In Düsseldorf wollen Anwälte eine neue Führungskultur: Ein neuer Präsident soll eine transparente Kammer führen, die kein Vermögen bildet. Wie auch Kollegen in Berlin wollen die Rheinländer Mitgliedsbeiträge in Millionenhöhe zurück.
Offenbar wollen sie es wieder tun: Auf der Tagesordnung der anstehenden Kammerversammlung, die derzeit in den Briefkästen von über 12.000 Anwälten landet, stehen gleich vier Anträge, die dafür sorgen sollen, dass am 26*. April mindestens 1.000 wahlberechtigte Anwälte in den Düsseldorfer Rheinterrassen erscheinen.
Dass die Düsseldorfer mobilisieren können, zeigten sie zuletzt bei der fast legendär gewordenen Kammerversammlung 2015, als im Zuge der Syndikus-Anwalts-Debatte über 1.000 Anwälte 13 der 15 Vorstandsmitglieder der örtlichen Rechtsanwaltskammer (RAK) austauschten. Ein fast beispielloser Vorgang in Strukturen, in denen Funktionäre regelmäßig über Jahre, nicht selten über Jahrzehnte denselben Job machen.
Nicht nur das soll sich ändern, wenn es nach den Antragstellern um den PWC-Legal-Partner Dr. Sven-Joachim Otto geht. Die Anwälte wollen mit ihren Anträgen,wissen, wie es um die Kündigungsschutzverfahren gegen die Geschäftsführerin Dr. Susanne Offermann-Burckart steht und wie viel diese die Kammer kosten. Sie wollen Entschädigungen und Sitzungsgelder offen gelegt sehen, Führungsstrukturen grundlegend ändern und verlangen ein Compliance-Konzept. Und nach LTO-Informationen wollen sie auch einen neuen Präsidenten stellen. So würde Herbert Schons, der seit 28 Jahren an der Spitze der Düsseldorfer Kammer steht, nicht mehr für eine weitere Amtszeit wieder gewählt. Aber auch der Kandidat, den die Gruppe aufstellen will, ist nicht unumstritten.
Das Ziel: ein neuer Präsident in einer anderen Struktur
Nach LTO-Informationen sollen 15 neue Vorstandsmitglieder vorgeschlagen werden. Als Präsident soll Dr. Karl-Heinz Göpfert antreten. Der Steuerstrafrechtler war bereits bis 2015 Mitglied des Vorstands und Vizepräsident der RAK Düsseldorf. Mit seiner Nominierung will die Gruppe zeigen, dass sie nicht bloß Rebellen sind, die alles anders machen wollen, sondern dass es ihnen um eine ernsthafte Verbesserung bestehender System gehe. Allerdings kandidierte der erfahrene Göpfert auch bei der turbulenten Kammerversammlung im Jahr 2015 – und verlor, insbesondere weil die Syndikusanwälte sich von ihm nicht repräsentiert fühlten. Mehr als ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Syndikus-Anwalts-Gesetzes dürften die Unternehmensjuristen aber bei der Kammerversammlung 2017 eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Göpfert soll ein anderer Präsident werden, wenn es nach den Reformern geht. Einer, der nicht zu jeder Veranstaltung geht, sondern sich auf die Repräsentanz und rechtsgeschäftliche Vertretung der Kammer konzentriert, die ihm das Gesetz überträgt. Überhaupt wollen die Anwälte von PWC Legal und Hengeler Müller, aber auch die aus kleineren Einheiten und einzelne Unternehmensjuristen, welche die vier Anträge unterzeichnet haben, nach eigenen Angaben zurück zum Auftrag aus der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Die sieht nur vier, nicht sieben Präsidiumsmitglieder vor. Deshalb soll das Präsidium nach dem Willen der Antragsteller künftig neben dem Präsidenten und seinem Vize nur noch aus Schatzmeister und Schriftführer bestehen.
Das verkleinerte Präsidium soll weniger Macht haben, der Vorstand wieder mehr Entscheidungskompetenzen bekommen. Die Führungskultur soll zeitgemäßer werden, Sitzungen sollen effektiver vorbereitet, Vorstandsberatungen und -entscheidungen öffentlich zugänglich gemacht werden.
Weniger Spesen, mehr Transparenz
Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder sollen für den Präsidenten und seinen Vize nicht mehr gezahlt werden, die Ehrenamtler sollten mit ihren Pauschalen von maximal 3.500 Euro (für den Präsidenten) vollständig abgefunden sein, so der Antrag der Düsseldorfer. Ihre Vergütungen sollten genau wie Bürokostenpauschalen und Sitzungsgelder aller anderen Vorstandsmitglieder offen gelegt werden, damit die Mitglieder wissen, wie ihre Kammerbeiträge verwendet werden.
Zudem wollen die Anwälte, unter ihnen Compliance-Spezialisten, eine Richtlinie zur Korruptions-Prävention in der RAK Düsseldorf, eine weitere für einen sauberen Einkauf und wenn nötig einen Ombudsmann als Ansprechpartner für die Beschäftigten.
Einen direkten Anspruch auf so viel Transparenz gibt es nicht, das Transparenzgesetz NRW bindet nur öffentliche Unternehmen und Kommunen, für das Kammerwesen ist dort nichts geändert worden. Die Horte der Selbstverwaltung bleiben außen vor, weil sie nicht steuerfinanziert sind, also der Staat auch nicht – quasi von Amts wegen – für Transparenz sorgen muss. Das müssen die beitragsfinanzierten Kammern vielmehr selbst übernehmen.
