftig noch gefragter sein dürften als ohnehin schon.
Morton war in den vergangenen sechs Jahren Partner bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt. Frühere Stationen seiner beruflichen Laufbahn waren das Frankfurter Büro der US-Kanzlei Milbank sowie Linklaters, wo er jeweils als Counsel arbeitete.
8/13 Noch ein Weggang bei Norton Rose Fulbright
Norton Rose Fulbright hat im ersten Quartal einen weiteren Partner zu einem Wettbewerber ziehen lassen: Der Energierechtler Gerd Stuhlmacher hat sich als Partner dem Münchener Standort von Luther angeschlossen.
Stuhlmacher war seit März 2017 als Partner bei Norton Rose Fulbright tätig und hat dort Energieunternehmen bei Rechtsfragen rund um Transaktionen, Regulierung und Compliance beraten. Bevor er in die Anwaltschaft wechselte, verbrachte Stuhlmacher einen Großteil seiner Karriere in Führungsfunktionen im Eon-Konzern sowie bei Uniper. Stuhlmacher gilt als in der Energiebranche sehr gut vernetzt und hat über Verbandsarbeit Entwicklungen im Energierecht mitgestaltet.
9/13 Mehr Insolvenzrecht bei AC Tischendorf
Die Wirtschaftskanzlei AC Tischendorf in Frankfurt hat sich zum April mit Dr. Alexander Höpfner verstärkt, einem langjährigen Partner der Insolvenzverwalterkanzlei BBL Bernsau Brockdorff & Partner. Der 52-Jährige, der zum April als Partner zu AC Tischendorf wechselte, begleitet bundesweit große Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren, zudem wird er seit über 20 Jahren in verschiedenen Bundesländern als Insolvenzverwalter bestellt.
Höpfner hat schon in der Vergangenheit mehrfach mit dem Team um Dr. Sven Tischendorf, Gründungspartner von AC Tischendorf, zusammengearbeitet, etwa bei M&A-Transaktionen aus der Insolvenz und bei Unternehmenssanierungen. Aktuell betreuen die beiden das Schutzschirmverfahren für die Modekette Hallhuber; Tischendorf als Chief Restructuring Officer, Höpfner als Chief Insolvency Officer.
10/13 Erste IP-Partnerin für Herbert Smith Freehills
Dr. Ina vom Feld hat sich zum Mai dem Düsseldorfer Büro von Herbert Smith Freehills angeschlossen. Sie ist die erste IP-Anwältin dort und soll eine Praxis in diesem Gebiet aufbauen. Vom Feld wechselt zusammen mit dem Associate Behyad Hozuri von Simmons & Simmons, wo sie Partnerin in der Dispute-Resolution-Praxis war. Sie ist seit fast 20 Jahren streitig und nichtstreitig im Gewerblichen Rechtsschutz tätig, wobei ihr Schwerpunkt in den Branchen Pharma, Biotechnologie und Medizintechnik liegt.
Herbert Smith Freehills sieht die Neuzugänge als strategisch wichtigen Schritt – zum einen für das Wachstum in Deutschland, zum anderen beim Aufbau einer europäischen Patent-Litigation-Praxis. Denn Europa sei nach den USA der zweitgrößte Markt für Pharmaprodukte, und Deutschland habe eine starke und wachsende Biotech- und Pharmaindustrie. Zudem sei Deutschland weiterhin das Land mit den meisten Patentrechtsstreitigkeiten in Europa.
11/13 Tschüss Orrick - moin moin Noerr
Als neuen Partner für das Hamburger Büro konnte Noerr den Kartellrechtler Dr. Till Steinvorth verpflichten. Er leitete zuletzt den Bereich Antitrust bei Orrick in Deutschland. Seine Schwerpunkte hat der Kartellrechtler insbesondere in Fusionskontroll- und Kartellbußgeldverfahren sowie in der Durchsetzung oder Abwehr von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen.
Für die Kartellrechtspraxis ist Steinvorth der zweite Partnerzugang in diesem Jahr: Im Februar stieß Dr. Jens Peter Schmidt als Co-Leiter des Brüsseler Standorts zur Sozietät. Und am Hamburger Standort soll es weitere Zugänge geben, kündigt Noerr an. Die Kanzlei hatte das Büro am 1. April 2017 eröffnet, inzwischen sind 37 Anwälte dort tätig, darunter neun Partner.
12/13 Huth Dietrich Hahn mit mehr Compliance
Bei der Hamburger Kanzlei Huth Dietrich Hahn verantwortet seit April Dr. Malte Passarge den Bereich Compliance. Der Corporate- und Compliance-Anwalt war bis Anfang dieses Jahres Partner der Sozietät Passarge Prudentino & Rhein und wechselte zum 1. April zu Huth Dietrich Hahn.
Passarge berate Unternehmen und Unternehmer im Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht und sei seit rund 15 Jahren in der Compliance-Beratung tätig, teilt die Kanzlei mit. Von seinem Zugang verspreche man sich nicht nur einen Ausbau der Compliance-Praxis, sondern auch des Transaktionsgeschäfts.
13/13 Anchor jetzt auch in Duisburg
Die auf Insolvenzverwaltung und Restrukturierungsberatung spezialisierte Kanzlei Anchor Rechtsanwälte eröffnet ihren 13. Standort bundesweit – in Duisburg. Dazu holt die Kanzlei ein Team um die Insolvenzverwalterin Sarah Wolf von PKF Fasselt. Wolf wird den neuen Standort in Duisburg als Partnerin leiten.
Bislang ist Anchor in Nordrhein-Westfalen mit Standorten in Düsseldorf und Köln vertreten. In Duisburg und am Niederrhein sieht die Sozietät aber "großes Potential", um die Insolvenzverwaltung und Restrukturierungsberatung auszubauen. Die Sozietät verspricht sich von der personellen Verstärkung auch, künftig besser für größere Fortführungsfälle aufgestellt zu sein.
Juristen-Transfermarkt Mai 2020: 13 wichtige Wechsel . In: Legal Tribune Online, 06.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41521/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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