Baden-Württembergs Justizminister plant eine Studie zur Paralleljustiz im Land. Fast alle wollen die Studie, trotzdem wird es laut im Parlament. Bei der Debatte streiten die Fraktionen heftig.
Mit einer empirischen Untersuchung will Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) belastbare Daten und Fakten darüber schaffen, ob und wieweit Paralleljustiz in Baden-Württemberg stattfindet. Dafür plant das Land, rund 20.000 Euro in die Hand nehmen.
Unter Paralleljustiz versteht man Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung, bei der deutsche Rechtsstandards missachtet oder konterkariert werden. "Wir haben aber bislang keine fundierten empirischen Erkenntnisse darüber, ob solche Strukturen bei uns im Südwesten bestehen", sagte Wolf am Mittwoch. Dem solle durch eine fundierte Studie abgeholfen werden.
In Berlin gilt Paralleljustiz laut einer Studie als ernstzunehmendes Problem, das Menschen ganz verschiedener Gruppen betrifft und belastet. Jürgen Filius (Grüne) betonte, dass man Paralleljustiz keiner ethischen oder religiösen Gruppe zuordnen könne. Nicht nur in muslimischen Gruppen, sondern auch bei Rockerbanden, Syndikaten oder im Rotlichtmilieu kämen solche Fälle vor.
AfD sorgt für Empörung
Während Filius sich prinzipiell offen für die Studie zeigte, sieht das der grüne Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand anders: "Gerade von einem Justizminister wünschen wir uns, dass er das Vertrauen in unsere Justiz stärkt und nicht mit unbedachten Aktionen Misstrauen sät", erklärte Hildenbrand nach der Debatte und bezeichnete das Projekt als "ominöses Studienvorhaben".
Die AfD hält den Vorstoß für die Studie bereits für ein Schuldeingeständnis. Dem widersprach Wolf entschieden: "Wir wollen der Sache auf den Grund gehen, um Gerüchte und Panikmache zu verhindern. Wir planen keine Angst-Studie, wir planen eine Erkenntnis-Studie." Auch der CDU-Abgeordnete Bernhard Lasotta warnte davor, das Thema durch "Theaterdonner" aufzubauschen.
AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen sorgte bei der Debatte für Empörung. Meuthen warf am Mittwoch in Stuttgart der "Kuscheljustiz" vor, Morden vermeintlich im Namen der Ehre, Scharia-Sheriffs oder Zwangsverheiratungen nicht genügend Einhalt zu gebieten.
Fraktionsübergreifende Zustimmung
Fast alle Fraktionen halten die geplante Analyse für sinnvoll und notwendig. Nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch FDP und AfD bekundeten ihre Zustimmung. Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder bezweifelte die Relevanz der Debatte und meinte: "Ich bin davon überzeugt, dass die Behörden alles tun, damit es solche Parallelstrukturen hier im Land nicht geben kann." Wie auch mehrere Abgeordnete anderer Fraktionen prangerte Binder Meuthens "Kuscheljustiz"-Kritik an: "Unsere Justiz in Baden-Württemberg agiert nach Recht und Gesetz und muss sich nicht von Ihnen beschimpfen lassen."
Ob die veranschlagten Kosten ausreichen, um fundierte Erkenntnisse zu liefern, ist noch offen. Meuthen zweifelte dies in der Debatte an. Wolf zeigte sich daraufhin bereit, gegebenenfalls auch mehr Geld auszugeben.
Von der Türkischen Gemeinde hatte es zuletzt Kritik gegeben, die Studie sei verschwendetes Geld. Doch der Justizminister will an seiner Planung festhalten und sagte über das Vorkommen von Paralleljustiz im Land: "Es ist zu früh, für Baden-Württemberg Alarm zu schlagen. Aber es ist nicht zu früh, die richtigen Fragen zu stellen."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Streit im baden-württembergischen Landtag: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25443 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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