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Malta will EU-Bürgerschaft verkaufen: Nicht ganz loyal

von Claudia Kornmeier

15.11.2013

Maltesische Flagge

© ollirg - Fotolia.com

Für 650.000 Euro kann man wohl bald Malteser werden. Interessant ist das vor allem für Nicht-EU-Bürger, die mit dem maltesischen Pass nämlich zugleich die Unionsbürgerschaft bekommen. Aber müssen die anderen Mitgliedstaaten diese neuen maltesischen Pässe so ohne weiteres anerkennen?

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Manchem Deutschem mag es nicht gefallen, aber seit 1992 sieht sein Pass genauso aus wie der eines Franzosen: irgendetwas zwischen dunkelrot und lila, noch über dem Namen des Heimatlandes prangen die Worte "Europäische Union". Wir alle sind jetzt nämlich Unionsbürger.

Zurück geht das auf den Vertrag von Maastricht. Seitdem ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Aktuell ist dies in Art. 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU geregelt. Die Unionsbürgerschaft ersetzt die nationale Staatsbürgerschaft nicht, sie verleiht vielmehr zusätzliche, durch die EU-Verträge garantierte Rechte. Nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist dies insbesondere das Recht, sich in jedem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Verleihung der Staatsangehörigkeit ist ureigenes Recht der Staaten

Da es aber ein ureigenes Recht eines Staates ist, selbst darüber zu entscheiden, wer Bürger seines Landes ist, fügten die Mitgliedstaaten dem Vertrag von Maastricht noch eine gesonderte Erklärung an. Darin bestimmen sie ausdrücklich, dass sich die Frage, wer welchem Mitgliedstaat angehört, nach wie vor allein nach nationalem Recht richtet.

"Das entspricht den Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts, wonach jeder Staat als Ausfluss seiner Personalhoheit weitgehend frei entscheiden kann, wem und unter welchen Voraussetzungen er seine Staatsangehörigkeit verleiht und entzieht", erklärt der Augsburger Juraprofessor Ferdinand Wollenschläger, der mit einer Arbeit zur Unionsbürgerschaft promoviert wurde.

Wegen der akzessorischen Ausgestaltung der Unionsbürgerschaft bedeutet dies, dass ein Staat zugleich auch den Kreis der Unionsbürger mitdefiniert. Mit Blick auf die Rechte, die Unionsbürger in anderen Mitgliedstaaten genießen, ist das nicht unproblematisch. "Daher kann Malta mit Wirkung für die anderen EU-Staaten nicht unbegrenzt seine Staatsangehörigkeit verleihen", sagt Wollenschläger und erinnert an ein altes Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) aus dem Jahre 1955, den Nottebohm-Fall.

Europarechtler: Malta würde gegen Loyalitätspflicht verstoßen

Liechtenstein verlieh 1939 dem Deutschen Friedrich Nottebohm die Staatsangehörigkeit des Fürstentums. Guatemala, wo Nottebohm seit 1905 lebte, wollte das nicht anerkennen. Muss es auch nicht, wenn der neue Staatsangehörige keine "genuine connection" zu seinem neuen Heimatstaat hat – also keine hinreichend enge Beziehung.

Eine entsprechende Beschränkung folge auch aus dem Unionsrecht, so Wollenschläger. "Mit dem Verkauf seiner Staatsbürgerschaft würde Malta gegen seine Loyalitätspflicht gegenüber den anderen Mitgliedstaaten verstoßen."

Die EU-Kommission geht übereinstimmenden Medienberichten zufolge aktuell dennoch davon aus, nichts gegen die Pläne Maltas tun zu können. Das sieht Wollenschläger anders, wenngleich er die Kommission nicht für verpflichtet hält, zu handeln: "Sicherlich könnte sie ein Vertragsverletzungsverfahren prüfen. Hinsichtlich dessen Einleitung kommt ihr jedoch ein Ermessen zu, in dessen Rahmen die politische Sensibilität von Staatsangehörigkeitsfragen zu berücksichtigen ist. Überdies stellt sich die Frage, ob die Loyalitätspflicht schon bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit oder erst bei deren Anerkennung durch andere Mitgliedstaaten zum Tragen kommt."

GG "kein staatsangehörigkeitsrechtliches Neutrum"

Grundsätzlich ist übrigens auch der deutsche Gesetzgeber frei, das deutsche Staatsvolk zu definieren. Sollten Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen also nicht nur die doppelte Staatsbürgerschaft, sondern gleich auch die Übernahme der maltesischen Geschäftsidee diskutieren?

Inwieweit das Grundgesetz (GG) dem Gesetzgeber gewisse Grundvorstellungen über die Zusammensetzung des deutschen Staatsvolks nahelegt, beantworten Verfassungsrechtler nicht eindeutig. Das Grundgesetz ist "kein staatsangehörigkeitsrechtliches Neutrum". Es verweist auf Abstammung, Sprache und Kulturgemeinschaft als Leitplanken für den Gesetzgeber, schreibt etwa der Ministerialrat im Bundesinnenministerium Thomas Gnatzy in einem GG-Kommentar.

Ein Verkauf deutscher Pässe würde sicherlich nicht nur ihm missfallen.

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Claudia Kornmeier, Malta will EU-Bürgerschaft verkaufen: Nicht ganz loyal . In: Legal Tribune Online, 15.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10061/ (abgerufen am: 04.10.2023 )

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