Die Künstlersozialabgabe ist vielen Anwälten unbekannt oder wird ignoriert. Florian Sperling zeigt, warum fast jede Kanzlei abgabepflichtig ist und wegen einer gesetzlichen Verschärfung der Betriebsprüfungen eine böse Überraschung droht.
Die Künstlersozialabgabe betrifft alle Unternehmer, die selbstständige Künstler oder Publizisten mit kreativen Leistungen beauftragen. Heutzutage hat jede Anwaltskanzlei, die etwas auf sich hält, eine Website, schicke Visitenkarten, vielleicht auch eine Imagebroschüre oder ähnliches. In aller Regel sind es selbstständige Kreative, wie zum Beispiel Webdesigner, die diese Leistungen erbringen. Deshalb sind auch die meisten Anwälte abgabepflichtig.
Die Künstlersozialabgabe wird von der Künstlersozialkasse (KSK) auf alle in einem Kalenderjahr an selbstständige Künstler oder Publizisten gezahlten Netto-Entgelte erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich neu festgesetzt. Für 2015 und 2016 beträgt er 5,2 Prozent.
Abgabepflichtig sind zum einen typische Verwerter, die mit Kreativleistungen ihr Geld machen, wie etwa Buch- und Presseverlage, Filmproduzenten, Werbeagenturen und Theater. Zur Kasse gebeten werden aber auch die sogenannten "Eigenwerber", die für ihr eigenes Unternehmen Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei regelmäßig Aufträge an selbstständige Kreative erteilen.
Begriff der Kunst wird großzügig ausgelegt
Laut Bundessozialgericht (BSG) können schon ein bis zwei Beauftragungen von Kreativen pro Jahr für das Entstehen einer Abgabepflicht ausreichen.
Dabei wird auch der Begriff der Kunst sehr großzügig ausgelegt, es ist nämlich keine bestimmte künstlerische Qualität erforderlich. So hat das BSG etwa das Vorführen von Damenunterwäsche oder die Tätigkeit von Dieter Bohlen als Juror von "Deutschland sucht den Superstar" als "künstlerisch" eingestuft.
Die Abgrenzung zwischen künstlerischen und nicht-künstlerischen Leistungen ist häufig schwierig. Eine kleine Hilfestellung bietet der Künstlerkatalog der KSK. Letztlich kommt es aber immer – der Jurist kennt das – auf die berühmten Umstände des Einzelfalls an.
Generell sind bei Anwälten vor allem Zahlungen an Webdesigner, Werbegrafiker und -texter, Fotografen und PR-Agenturen kritisch. Kleiner Lichtblick: Bei Zahlungen an juristische Personen, an eine OHG oder KG fällt keine Abgabe an. Ist also zum Beispiel die mit der Erstellung der Website beauftragte Werbeagentur eine GmbH, ist keine Künstlersozialabgabe zu zahlen. Anders dagegen, wenn sie als GbR firmiert.
Außerdem gibt es eine Bagatellgrenze: Wer im Jahr nicht mehr als 450 Euro netto an selbstständige Kreative gezahlt hat, muss darauf keine Künstlersozialabgabe abführen.
2/2: Betriebsprüfungen wurden verschärft
Nun ist die Künstlersozialabgabe an sich kein neues Thema, sie existiert seit über 30 Jahren. Neu ist aber, dass die Abführung der Abgabe inzwischen konsequent kontrolliert wird.
Da nämlich viele Unternehmen – teils aus Kalkül, größtenteils aber aus bloßer Unwissenheit – die Künstlersozialabgabe jahrelang nicht ordnungsgemäß abgeführt hatten, sah die Bundesregierung Handlungsbedarf. Mit dem zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz wurden die Betriebsprüfungen durch die Rentenversicherung in puncto Künstlersozialabgabe drastisch verschärft.
Bei Unternehmen, die bereits bei der KSK erfasst sind, und Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten findet die Betriebsprüfung nun zwingend mindestens alle vier Jahre statt. Die übrigen Unternehmen sollen im Schnitt alle zehn Jahre geprüft werden. Statt wie bisher rund 70.000 Künstlersozialabgabe-Prüfungen pro Jahr werden künftig rund 400.000 Prüfungen jährlich stattfinden.
Das neue Gesetz hat seine Wirkung nicht verfehlt: Laut Angaben der Deutschen Rentenversicherung haben die schärferen Kontrollen allein im ersten Halbjahr 2015 zu Nachforderungen von mehr als 9,2 Millionen Euro geführt.
Mit anderen Worten: Die Zeiten, in denen man sich mit etwas Glück erfolgreich um die Künstlersozialabgabe drücken konnte, sind definitiv vorbei. Bei nicht ordnungsgemäßer Meldung und Abführung drohen Nachzahlungen für die letzten fünf Jahre, Säumniszuschläge und gegebenenfalls sogar ein Bußgeld.
Was zu tun ist
Will der Anwalt böse Überraschungen bei der nächsten Betriebsprüfung vermeiden, sollte er sich auf jeden Fall in einem ersten Schritt proaktiv bei der KSK anmelden. Dabei muss er in Kauf nehmen, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Nachzahlungen für die letzten fünf Jahre führt. Eine Art Amnestieregelung bei freiwilliger Selbstanzeige gibt es leider nicht.
In Zukunft muss die Kanzlei dann die in einem Kalenderjahr insgesamt an selbstständige Kreative gezahlten Entgelte bis spätestens zum 31. März des Folgejahres an die KSK melden. Diese setzt dann die endgültige Künstlersozialabgabe und die Vorauszahlungen für das laufende Jahr fest.
Und wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, der Prüfer also schon da war und ein Nachzahlungsbescheid ins Haus geflattert ist? Dann lohnt es sich unter Umständen, Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen.
Vielleicht hat der Prüfer ja die Zahlungen an einen Webdesigner als abgabepflichtig eingestuft, obwohl der auf der Website nur ab und zu ein paar Fotos und Texte austauscht oder Sicherheitsupdates aufspielt. Und das ist schließlich keine Kunst. Oder etwa doch?
Der Autor Dr. Florian Sperling ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der auf Urheber- und Medienrecht ausgerichteten Kanzlei Lausen Rechtsanwälte in München. Er ist auf das Thema Künstlersozialabgabe spezialisiert und hält dazu Seminare bei der Akademie der Deutschen Medien.
Dr. Florian Sperling, Verschärfung der Betriebsprüfungen: Künstlersozialabgabe – auch Kanzleien müssen zahlen . In: Legal Tribune Online, 03.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18662/ (abgerufen am: 27.09.2023 )
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