Während man in den 90ern noch einen Stefan Raab benötigte, um Kuriositäten wie den "Maschendrahtzaun" in Massenphänomene zu verwandeln, werden in Zeiten von Social Media unfreiwillige Stars viral gekürt. "Mems" nennen sich die Parodien, Hommagen oder Blödeleien, die oft eine große Eigendynamik entwickeln. Doch nicht alles, was lustig ist, ist erlaubt; Markus Kompa skizziert die Risiken der digitalen Dauerbrenner.
Wer kennt sie nicht, jene Internet-Gags wie "Kim Jong-il Looking at Things" oder das "Rickrollen"? Was die Leute witzig finden, wird sofort auf Facebook und Twitter geteilt, in Blogs gepostet, per Fotoshop oder gar in eigenen YouTube-Videos verfremdet und verulkt. Als Ronald Pofalla kürzlich den NSA-Skandal für "beendet" erklärte, folgte die Häme hierauf binnen Minuten. Doch die Freiheit, sich im Internet über Halbgötter und die Welt lustig zu machen, kann durchaus teuer werden.
Die geringste Gefahr droht bei Mems vom Markenrecht, denn das Markengesetz (MarkenG) gilt gemäß seinem § 14 nur für Nutzung im "geschäftlichen Verkehr". Der ist aber bei der nichtkommerziellen Verwendung von Markennamen zum Zwecke gegenseitiger Unterhaltung gerade nicht betroffen. Sofern die Verballhornung von Marken nicht gerade der Verkaufsförderung von Konkurrenzprodukten dienen soll, müssen Markeninhaber Spott ertragen.
Ähnliches gilt für das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), dessen Anwendungsbereich nach § 3 zwar schon dann eröffnet sein kann, wenn Mems geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Das werden sie jedoch nur in den seltensten Fällen tun, und selbst dann dürfte ihre Verwendung meist durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz (GG) gedeckt sein (vgl. Bundesgerichtshof, Urt. v. 03.06.1986, Az. VI ZR 102/85).
Wie für Privatpersonen gilt allerdings auch für Firmen grundsätzlich der zivilrechtliche Ehrschutz. Enthält ein Mem etwa unzutreffende und ehrverletzende Tatsachenbehauptungen über ein Unternehmen, kann dieses auf Unterlassung klagen und einen etwaig entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Das Begehren großer Unternehmen, die Meinungsfreiheit zu beschneiden, geht manchmal sehr weit. So klagte 2010 ein Konzern gegen die Bezeichnung seines Produkts als "Gen-milch" durch Greenpeace bis zum Bundesverfassungsgericht, obwohl die Kühe durchaus genverändertes Futtermittel fraßen.
Urheberrecht bereits bei "Durchscheinen" des Originals tangiert
Mems basieren häufig auf fremden Werken, oft Fotos oder Filmausschnitten, die mit Kommentaren oder Fotomontagen verfremdet werden, so etwa bei Boromir. Die Gestalt weist im Film "Der Herr der Ringe" mit ernster Miene darauf hin, dass man nicht einfach nach Mordor hineinspazieren könne, erteilt in seiner Abwandlung als Mem jedoch auch alle möglichen anderen, mehr oder weniger ernst gemeinten Ratschläge.
Doch die meisten Fotos unterliegen dem Urheberrecht, das effizient durchgesetzt werden kann. Zwar erlaubt das deutsche Urheberrecht durchaus, ein bereits bestehendes Werk aufzugreifen und umzugestalten. Eine sogenannte "freie Benutzung" ist nach § 24 Urheberrechtsgesetz (UrhG) aber nur dann ohne Zustimmung des Urhebers zulässig, wenn die neue Schöpfung künstlerisch so eigenständig ist, dass das benutzte Werk nicht "durchscheint".
