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Verfassungsklagen von ARD & Co.: Gute Chancen für die Sender

von Dr. Christian Rath

08.12.2020

Briefköpfe von Anschreiben des Beitragsservices

nmann77 - stock.adobe.com

Das BVerfG wird die verweigerte Erhöhung des Rundfunkbeitrags wohl beanstanden. Da Sachsen-Anhalt keine Begründung für seine Weigerung liefert, dürften die Sender in Karlsruhe leichtes Spiel haben, meint Christian Rath.

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Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist auf politischem Wege zunächstgescheitert. Deshalb werden die Rundfunkanstalten versuchen, sie beimBundesverfassungsgericht (BVerfG) durchzusetzen - mit guten Chancen.

Möglicherweise ist dies sogar der Hintergedanke von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Indem er in Sachsen-Anhalt die drohende gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags verhindert, rettet er seine Koalition mit SPD und Grünen. Den Sendern öffnet er damit aber den Weg zum BVerfG, das sich schon lange als rechtlicher Schutzpatron des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht.

Plus 86 Cent

Bisher heißt es in § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags: "Die Höhe des Rundfunkbeitrags wird auf monatlich 17,50 Euro festgesetzt." Im umstrittenen "Ersten Medienänderungsstaatsvertrag" soll die Zahl "17,50" durch die Zahl "18,36" ersetzt werden. Es geht also um eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent pro Monat.

Die Summe ergab sich aus einer Prüfung der "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" (KEF). Die KEF hatte im Februar in einem 421-seitgen Bericht festgestellt, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio in den nächsten vier Jahren (2021 bis 2024) einen Finanzbedarf von insgesamt 38,7 Milliarden Euro haben. Weil 1,5 Mrd. Euro ungedeckt sind, schlug die KEF eine monatliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent vor. Die Rundfunkanstalten hatten die Unterdeckung doppelt so hoch gesehen, bei drei Milliarden Euro.

Im März haben alle Ministerpräsidenten einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent zugestimmt, nur Haseloff aus Sachsen-Anhalt hatte sich enthalten. Den Staatsvertrag unterschrieb er im Juni dann trotzdem - allerdings mit dem Zusatz "Diese Unterschrift dient dazu, die den 16 Länderparlamenten obliegende Entscheidung zu ermöglichen." Er gab also den Schwarzen Peter weiter, insbesondere an seinen eigenen Landtag.

Inzwischen haben zwölf Landtage zugestimmt, in drei weiteren werden keine Probleme erwartet, nur Sachsan-Anhalt wird am Ende fehlen. Der Verzicht auf eine Abstimmung über die Erhöhung hat am Ende die gleiche Wirkung wie ein Nein.

Der Magdeburger Landtag könnte die Abstimmung auch nicht im nächsten Jahr nachholen, zum Beispiel nach der Landtagswahl im Juni. Denn der Staatsvertrag enthält in Art. 2 Abs. 2 eine klare Klausel: Wenn nicht alle Landtage bis zum Jahresende ratifiziert haben, "wird der Staatsvertrag gegenstandslos." Dann bliebe es also bei der monatlichen Gebühr von 17,50 Euro.

Die Vorgaben aus Karlsruhe

Dagegen werden die ARD-Anstalten, das ZDF und auch das Deutschlandradio Verfassungsbeschwerden einlegen. Das kündigten sie am Dienstagnachmittag in getrennten Erklärungen an. Möglicherweise werden sie noch dieses Jahr auch Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen, um eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags wie geplant im Januar zu erreichen.

Die Sender haben dabei gute Chancen, denn das derzeitige System zur Bestimmung der Höhe der Rundfunkfinanzierung hat das BVerfG 1994 selbst vorgegeben. Damals ging es zwar noch um die Rundfunkgebühr (die sich auf ein empfangsbereites Rundfunkgerät bezog), während der jetzige Rundfunkbeitrag jeden Inhaber einer Wohnung trifft. Die Probleme bei der Festlegung der Höhe sind aber die gleichen.

