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Frauenförderung in der Großkanzlei: Quote? Nein, danke

von Dr. Anja Hall

04.12.2014

Frauenquote

© eyetronic - Fotolia.com

Die größten deutschen Unternehmen müssen künftig eine Frauenquote erfüllen, so will es der Gesetzgeber. Für die hiesigen Großkanzleien gelten die neuen Regelungen zwar nicht, doch einige haben sich vorgenommen, ihren Frauenanteil in den Partnerrängen deutlich zu erhöhen. Von einer Quote will man allerdings lieber nicht sprechen.

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Mandanten wollen mehr Frauen in Chefetagen

Wer durch die Flure deutscher Großkanzleien streift und einen Blick in die Partner-Büros wirft, sieht vor allem eines: Männer in dunklen Anzügen. Natürlich arbeiten auch viele Anwältinnen in den Wirtschaftskanzleien, die meisten findet man allerdings auf den Associate-Rängen. Irgendwo auf dem Weg in die Partnerschaft scheinen die Frauen also auf der Strecke zu bleiben.

Bei Hengeler Mueller beispielsweise sind Stand Ende 2014 unter den 91 Partnern nur drei Frauen. Nicht viel besser sieht es bei Linklaters aus; die Partnerversammlung der deutschen Büros setzt sich derzeit aus vier Frauen und 58 Männern zusammen. Und die Partnerschaft von Freshfields Bruckhaus Deringer in Deutschland und Österreich ist zu 93 Prozent männlich. Die Kanzleien sind laut dem Ranking des Branchenverlags Juve die drei Marktführer im deutschen Wirtschaftsanwaltsmarkt.

Wer will schon die Quoten-Partnerin sein?

Den wichtigsten Mandanten dieser Top-Kanzleien - Deutschlands größten Wirtschaftsunternehmen – hat der Gesetzgeber nun auferlegt, ihren Frauenanteil in den Chefetagen zu erhöhen. Auch wenn die Kanzleien selbst von dem neuen Gesetz nicht betroffen sein werden,  haben sich einige von ihnen doch in diesem Jahr vergleichbare Selbstverpflichtungen auferlegt. Von einer "Quote" möchten die Kanzleiverantwortlichen allerdings lieber nicht reden. Der Ausdruck sei nach der langwierigen öffentlichen Diskussion zu negativ belastet, heißt es vielerorts. Und wer möchte schon die "Quoten-Partnerin" sein? Deshalb wird nun von "Zielmarken" gesprochen.

Bei Linklaters liegt diese Zielmarke auf gleicher Höhe wie die gesetzliche Frauenquote zur Besetzung von Aufsichtsräten. Auf 30 Prozent will die Kanzlei bis zum Jahr 2018 den Anteil der Frauen im Executive Committee und International Board steigern, dies hat sie im Frühjahr auf ihrem jährlichen Partnertreffen beschlossen. Unter den neu ernannten Partnern sollen bis 2018 ebenfalls mindestens 30 Prozent Frauen sein.

Linklaters scheint es ernst zu sein, denn im Zuge der alljährlichen Partner-Ernennungen übertrifft sie ihr selbstgestecktes Ziel auf Anhieb: Unter den 21 neuen Partnern sind neun Frauen. "Wir freuen uns, dass in diesem Jahr 43 Prozent der neu gewählten Partner weiblich waren. Aber wir sind uns bewusst, dass das Verhältnis in früheren Jahren nicht immer so gesund war", räumt Robert Elliott, Chairman und Senior Partner von Linklaters, ein.

Auch Ashurst möchte sich in puncto Frauenförderung künftig an Zahlen messen lassen. Bis 2018 will die Kanzlei einen Frauenanteil von 25 Prozent in der Equity-Partnerschaft und im Kanzleimanagement erreichen. Das globale Board hat zudem im Frühjahr festgelegt, dass bis zum Jahr 2018 ganze 40 Prozent der neu ernannten Partner weiblich sein sollen. Dabei ist die Law Firm mit Hauptsitz in London bereits 2014 recht nahe an einer Zielerfüllung: 33 Prozent der im laufenden Jahr ernannten Neupartner sind weiblich. Und derzeit sind schon 27 Prozent der obersten Managementpositionen von Frauen besetzt.

Schon 2012, und damit als eine der ersten Kanzleien überhaupt, hat sich Hogan Lovells im Rahmen eines Diversity-Plans ein Zehn-Jahres-Ziel zur Erhöhung des weltweiten Anteils an Frauen in der Partnerschaft gegeben. Demnach soll der Anteil an Managerinnen bis Januar 2015 bei 30 Prozent liegen. Bis Anfang 2017 sollen 25 Prozent der Partner Frauen sein, bis zum Jahr 2022 soll der Anteil dann auf 30 Prozent steigen.