Das aber ist bei Mems regelmäßig der Fall, da sie ja gerade vom Wiedererkennungswert des zugrundeliegenden Werks leben. Eine unwesentliche Verfremdung oder bloße Collage, etwa in einem Mash-Up, reichen nicht aus, um auf das Zustimmungserfordernis verzichten zu können. Bei Fotos etwa nimmt die Rechtsprechung ein "Durchscheinen" selbst dann an, wenn ein Bildmotiv aufgrund seiner Silhouette erkannt werden kann. Die Ausnahmeregelung des § 24 UrhG hilft daher nur selten.
Kein Recht auf Remix
Ein Ausweg wäre das Zitatrecht nach §§ 55ff. UrhG, das gestattet, ein fremdes Werk in dem Maße zu reproduzieren, in dem dies zur geistigen Auseinandersetzung damit erforderlich ist. Eine Satire kann einen tragfähigen Anlass begründen, dem Publikum zunächst das Original vorzuführen. Allerdings benötigt ein korrektes Zitat nach § 63 UrhG auch eine Quellenangabe, was vermutlich die meisten Spaßvögel überfordert und schlichtweg unpraktikabel ist.
Ein "Recht auf Remix" gibt es derzeit nicht und lässt sich auch nicht ohne weiteres aus der grundrechtlich geschützten Meinungs- oder Kunstfreiheit herleiten, sondern bedürfte wohl einer – nach Einschätzung dieses Autors überfälligen – Gesetzesänderung. Auf der sicheren Seite ist man hingegen mit Werken, die unter einer Creative Commons-Lizenz stehen, welche Verwendung, Bearbeitung und Umgestaltung ausdrücklich erlaubt.
Für Fotografen und andere Urheber ist der Gang zum Anwalt besonders attraktiv, weil diese nicht nur Unterlassung durchsetzen können, sondern für die eigenmächtige Nutzung auch ein Honorar beanspruchen dürfen, unabhängig davon, ob bei ihnen ein Schaden oder beim Verletzer ein Gewinn entstanden ist. Die Höhe des Honorars wird von den Gerichten geschätzt.
Sofern man kein fremdes Originalmaterial benutzt, sondern nur Ideen aufgreift, werden Urheberrechte nicht verletzt. Auch Künstler müssen es sich gefallen lassen, dass man sich mit ihren Werken kreativ auseinandersetzt. Das bloße Nachspielen von Szenen ist vom Grundrecht auf Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt, denn auch etwa Satiren sind Meinungsäußerungen. Setzt man beim Nachstellen berühmter Filmszenen allerdings perfekte Doppelgänger ein, liegt möglicherweise ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte vor (vgl. Bundesgerichtshof, Urt. v. 01.12.1999, Az. I ZR 226/97).
2/2: Persönlichkeitsrechte als scharfes Schwert
Ein scharfes Schwert wird Betroffenen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie Sonderpersönlichkeitsrechten in die Hand gegeben. Grundsätzlich muss es sich niemand bieten lassen, unfreiwillig in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, etwa durch Nennung seines Namens oder Abbildung seines Gesichts in einem diffamierenden Kontext.
Prominentestes Beispiel für solche Häme ist das "Star Wars Kid", ein pummeliger, etwas nerdiger Junge, der sich 2002 beim Nachstellen einer Szene von "Episode I" filmte und im Internet unfreiwilligen Legendenstatus erlangte. Das Mem wurde in bekannten TV-Produktionen aufgegriffen und gehört nicht nur in den USA zur Populärkultur. Der millionenfach geklickte Junge litt unter dem viralen Spott so sehr, dass er sich in psychiatrische Behandlung begab und schließlich selbst Jurist wurde.
Nach deutschem Recht hätte das Star Wars Kid sein Recht auf Anonymität beanspruchen können. Insbesondere die öffentliche Wiedergabe der Gesichtszüge eines Menschen bedarf grundsätzlich dessen Einwilligung nach §§ 22 ff. des Kunst- und Urheberrechtsgesetzes (KunstUrhG). Ausnahmen bestehen dann, wenn etwa ein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegt oder aber die Wiedergabe einem "höheren Interesse der Kunst" dient. Zeitgeschichtliche Ereignisse lassen sich jedoch außerhalb politisch relevanter Sachverhalte, einschneidender Geschehnisse und Prominenz des Abgebildeten häufig nur schwer begründen; ein "höheres Interesse der Kunst" spielt im Rechtsalltag kaum eine Rolle.
Bei der Verhohnepipelung von Privatleuten kann es daher schnell teuer werden. Die Unterlassungsansprüche müssen allerdings regelmäßig mit dem Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG abgewogen werden. Wird mit dem Mem plakativ eine politische Aussage transportiert, die eine in der Öffentlichkeit stehende Person betrifft, muss diese sich einiges bieten lassen.
Schutz auch für Internetprominenz – der Technoviking
Wer durch ein Mem berühmt wurde, kann seine Persönlichkeitsrechte auch noch Jahre später geltend machen. Aktuelles Beispiel ist der "Technoviking". Jener Herr hatte bei der im Jahr 2000 stattfindenden "Fuck Parade" mit entblößtem Oberkörper, stoischer Miene und einem denkbar coolen Tanzstil Maßstäbe für Männlichkeit gesetzt. Der barbarisch wirkende Hüne war spontan von einem Künstler gefilmt worden, der ihn allerdings erst Jahre später bekannt machte und schließlich sogar Merchandising-Artikel wie T-Shirts und Tassen verkaufte. Der zum Kult gewordene Tänzer wurde vielfach parodiert und weckte schließlich das Interesse von TV-Müllmann Raab.
Nach ein paar Jahren hatte der Technoviking dann genug und klagte am Landgericht (LG) Berlin auf Unterlassung, Herausgabe der durch Vermarktung seiner Person erwirtschafteten Gewinne sowie eine von den Gerichten entwickelte Geldentschädigung wegen Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht (vulgo: "Schmerzensgeld"). Das Gericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und sprach dem Kläger auch die Einnahmen zu, die etwa durch die Nutzung auf YouTube generiert wurden. Eine eigenständige Geldentschädigung wegen des angeblich schweren Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht sah das Gericht jedoch als unschlüssig an, weil der Kläger den Künstler über Jahre gewähren ließ, bevor er etwas unternahm (LG Berlin, Urt. v. 30.05.2013, Az. 27 O 632/12). Der verklagte Filmemacher und seine Fans hingegen bewerten das Urteil als Kulturverbrechen und wollen ihr Glück in der nächsten Instanz versuchen. Das Verfahren soll über internationales Crowdfunding finanziert werden.
Das Bestehen rechtlicher Möglichkeiten bietet allerdings keine Gewähr dafür, dass das Begehren auf praktischer Ebene tatsächlich durchgesetzt werden kann. Speziell im Internet, das konstruktionsbedingt Hindernisse als Fehler interpretiert und umgeht, regiert der Streisand-Effekt. Wer Äußerungen verbergen möchte, muss damit rechnen, dass er hierdurch erst recht Aufmerksamkeit auf sich zieht und seinem Anliegen einen Bärendienst erweist. Eine zivilrechtlich lückenlose "Zensur" des Internets, das im Ausland über Oasen mit weitem Verständnis von Meinungsfreiheit verfügt, gibt es nicht. Gerade bei Mems, die bereits ein verbreitetes Massenphänomen geworden sind, erscheint die begehrte Rechtsdurchsetzung häufig eher als unsportliche Gängelung.
Markus Kompa ist Rechtsanwalt mit Spezialgebiet digitale Meinungsfreiheit. Er berät Blogger, Whistleblower und Journalisten und kandidiert für die Piratenpartei für den Bundestag.
Markus Kompa, Rechtliche Probleme mit viralen Witzen im Netz: Mimimi mit Mems . In: Legal Tribune Online, 17.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9378/ (abgerufen am: 28.09.2023 )
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