Die Regierung hat ein Eckpunktepapier zu einem "Bürokratieentlastungsgesetz" beschlossen und angekündigt das Schriftformerfordernis für gewerbliche Mietverhältnisse zu streichen. Marc Alexander Häger und Caner Ertasoglu sehen das kritisch.
Wer etwa ein Geschäft aufmachen will und hierfür einen gewerblichen Mietvertrag abschließt, plant üblicherweise langfristig für die Zukunft. Die Mietfläche wird ausgestattet und umgebaut, Werbung mit dem neuen Standort betrieben, Personal eingestellt. Doch all diese Investitionen können zunichte gemacht werden, wenn Vermieter und Mieter die eigenhändige Unterschrift vergessen und etwa den Vertrag nur per E-Mail bestätigen.
Denn nach bestehender Rechtslage (§ 550 BGB) müssen Mietverträge schriftlich geschlossen werden, wenn der Mietvertrag für länger als ein Jahr bestehen soll. Dieses strenge Schriftformerfordernis, das grundsätzlich eine im Original von den Mietvertragsparteien unterschriebene Urkunde erfordert, gilt nicht nur für die Mietvertragsurkunde selbst, sondern auch für sämtliche späteren Änderungs- und Nachtragsvereinbarungen (vgl. § 126 BGB – Ausnahmen gelten nur bei qualifizierter elektronischer Signatur, vgl. § 126a BGB).
Wird die Form – sei es auch nur bei späteren Änderungen – nicht eingehalten, gilt der gesamte Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann dann unabhängig von der vereinbarten Laufzeit von beiden Parteien innerhalb der gesetzlichen Fristen (vorzeitig) gekündigt werden.
Diese recht einschneidende Rechtsfolge hat ihre Begründung darin gefunden, dass ein Erwerber des Mietgegenstandes nach § 566 BGB automatisch in ein bestehendes Mietverhältnis eintritt. Hierzu soll der neue Vermieter seine Rechte und Pflichten auch erkennen können. In mietvertragliche Abreden, die nicht schriftlich festgehalten und damit nicht erkennbar sind, tritt ein Erwerber zwar ebenfalls nach § 566 BGB ein. Er soll aber vor ungewollten langfristigen Vereinbarungen in diesem Fall dadurch geschützt sein, dass er das Mietverhältnis – mangels eingehaltener Schriftform – vorzeitig kündigen kann.
Woher kommen die Reformbestrebungen?
Nun möchte die Bundesregierung an das Schriftformerfordernis ran. Sie hat ein Eckpunktepapier zu einem „Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)“ beschlossen, in dem es heißt, das Schriftformerfordernis für Mietverträge über Gewerberäume solle gestrichen werden. Das Erfordernis für Mietverträge ist bereits seit geraumer Zeit in der Diskussion. Kritiker führen zum einen die hohen formalistischen Anforderungen ins Feld. Zum anderen hat die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit bei Schriftformverstößen, die nicht auf den Veräußerungsfall beschränkt ist, in der Beratungspraxis teilweise dazu geführt, dass Schriftformfehler geradezu "gesucht" und zu Verhandlungszwecken auf Seiten einer Partei eingesetzt werden. Dieser Trend mag durch die jüngere BGH-Rechtsprechung zur Wirkungslosigkeit sogenannter Heilungsklauseln noch verstärkt worden sein.
Der Bundesrat hatte daher bereits 2019 beschlossen, einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einzubringen, der im Wesentlichen eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf Veräußerungsfälle vorsah. Die Kündigungsmöglichkeit sollte nur dem Erwerber der Immobilie für einen Zeitraum von drei Monaten ab Kenntnis des Schriftformverstoßes zustehen. Der Mieter und der ehemalige Vermieter sollten hingegen von der Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen sein. Diesen Gesetzesentwurf lehnte der Bundestag ab.
Differenzierter Vorschlag des Bundesjustizministeriums
Einen neuen Lösungsvorschlag lieferte dann 2021 das Bundesjustizministerium mit einem Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht: Nach dem Entwurf soll für Gewerbemietverhältnisse im BGB ein neuer § 578a BGB eingefügt werden, wonach für den Mietvertrag weiterhin das Schriftformerfordernis gelten, für alle Änderungsvereinbarungen (Nachträge) allerdings die Textform ausreichen soll.
Das heißt, es müsste nicht mehr ein einheitliches Dokument unterzeichnet werden, sondern es genügt die Abgabe einer lesbaren Erklärung, die die Person des Erklärenden erkennen lässt. Eine Kündigung soll nach Maßgabe des Entwurfs nur im Falle eines Verstoßes des Mietvertrags gegen das Schriftformerfordernis möglich sein. Verstöße gegen die für Änderungsvereinbarungen geltende Textform (also etwa Unerkennbarkeit des Adressaten einer Email) sollen hingegen „nur“ zur Nichtigkeit der entsprechenden Änderungsvereinbarung, nicht jedoch zur Kündbarkeit des Mietvertrags im Übrigen führen. Die Erwägungen aus dem Diskussionsentwurf sind bisher nicht in einen Gesetzesentwurf geflossen.
Doch anders als der differenzierte Entwurf des Bundesjustizministeriums, spricht das Eckpunktepapier der Bundesregierung bislang recht pauschal von der Streichung des Schriftformerfordernisses.
Welche Vorteile würde eine Streichung des Schriftformerfordernisses für Gewerberaummietverhältnisse bringen?
Eine vollständige Streichung des Schriftformerfordernisses für Gewerberaummietverträge würde die bestehenden hohen formalen Hürden beim Abschluss langfristiger Mietverträge beseitigen und den Abschluss dadurch erheblich vereinfachen und „entbürokratisieren“. Der in der Praxis vielfach bereits gehandhabte Austausch von elektronischen Fassungen wie Scans, insbesondere per E-Mail, wäre dann ohne Sorgen vor möglichen Formverstößen ohne Weiteres möglich. In anderen langfristigen Vertragsverhältnissen ist das seit langem Standard.
Die häufig und gerade alten und langfristigen Mietverhältnissen innewohnenden Schriftform- und daraus resultierenden Kündigungsrisiken für die Parteien würden ebenso entfallen – je nach Ausgestaltung der neuen gesetzlichen Regelung sogar rückwirkend für bestehende Mietverträge, wenn eine Kündigung nicht schon erklärt ist – so war die Neuregelung bereits in dem Entwurf des Bundesrats angelegt.
Was spricht gegen die Streichung?
Allerdings darf nicht verkannt werden, dass das in § 550 BGB verankerte Schriftformerfordernis über die viel diskutierten Kündigungs- und Formfragen hinausgeht. So kam und kommt dem Schriftformerfordernis vor allem eine Beweisfunktion zu, die nicht nur in mietrechtlichen Auseinandersetzungen die Prozessführung vereinfacht, sondern vor allem im Hinblick auf den weiter möglichen gesetzlichen Eintritt eines Erwerbers in bestehende Mietverträge zwingend erscheint.
Denn käme es tatsächlich zu einer ersatzlosen Streichung des Schriftformerfordernisses, auch ohne Erfordernis der Textform, und damit einer völligen Formfreiheit, könnten Mietverträge, auch langfristig, mündlich geschlossen werden. Das mag in der mietvertraglichen Praxis nicht häufig vorkommen, zumal die Parteien ein eigenes Interesse an einer schriftlichen Niederlegung ihrer Vereinbarungen haben werden.
Dennoch entfiele ein etablierter Kontrollmechanismus, der gerade bei späteren Änderungen des Mietvertrages nicht zu vernachlässigen ist. Im Ergebnis müsste ein Immobilienerwerber mit dem Risiko umgehen, von unbekannten Mietvertragsinhalten überrascht zu werden, selbst wenn ihm der Ausgangsmietvertrag noch vorgelegt wurde. Das ist zwar auch nach heute geltender Rechtslage so. Allerdings haben Erwerber in diesen Fällen durch die aus dem Formverstoß entstehende Kündigungsmöglichkeit ein starkes Argument gegen bislang unbekannte Forderungen des Mieters.
Alternativen liegen auf dem Tisch
Noch ist unklar, ob und wie die Bundesregierung den pauschal und fast beiläufig angekündigten Wegfall des Schriftformerfordernisses für Gewerberaummietverhältnisse umsetzen wird. Kommt es tatsächlich zu einer ersatzlosen Streichung des Schriftformerfordernisses bei langfristigen Mietverträgen, dürften die damit entstehenden Unsicherheiten allerdings die vermeintlichen Vorteile einer grundsätzlich zu begrüßenden Entbürokratisierung überwiegen.
Das gilt umso mehr, als den verfolgten Zielen der Bürokratieentlastung auch anders Rechnung getragen werden kann: So könnten die Formerfordernisse z. B. auf die der gewillkürten Schriftform (§ 127 BGB) „abgesenkt“ werden, die auch eine telekommunikative Übermittlung erlaubt (§ 127 Abs. 2 BGB). Vertretbar erscheint auch die im Diskussionsentwurf ins Feld geführte Textform ausreichen zu lassen. Etwaigen Fallgestaltungen, in denen Formfehler bewusst ausgenutzt werden, könnte dadurch begegnet werden, dass die Kündigungsfolge auf Erwerbsvorgänge beschränkt wird. Diesen Vorschlag sah der Entwurf des Bundesrats in der letzten Legislaturperiode bereits vor.
Um Formverstöße im laufenden Mietverhältnis nicht sanktionslos zu lassen, könnte eine Heilungsverpflichtung eingeführt werden – ganz ähnlich den ohnehin in der Praxis lange Zeit üblichen – aber von der Rechtsprechung beanstandeten – Heilungsklauseln. Für eine ersatzlose Streichung des Schriftformerfordernisses gibt es daher keinen Grund.
Marc Alexander Häger, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner, Caner Ertasoglu Rechtsanwalt bei Oppenhoff im Bereich Immobilienwirtschaftsrecht.
Geplanter Wegfall der Schriftform bei Gewerbemieten: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52833 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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