Druckversion
Samstag, 14.06.2025, 03:37 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/justiz/j/richterwahlausschuss-bundeslaender-streit-besetzung-afd-rechtspolitik
Fenster schließen
Artikel drucken
39579

Brandenburg: Streit um AfD-Abge­ord­nete im Rich­ter­wahl­aus­schuss

von Annelie Kaufmann

08.01.2020

Brandenburger Landtag bei der Wahl der AfD-Mitglieder des Richterwahlausschusses

(c) picture alliance/Bernd Settnik/dpa

Brandenburg hat nun einen neuen Richterwahlausschuss – mit zwei AfD-Mitgliedern. Um die Wahl gab es Streit. Dabei geht es nicht nur um die Angst vor politischer Einflussnahme.

Anzeige

Die Zeiten, in denen die Richterwahlausschüsse zumindest auf Landesebene relativ geräuschlos ihrer Arbeit nachgingen, sind offenbar vorbei. Seit die AfD in allen Landesparlamenten vertreten ist, gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen ihr und den übrigen Parteien.

Wenn vorgesehen ist, dass der Richterwahlausschuss an Einstellungen und Beförderungen mitwirkt heißt das aber auch: Solange er nicht arbeitsfähig ist, können offene Stellen nicht besetzt werden.

Entsprechend groß war der Zeitdruck nun in Brandenburg: Der Richterwahlausschuss sollte das nächste Mal schon am 29. Januar zusammenkommen und über 16 Neueinstellungen entscheiden. Außerdem stehen im Laufe des Jahres zahlreiche Beförderungen an und die Posten der Präsidenten der Landgerichte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Neuruppin müssen neu besetzt werden.

Im ersten Anlauf gescheitert

Doch in einem ersten Anlauf im Dezember scheiterten die beiden AfD-Abgeordneten Lena Duggen und Andreas Galau im Landtag. Am Dienstag wurden beide im zweiten Anlauf gewählt und der Richterwahlausschuss kann nun doch noch wie geplant zusammentreten.

Ohne Querelen ging es allerdings nicht ab: Die AfD hatte zwischenzeitlich statt Galau, der auch Vizepräsident des Landtags ist, Hans-Christoph Berndt aufgestellt. Berndt leitet u.a. auch den rechtsgerichteten Verein "Zukunft Heimat", er ist umstritten. Schließlich nahm die AfD diesen Wahlvorschlag aber wieder zurück und setzte erneut auf Galau und Duggen.

Auch Duggen stand in der Kritik, insbesondere weil sie von 2011 bis 2014 laut Lebenslauf der Partei "Die Freiheit" angehörte, die 2013 in Bayern vom dortigen Verfassungsschutz beobachtet und als islamfeindlich eingestuft wurde. Doch vor der Wahl erklärte CDU-Fraktionschef Jan Redmann, Duggen werde vielleicht ein bisschen anders bewertet als im Dezember, weil sie die einzige Volljuristin in der AfD-Fraktion sei. Von der SPD-Fraktion verließ ein Teil der Abgeordneten vor der Abstimmung den Saal und machte so die Wahl möglich.

Als Stellvertreter für den Richterwahlausschuss kandidierten erneut AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz und der Landtagsabgeordnete Daniel Freiherr von Lützow. Beide fielen wie im Dezember durch. Kalbitz werden zahlreiche rechtsextreme Kontakte in der Vergangenheit vorgeworfen, von Lützow rechtsextreme und rassistische Einstellungen. Da zumindest die Hauptmitglieder gewählt sind, ist der Ausschuss nun aber arbeitsfähig.