Aber manches, was in Unternehmen längst als selbstverständliche Grundlage einer modernen Unternehmenskultur gilt, ist im Kammerwesen noch nicht angekommen. So veröffentlicht die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) etwa weiterhin keine Zahlen über die Kosten und Finanzierung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs, für das die Anwälte zahlen, obwohl sich seine Einführung um fast zehn Monate verzögerte und das mangels Schnittstellen von den meisten genutzten Kanzlei-Softwares noch immer nicht nutzbar ist. Die BRAK ist der Auffassung, nicht an das Informationsfreiheitsgesetz gebunden zu sein. Ein Rechtsstreit ist anhängig, im Gesetzgebungsverfahren zur kleinen BRAO-Reform gibt es einen Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, der die Bundesregierung auffordert, zu überprüfen, ob die BRAK aus dem Anwendungsbereich des IFG auszunehmen ist.
Die Düsseldorfer Anwälte aber wollen für ihren Kammerbereich anderes erreichen. Sie glauben, dass das System der Selbstverwaltung sich nur so dauerhaft erhalten lässt. So fordern sie auch Informationen über das pikante Kündigungsschutzverfahren der Kammer mit ihrer Noch-Hauptgeschäftsführerin und nicht zuletzt: ihr Geld zurück.
*Korrektur am 16.02.2017, 9:45h
2/2: Was kostet das Kündigungsschutzverfahren von Susanne Offermann-Burckart?
Die Kammermitglieder in Düsseldorf sollen erfahren, wie es um den Rechtsstreit mit der langjährigen Hauptgeschäftsführerin Offermann-Burckart steht, der nach elf Jahren im Dienste der Kammer Düsseldorf gekündigt wurde. Von den Vorwürfen gegen die Berufsrechtlerin, die mit finanziellen Ungereimtheiten begannen und bis zu angeblichen Veröffentlichungen auf Kosten der Kammer reichten, blieben im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur noch der ungeklärte Verbleib von zehn Euro übrig.
So gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage der heute 56-Jährigen statt, ein Berufungsverfahren ist anhängig. Zeitgleich läuft ein weiteres Verfahren, da die RAK ihr im Anschluss an das erste Urteil erneut kündigte.
Diese Kündigungen und das Kündigungsschutzverfahren, das es bereits in den Lokalmedien zu zweifelhafter Berühmtheit brachte, lösen nicht nur bei so manchem Vorstandsmitglied Unbehagen aus. Sie kosten auch Geld. Wie viel genau, weiß keines der Kammermitglieder. Im zweiten Verfahren hat die Kammer nach LTO-Informationen jedenfalls den Arbeitsrechtler Dr. Alexander Bissels von CMS Hasche Sigle beauftragt, der die üblichen Stundensätze einer großen Wirtschaftskanzlei abrufen dürfte.
Die Anwälte wollen ihr Geld zurück
Es dürfte nicht dabei bleiben, dass die Mitglieder wissen sollen, wer ihre Kammer was kostet. Spätestens seit Ende 2015 steht aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (v. 9.12.2015, Az. 1= C 6/15) fest, dass Kammern mit Pflichtmitgliedern kein Vermögen bilden dürfen. Einige Industrie- und Handelskammern haben deshalb bereits Gelder an ihre Mitglieder ausgezahlt. Die RAK sträuben sich noch, aber der Druck wird größer.
Nach LTO-Informationen würde im Fall eines Wahlsiegs der Reformer auch in Düsseldorf hohe Priorität genießen, was in Berlin schon jetzt auf der Tagesordnung für die Kammerversammlung am 8. März steht: Das Vermögen der Hauptstadt-RAK soll bis auf eine Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage abgeschmolzen werden, die flüssigen Mittel sollen an die Mitglieder zurückgezahlt werden. Beantragt hat das eine Gruppe von Anwälten, zu der unter anderem das aktuelle Vorstandsmitglied André Feske und das ehemalige Vorstandsmitglied Andreas Jede gehören. Schon in 2017 ist ihrer Ansicht nach rund eine Million zurückzuzahlen, der Rest des Vermögens soll nach ihrer Vorstellung mit den Kammerbeiträgen für 2018 verrechnet werden.
Auch die Kammer Düsseldorf, die zu den größeren in Deutschland gehört, hat ein Millionenvermögen gebildet. Geht es nach den Reformern, werden der Beitrag für das besondere elektronische Anwaltspostfach und der übliche Kammerbeitrag zusammen geführt und das Vermögen auf rund 200.000 Euro abgeschmolzen.
Die Berliner Anwälte gehen indes noch weiter: Ihr Präsident soll dazu verpflichtet werden, in der Hauptversammlung der BRAK darauf hinzuwirken, dass alle Haushalte und die Vermögensaufstellung der BRAK veröffentlicht werden. Zudem soll er dem Präsidium der in weiten Teilen aus den Beiträgen der Regionalkammern finanzierten BRAK keine Entlastung erteilen dürfen, bis die Auflösung von deren Kapitalvermögen beschlossen ist. Allein könnte der Berliner Vertreter die Entlastung, die nicht einstimmig erfolgen muss, allerdings nicht verhindern.
Pia Lorenz, Vor der Kammerversammlung in Düsseldorf: Anwälte wollen neue Strukturen - und ihr Geld zurück . In: Legal Tribune Online, 15.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22106/ (abgerufen am: 08.06.2023 )
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