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BGH zur Werbung von Freiberuflern: Fach­arzt oder Fach­an­walt - nur wenn es stimmt

Gastbeitrag von Martin W. Huff

28.09.2021

Schild "Anwaltskanzlei"

(c) studio v-zwoelf - stock.adobe.com

Wer kein Kieferorthopäde ist, darf nicht mit einer "Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie" werben. Das sei eine Irreführung, so der BGH. Was das Urteil für die Anwaltschaft bedeutet, erklärt Martin W. Huff.

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Die Berufsordnungen sehen nahezu immer spezielle Regeln für die Werbung von Angehörigen der verkammerten freien Berufe vor. Besonders streng sind diese etwa bei Notarinnen und Notare, Steuerberaterinnen und Steuerberatern und den medizinischen Berufen.  

Liberaler geht es mittlerweile in der Anwaltschaft zu. Es gilt das Sachlichkeitsgebot, ansonsten ist die Werbung an keine besonderen Regularien geknüpft. 

Nunmehr hat der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) eine Leitentscheidung zur Werbung von Zahnärztinnen und Zahnärzten veröffentlicht (Urt. v. 29.7.2021, Az. I ZR 114/20). Das Urteil ist nicht nur für diese bedeutsam: Der BGH stellt klar, wie mit besonderen Qualifikationen geworben werden darf, die im Spannungsverhältnis zu von den Kammern verliehenen Bezeichnungen stehen. 

Irreführende Werbung auf der Homepage 

Der Fall: Ein Mann ist seit 30 Jahren als Zahnarzt tätig und arbeitet unter anderem auf dem Gebiet der Kieferorthopädie. 2012 erwarb er in Österreich an einer Universität den Abschluss mit dem Titel "Master of Science Kieferorthopädie (MSc)", den er auch in Deutschland führen darf. Zudem hat er seiner Kammer den Tätigkeitschwerpunkt "Kieferorthopädie" angezeigt. Fachzahnarzt – also Kieferorthopäde – ist er nicht, er darf aber trotzdem kieferorthopädische Leistungen anbieten.  

Die zuständige Zahnärztekammer störte sich insbesondere an dem Internetauftritt des Zahnarztes. Dort waren Begriffe wie "Kieferorthopädie in der X-Straße", "Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie" oder "Kieferorthopädie der x-Zahnärzte" zu lesen. Sie klagte – was sie als Berufskammer darf – gegen ihr Mitglied auf Unterlassung. Sie vertrat die Auffassung, durch diesen Auftritt würden Verbraucherinnen und Verbraucher getäuscht. Diese gingen fälschlicherweise davon aus, der Zahnarzt sei auch Fachzahnarzt für Kieferorthopädie.  

Während das Landgericht (LG) Düsseldorf der Klage stattgegeben hatte (Urt. v. 6.3.2019, Az. 34 O 75/18), hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf als nächste Instanz sie abgewiesen (Urt. v. 18.6.2020, Az. 20 U 35/19).  

"Zumutbare Aufklärung" erforderlich 

Der BGH stellt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil wieder her. Insbesondere die Werbung mit der "Kieferorthopädie in der X-Straße" und "Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie" sei für den Verbraucher irreführend. Die Angabe allerdings, dass die Zahnarztpraxis auch im Bereich der Kieferorthopädie tätig sei, sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche der Wahrheit.  

Wie der Zahnarzt zukünftig werben darf, hat der BGH offengelassen. Etwas kryptisch formuliert er, dass er einem falschen Eindruck durch "zumutbare Aufklärung entgegenwirken" müsse. Dies kann er wohl am besten durch einen Hinweis auf die Zusatzausbildung. Dabei sollte er offenlegen, dass er kein Fachzahnarzt sei, aber über vielfältige Erfahrungen verfüge. Die Formulierungen muss er sorgfältig wählen. 

Das oberste Gericht in Karlsruhe setzte sich in diesem Zusammenhang sehr genau damit auseinander, wie Verbraucherinnen und Verbraucher eine Werbung eines freien Berufs zu verstehen haben. Gemessen wird dies an dem Maßstab des § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Eine Irreführung liegt vor, wenn eine bestimmte Angabe die angesprochenen Verkehrskreise täuscht, diese also von tatsächlich unzutreffenden Umständen ausgehen. 

Hier müsse, so der BGH, immer eine genaue Differenzierung vorgenommen werden, auch im Lichte des Art. 12 GG. Pauschale Urteile oder Vermutungen, wie eine Angabe verstanden werden könnte, dürften eine sorgfältige Prüfung nicht ersetzen.  

Verwechslungsgefahr mit dem Fachzahnarzt 

Zur Vermeidung einer Irreführung müsse der Zahnarzt bei seiner Werbung zwischen den verschiedenen Bezeichnungen unterscheiden. Die verwendeten Begriffe wie "Kieferorthopädie in der X-Straße" seien nah am Fachzahnarzt. In diesem Zusammenhang verweist der BGH auf seine "Spezialistenrechtsprechung" (vgl. etwa BGH, Urt. v. 24.7.2014, Az. I ZR 53/13) zu den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten: Wählen diese selbst die Bezeichnung "Spezialist", sieht er eine Verwechslungsgefahr mit dem durch die Rechtsanwaltskammer verliehenen Fachanwaltstitel. 

Der BGH geht hier weiterhin von mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern aus, die auch ohne genaue Kenntnisse vom jeweiligen Berufsrecht differenzieren können. Es sei "auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers als eines (potentiellen) Patienten" abzustellen, heißt es im Urteil.  

Wenn der Arzt genaue, zutreffende Angaben mache, etwa mit seinem Masterabschluss und seinem Tätigkeitschwerpunkt werbe, sei dies zulässig. Er müsse nur den Eindruck vermeiden, er sei "Kieferorthopäde", also Fachzahnarzt.  

Was bedeutet das für die Werbung von Rechtsanwälten? 

Für die Anwaltschaft bedeutet dies, dass bei der Werbung mit Begriffen in der Nähe zum Fachanwalt entsprechend § 7 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) Vorsicht angebracht ist. Dies gilt nicht nur unter berufsrechtlichen, sondern auch unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten.  

Besonders aufpassen sollte man bei Zusatzbezeichnungen – gerade dann, wenn mit einem "Zertifikat" geworben wird.  

Wie dies funktionieren kann, aber mit welchem Aufwand dies auch verbunden ist, hat gerade die Opferschutzorganisation "Weisser Ring e.V." vorgemacht. Der Verein hat den "zertifizierten Opferanwalt Weisser Ring" geschaffen. Die praktischen und theoretischen Erfahrungen werden vor der Verleihung des Zertifikats überprüft und unterliegen damit nicht lediglich einer Selbsteinschätzung. Ein Blick auf die entsprechenden Voraussetzungen zeigt, dass das Niveau einer Fachanwaltschaft erreicht, wenn nicht sogar übertroffen wird. Die Werbung mit dieser Bezeichnung ist ohne Weiteres erlaubt. 

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BGH zur Werbung von Freiberuflern: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46137 (abgerufen am: 16.06.2025 )

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