Auch in Schleswig-Holstein wurde lang und heftig gestritten

Das Hin und Her erinnert an ähnliche Auseinandersetzungen in anderen Bundesländern. So hatte es beispielsweise auch in Schleswig-Holstein heftigen Streit gegeben, nachdem die AfD-Fraktion die Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein aus ihren Reihen ausgeschlossen hatte, weil sie für einen rechtsextremen Verein geworben hatte. Sayn-Wittgenstein verlor damit auch ihren Posten im Richterwahlausschuss, nachrücken sollte der AfD-Abgeordnete Claus Schaffer. Die SPD war jedoch dagegen, sie war der Ansicht, dass auch die Zusammensetzung des Ausschusses gemäß der nun bestehenden Fraktionsstärke geändert werden müsse. Inzwischen hat der Landtag neu gewählt und unter den Hauptmitgliedern des Ausschusses ist die AfD nicht mehr vertreten.

Nicht in allen Bundesländern ist ein Richterwahlausschuss vorgesehen. Zudem sind seine Zusammensetzung und die Art und Weise der Mitwirkung an der Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsstellen im Einzelnen unterschiedlich geregelt. 

In Brandenburg hat der Richterwahlausschuss zwölf Mitglieder, dazu gehören acht Abgeordnete des Landtags, zwei Richter, ein Vertreter der Anwaltschaft und ein Mitglied, das je nachdem, um welche Stellen es geht, aus der Staatsanwaltschaft oder aus der Fachgerichtsbarkeit stammt. Der Wahlausschuss entscheidet über eine Vorschlagsliste, die von Justizministerin Susanne Hoffmann vorgelegt wird. Vorab wird außerdem der Präsidialrat beteiligt.

Heikel: Alle persönlichen Daten der Richter auf dem Tisch

Der Einfluss der beiden umstrittenen AfD-Mitglieder auf Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen dürfte also erstmal gering sein. Der Wahlausschuss wählt Bewerber mit einer Zweidrittel-Mehrheit.*

Den anderen Parteien geht es aber auch gar nicht nur um ganz konkrete politische Einflussnahme. Die Möglichkeiten dazu sind ohnehin begrenzt, bei der Auswahl der Bewerber muss berücksichtigt werden, wer am besten für das Amt geeignet ist.

Allerdings gelten die Richterwahlausschüsse als besonders sensible Gremien, immerhin werden dort auch die gesamten Personalakten vorgelegt und eingesehen. Sie enthalten nicht nur den beruflichen Lebenslauf der zur Wahl stehenden Richter und Staatsanwälte sowie deren Beurteilungen, sondern auch private Informationen zum gesamten Lebenslauf und der familiären Situation der Bewerber.

Entsprechend besteht auch die Sorge, dass AfD-Mitglieder, die womöglich bis in rechtspopulistische oder sogar rechtsextreme Kreise hinein vernetzt sind, solche Informationen nutzen könnten. Auch das macht das Thema Richterwahlausschuss so heikel und führt immer wieder zu Auseinandersetzungen darüber, wer in den Ausschuss gewählt wird.

Mit Material der dpa

* Hier hieß es zunächst "entscheidet mit einfacher Mehrheit". Das gilt aber nur für sonstige Beschlüsse, nicht für die Abstimmung über Personalvorschläge. Korrigiert am 9.1. um 14:23

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Brandenburg: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39579 (abgerufen am: 14.06.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Öffentliches Recht
    • AfD
    • Politik
    • Richter
Eingang zum Justizzentrum in Gera 12.06.2025
Volksverhetzung

Vorwurf der Volksverhetzung gegen Vize des VG Gera:

Anklage gegen den Richter Bengt Fuchs erhoben

Die Staatsanwaltschaft Gera hat Anklage gegen den Vizepräsidenten des örtlichen Verwaltungsgerichts, Bengt Fuchs, erhoben. Ein Kommentar von ihm auf Facebook soll den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, so der Vorwurf.