Fachliche und persönliche Qualifikation entscheidend

2/2: Nationale Kanzleien scheuen die Quoten-Debatte

Es sind vor allem internationale Kanzleien, die sich eine "Frauenquote" verordnen. Dies mag daran liegen, dass in den angelsächsischen Ländern Themen wie Diversity und Corporate Social Responsibility schon tiefer im Wirtschaftsleben verankert sind als hierzulande. Auch scheinen die Vorbehalte gegenüber einer Quotenregelung geringer. Nationale Kanzleien sprechen sich im Gegensatz dazu auffallend oft ganz eindeutig gegen eine verbindliche Zielmarke aus – meist wird die Gleichbehandlung von Männern und Frauen als Grund genannt.

"Wir haben keine Quote, da sich Personalentscheidungen bei uns ausschließlich nach der fachlichen und persönlichen Qualifikation richten", sagt etwa Astrid Arndt, Director Professional Development und Recruiting bei Hengeler Mueller. Dass der Kanzlei die Frauenförderung aber egal wäre, kann man nicht behaupten. "Die Erhöhung des Frauenanteils bei Hengeler Mueller ist schon seit vielen Jahren erklärtes Ziel der Sozietät. Wir fördern dies durch zahlreiche Maßnahmen, zum Beispiel den jährlichen Women’s Day und Leadership-Seminare für Frauen sowie – für alle Associates – Teilzeitangebote auf allen Karrierestufen, Krippenplätze und Unterstützung durch einen Familienservice." Dass die Förderung Früchte trägt, davon ist man bei Hengeler überzeugt. Bei der diesjährigen Partnerrunde wurden zwei Frauen in die Partnerschaft befördert, kein einziger Mann.

Auch Elisabeth Lepique, Managing Partnerin von Luther, hat sich in einem LTO-Interview vor wenigen Monaten kritisch zu einer Frauenquote geäußert, weil diese nur für Spitzenpositionen gelte. Sie sprach sich für eine breit angelegte Karriereförderung aus, die Frauen und Männer gleichermaßen erfassen sollte.

Frauenanteil sinkt mit den Jahren

Abgesehen von der gesellschaftspolitischen Debatte um die Gleichberechtigung der Geschlechter gibt es einen ganz handfesten, wirtschaftlichen Grund, weshalb sich Kanzleien für einen höheren Frauenanteil einsetzen. Die Top-Kanzleien berichten beinahe einstimmig, dass der Anteil der Bewerberinnen bei gut 50 Prozent liegt, es interessieren sich also in etwa gleich viele Männer wie Frauen für den Beruf des Wirtschaftsanwalts. Auch auf den Associate-Rängen ist das Geschlechterverhältnis noch einigermaßen ausgewogen.

Allerdings sinkt der Frauenanteil in den allermeisten Großkanzleien mit den Jahren der Kanzlei-Zugehörigkeit. Jahr für Jahr gehen den Sozietäten scharenweise gut ausgebildete Anwältinnen von der Fahne und bringen ihr Wissen künftig bei einem Mandanten oder einem Wettbewerber ein – ein Ärgernis für die Kanzleien, die viel Zeit und Geld in die Ausbildung der Associates investieren.

Detaillierte Zahlen über den Frauenanteil in den unterschiedlichen Senioritätsstufen nennt etwa Hogan Lovells. Aktuell sind 47,8 Prozent der Associates und 21 Prozent der Counsel an den deutschen Standorten weiblich. Unter den 79 Partnern sind dagegen nur noch zehn Frauen, ein Anteil von 12,6 Prozent. Bei Freshfields Bruckhaus Deringer waren gemäß dem aktuellen Responsible Business Report im Geschäftsjahr 2012/13 zwar 37 Prozent der Associates in den deutschen und österreichischen Büros weiblich, aber nur noch sieben Prozent der Partnerschaft.

Initiativen, mit denen Kanzleien ihren Mitarbeitern helfen, Karriere und Privatleben besser zu vereinbaren, können sich in barer Münze auszahlen, wenn es dadurch gelingt, mehr Anwältinnen über einen längeren Zeitraum zu halten. Ob sich die Kanzleiverantwortlichen dabei eine verbindliche Zielmarke für den Frauenanteil geben oder den Juristinnen lieber mittels Karriereförderung den Weg in die Partnerschaft ebnen, scheint vor diesem Hintergrund eher zweitrangig.

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Anja Hall, Frauenförderung in der Großkanzlei: Quote? Nein, danke . In: Legal Tribune Online, 04.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14014/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

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