In seinem ersten Rundfunkfinanzierungsurteil hat das BVerfG (Urt. v. 22.02.1994, Az.: 1 BvL 30/88) ein System etabliert, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlichen Mittel gewährleistet und ihn gleichzeitig "vor Einflußnahmen auf das Programm wirksam sichert".

Im Zentrum steht dabei das bereits seit 1975 bestehende Expertengremium KEF. Während die KEF-Empfehlungen bisher nur als "Entscheidungshilfen" für die Politik galten, sollten sie künftig rechtliche Qualität haben und grundsätzlich verbindlich sein. Der KEF gehören 16 unabhängige Sachverständige verschiedener Gebiete an. Jedes Bundesland benennt eine Person. Vorsitzender ist derzeit Heinz Fischer-Heidlberger, ehemaliger Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofs.

Das BVerfG hat damals ein dreistufiges System vorgegeben: Danach melden die öffentlich-rechtlichen Sender alle vier Jahre ihren Finanzbedaraf an. Die Wünsche der Sender werden dann von der
KEF geprüft. Halten sie sich im Rahmen des Programmauftrags, beachten sie die Gebote der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit? Die Feststellung des Finanzbedarfs durch die KEF ist für die Politik
weitgehend verbindlich.

Abweichungen sind zwar aus sozialen Gründen möglich, um die Bürger nicht zu überfordern, so Karlsruhe. Auf keinen Fall darf die Rundfunkfinanzierung aber für Zwecke der Programmlenkung und der
Medienpolitik eingesetzt werden. Jede Abweichung von der KEF-Empfehlung muss ausführlich begründet und kann vom BVerfG geprüft werden.

Präzedenzfall 2007

Dass Karlsruhe seine Vorgaben ernst meint, zeigte es 2007 (Urt. v. 11.09.2007, Az.: 1 BvR 2270/05). Auf Klage der Sender, stellte das Gericht fest, dass die Ministerpräsidenten die Rechte von ARD & Co. verletzt hatten. Damals hatten die Länder den KEF-Vorschlag von "plus 1,09 Euro" gemeinsam auf "plus 88 Cent" reduziert.

Die Länder hatten zur Begründung unter anderem auf die "angespannte wirtschaftliche Lage" verwiesen. Ob dies genügt, ließ der Erste Senat des BVerfG damals offen, weil jedenfalls die weiteren Gründe nicht den Anforderungen genügten. So hatten die Länder argumentiert, es gebe noch mehr Sparpotenzial und mehr Einnahmemöglichkeiten als von der KEF gesehen. Doch das hielten die Richter für nicht ausreichend belegt. Medienpolitische Begründungen, wie die Rücksichtnahme auf private Fernsehsender, ließen die Richter schon im Ansatz nicht gelten.

Die Sender erhielten dann zwar nicht mehr Geld, weil die Rundfunkgebühren nicht nachträglich erhöht werden konnten und 2009 schon die nächste Erhöhungsrunde anstand. Das Gericht räumte dem
öffentlich-rechtlichen Rundfunk damals aber immerhin eine - noch viel wichtigere - Entwicklungsgarantie für neue Verbreitungsformen ein, insbesondere für das Internet.

2020: Ohne Beschluss und ohne Begründung

Wenn man den Präzedenzfall mit der aktuellen Causa Sachsen-Anhalt vergleicht, fällt zweierlei auf.

Damals waren sich alle Länder einig, diesmal weicht nur ein Land ab. Und damals gab es ausführliche Begründungen, diesmal kann es mangels Beschlussfassung gar keine offizielle Begründung geben.

Es ist also kaum anzunehmen, dass es das BVerfG akzeptieren wird, wenn ein Land allein ohne Beschluss und ohne Begründung die von der KEF für notwendig gehaltene Erhöhung des
Rundfunkbeitrags verhindert.

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Verfassungsklagen von ARD & Co.: . In: Legal Tribune Online, 08.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43676 (abgerufen am: 18.05.2025 )

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