Artikel lesen
BVerfG 12.06.2025
BVerfG

BVerfG verlängert Fortgeltungsanordnungen:

Mehr Zeit für Neu­re­ge­lung ver­fas­sungs­wid­riger Normen

Es betrifft Teile des BKA-Gesetzes und die Vaterschaftsanfechtung: Das BVerfG hat die Fortgeltungsanordnungen zweier Gesetzesbestimmungen verlängert. Der Gesetzgeber hat damit mehr Zeit, die benötigten Änderungen vorzunehmen.

Artikel lesen
Donald Tusk 11.06.2025
Polen

Wegweisend für die polnische Justiz:

Tusk gewinnt Ver­trau­ens­frage nach Prä­si­dent­schafts­wahl

Polens proeuropäischer Regierungschef erwartet viel Widerstand vom neuen Präsidenten Nawrocki. Deshalb testete er die Loyalität seiner Koalitionspartner per Vertrauensfrage – mit Erfolg. Die Abstimmung dürfte wegweisend für Polens Justiz sein.

Artikel lesen
Gebäude der "Staatsanwaltschaft Hamburg" 11.06.2025
Fachkräfte

Überlastete Justiz:

Offene Ermitt­lungs­ver­fahren in Ham­burg auf Rekord­hoch

Die Zahl offener Ermittlungsverfahren bei der Hamburger Staatsanwaltschaft hat mit 56.957 Fällen ein neues Rekordniveau erreicht – ein Alarmsignal, das aus Sicht des Hamburgischen Richtervereins nicht länger ignoriert werden darf.

Artikel lesen
Uli Grötsch, SPD 10.06.2025
Polizei

Polizeibeauftragter des Bundes bezieht Stellung:

"Enga­ge­ment für die AfD" als Grund für die Diens­t­ent­las­sung

Der Polizeibeauftragte des Bundes, Uli Grötsch, äußert sich deutlich: eine AfD-Mitgliedschaft und die Tätigkeit als Polizist seien unvereinbar. Das müsse Konsequenzen haben, spätestens seit dem Verfassungsschutzgutachten über die Partei.

Artikel lesen
Alexander Dobrindt (CSU) 10.06.2025
Verfassungsschutz

Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024:

Immer mehr gewalt­be­reite Ext­re­misten

Gewaltbereite Salafisten, "Reichsbürger" und Rechtsextremisten: Der Verfassungsschutz hat laut seinem am Dienstag vorgestellten Jahresbericht zurzeit alle Hände voll zu tun. Das hat zum Teil auch mit der AfD zu tun.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Oppenhoff
Rechts­an­walt (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches...

Oppenhoff , Köln

Logo von ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) Öf­f­ent­li­ches Recht

ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU , Ham­burg

Logo von Landtag Brandenburg
Par­la­ments­rä­tin/Par­la­ments­rat (B 2) als Re­fe­rent/in (m/w/d)

Landtag Brandenburg , Pots­dam

Logo von Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg
Voll­ju­rist:in­nen (m/w/d) - Trainee­pro­gramm für an­ge­hen­de...

Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg , Ham­burg

Logo von Stadt Wilhelmshaven
Voll­ju­rist*in (m/w/d) für die Lei­tung des Recht­sam­tes

Stadt Wilhelmshaven , Wil­helms­ha­ven

Logo von Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz
Re­fe­rent (m/w/d)

Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz , Spey­er

Logo von Kaufland
Con­sul­tant Da­ten­schutz (m/w/d)

Kaufland

Logo von Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand
Re­fe­rats­lei­ter*in (d/w/m) Ab­tei­lung Recht und Viel­falt

Deutscher Gewerkschaftsbund - DGB Bundesvorstand , Ber­lin

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Green Legal Lab 2025

29.08.2025, Berlin

DRK-Sommerschule im Humanitären Völkerrecht

25.08.2025, Strausberg

förder/kreis/tag 2025

23.06.2025

Webinar Weltraumrecht «Wettlauf ins All – Europas Rolle, Liechtensteins Beitrag»

17.06.2025

Webinar: RVG-Erhöhung 2025 – so rechnen Sie richtig ab!

18.06.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH