Druckversion
Donnerstag, 7.12.2023, 14:34 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/internet-nacktbilder-intimspaehre/
Fenster schließen
Artikel drucken
15384

Nacktbilder im Netz : Das Geschäft mit der Scham und die zu teure Rache

von Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec.

29.04.2015

Geschockt (Symbolbild)

© Ana Blazic Pavlovic - Fotolia.com

Ein ehemaliger WissMit der Uni Köln soll Nacktbilder von Studentinnen ins Netz gestellt haben. Ein Amerikaner, der sie selbst eingestellt hatte, entfernte Nacktbilder gegen Geld. Und manchmal reicht der enttäuschte Ex für den wohl größten denkbaren Eingriff in die Intimsphäre. Der kann die Täter aber extrem teuer zu stehen kommen. Und das nicht nur finanziell, erklärt Niklas Haberkamm.

Anzeige

USA: 18 Jahre Haft für das Geschäft mit der Scham

Aktuell sorgt ein Fall in den USA für Aufsehen, in welchem ein 28-jähriger Mann Nacktaufnahmen Dritter im Internet veröffentlichte und diese nur gegen Bezahlung wieder entfernte. Dem Mann ging es nicht nur um die Bloßstellung der Nackten, sondern um ein Geschäftsmodell: Auf der Internetseite ugotposted.com veröffentlichte er intime Fotos von Männern und Frauen, die er von deren  ehemaligen Partnern bekam.

Die Persönlichkeitsrechtsverletzungen waren besonders schwerwiegend. Der Mann veröffentlichte dabei auch den Namen, den Wohnort, das Alter und einen Link zu den Facebook-Profilen der Betroffenen. Über eine andere Internetseite bot er den Betroffenen dann an, ihre Fotos von ugotposted.com gegen eine Zahlung von 350 Dollar wieder löschen zu lassen. Er wurde nach seiner Festnahme zu einer Gefängnisstrafe von 18 Jahren Haft verurteilt.

Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Veröffentlichungen von Nacktbildern im Netz. Zuletzt wurde ein 32-Jähriger in Köln angeklagt, weil er als Mitarbeiter der dortigen Universität Computer und Laptops, die ihm Studenten zur Verfügung stellten, systematisch nach Nacktaufnahmen durchsucht und dann ebenfalls ins Internet gestellt haben soll. Dass dem ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter in Deutschland eine vergleichbar hohe Gefängnisstrafe droht, wie sie in den USA verhängt wurde, ist zu bezweifeln. Dennoch drohen auch in Deutschland erhebliche zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen.

Geldentschädigung für Eingriff in die Intimsphäre

Wer Opfer einer solchen Veröffentlichung im Netz wird, hat neben dem Anspruch auf Unterlassungs- und Beseitigung der Bilder auch einen Anspruch auf Geldentschädigung. Die unbefugte Veröffentlichung von Nacktbildern ist  immer ein Eingriff in die Intimsphäre und damit eine besonders schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Bei diesem häufig ungenau  als Schmerzensgeldanspruch bezeichneten titulierten Geldentschädigungsanspruch handelt es sich um einen von der Rechtsprechung entwickelten Anspruch zum Ausgleich eines immateriellen Schadens bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Ein solcher Schaden ist nach den Vorgaben in § 253 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu ersetzen. Eine gesetzliche Bestimmung, welche einen immateriellen Schadensersatz bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorsieht, gibt es aber nicht, insbesondere nicht in der dafür vorgesehenen Regelung des § 253 Abs. 2 BGB.

Um diese Regelungslücke zu füllen und die Interessen der Betroffenen von schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu wahren, sprang der Bundesgerichtshof in die Bresche. In der bekannten Herrenreiter-Entscheidung entschieden die Bundesrichter, dass demjenigen, der infolge einer Persönlichkeitsrechtsverletzung einen immateriellen Schaden erleidet, ein Geldentschädigungsanspruch zusteht (Urt. v. 14.02.1958, Az. I ZR 151/5).

Teure Rache auch in Deutschland: 25.000 Euro für Nacktbilder von der Ex im Netz

2/2: Teure Rache: 25.000 Euro für Nacktbilder von der Ex im Netz

So war der Geldentschädigungsanspruch geboren, welcher heute als eigenständiger Rechtsbehelf anerkannt wird. Vom Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs.2 BGB ist er in seiner Begründung mittlerweile losgelöst, gestützt wird er auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Auf dieser Grundlage hat beispielsweise das Landgericht (LG) Düsseldorf einer Frau eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000,00 Euro zugesprochen, obwohl diese selbst freiwillig als Model für Nacktbilder posierte. Eine Einwilligung, die Bilder von dieser nackten Tätigkeit später in einem Programmheft zu einer Kunstveranstaltung großformatig zu veröffentlichen, hatte das Model aber niemals erteilt. Das genügte dem LG, um  von einem schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auszugehen.

Nacktbilder von Dritten zu veröffentlichen, kann aber auch noch teurer werden. Nach dem Ende der Beziehung hatte ein Mann insgesamt drei Nacktaufnahmen seiner Ex-Freundin ins Internet gestellt. Das LG Kiel verurteilte ihn dafür zur Zahlung einer Geldentschädigung von insgesamt 25.000,00 Euro. Die Richter begründeten die Höhe des Schmerzensgeldes vor allem mit den Folgen der Veröffentlichung für die Ex-Partnerin. Es ist nicht möglich, die Bilddateien endgültig aus dem Internet zu entfernen, da die veröffentlichten Bilder von jedem beliebigen Dritten heruntergeladen und danach erneut zur Verbreitung freigegeben werden können. Die Bloßstellung kann demnach nie wieder mit absoluter Sicherheit behoben werden.

Wenn die Beziehung aus ist und das Nacktbild in der Welt

Einen anderen Menschen im Netz derart bloßzustellen, geht nicht nur ins Geld. § 201a Strafgesetzbuch (StGB) sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor, wenn von einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum - beispielsweise einer Umkleidekabine - befindet, unbefugt Bildaufnahmen, und damit auch Nacktbilder, hergestellt oder übertragen werden und dadurch der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt wird.
Diese Strafrechtsnorm erfasst aber nur solche Sachverhalte, in denen sich die abgebildete Person in einer geschützten Umgebung, also nicht in der Öffentlichkeit befindet.

Häufig sind die Aufnahmen aber zunächst im Einverständnis mit dem  Abgebildeten entstanden. In deren  Veröffentlichung im Internet wollten die Fotografierten aber niemals einwilligen. In diesen Fällen greift § 33 Kunsturheberrechtsgesetz (KUG): Wer entgegen den §§ 22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Handlungsbedarf besteht aber oft nicht erst, wenn die Nacktbilder schon veröffentlicht wurden. Droht der Ex-Partner mit der Veröffentlichung solcher Fotos, besteht eine Erstbegehungsgefahr und man kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch durchsetzen. Er untersagt die Veröffentlichung der Bilder und droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro  an, wenn sie dennoch veröffentlicht werden.

Selbst wenn keine solche Drohung im Raum steht, kann man seinen Ex-Partner auffordern, intime Bilder aus der gemeinsamen Zeit herauszugeben bzw. endgültig zu löschen und damit die Gefahr einer späteren Veröffentlichung beseitigen. Mit Urteil vom 20. Mai 2014 entschied das Oberlandesgericht Koblenz, dass man nach dem Ende einer Beziehung grundsätzlich das Recht hat, vom ehemaligen Partner die Löschung intimer Foto- und Videoaufnahmen zu verlangen.

Der Autor Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf Medienrecht und dort insbesondere auf das Reputationsmanagement sowie den Schutz des Persönlichkeitsrechts.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Niklas Haberkamm, Nacktbilder im Netz : Das Geschäft mit der Scham und die zu teure Rache . In: Legal Tribune Online, 29.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15384/ (abgerufen am: 09.12.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Datenschutz
    • Bilder
    • Facebook
    • Internet
    • Persönlichkeitsrecht
    • Recht am eigenen Bild
29.11.2023
Beleidigung

"Dämliches Stück Hirn-Vakuum" und "Sozialschulden":

OLG hält Äuße­rungen über Chebli für Sch­mäh­kritik

SPD-Politikerin Sawsan Chebli hatte eine Sendung von Dieter Nuhr scharf kritisiert. Was ein Facebook-Nutzer daraufhin nicht minder scharf über Chebli schrieb, ist aber nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt, so das OLG Stuttgart.

Artikel lesen
27.11.2023
Sexueller Missbrauch

Bild-Zeitung scheitert vorm BVerfG:

Gericht darf in Miss­brauch­s­pro­zess Geheim­hal­tung ver­langen

Das OLG Köln verbot Journalisten, über die Zeugenaussage eines mutmaßlich Betroffenen von Missbrauch in der Kirche zu berichten. Die Bild-Zeitung zog deshalb vors BVerfG, das die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung annahm.

Artikel lesen
09.12.2023
Völkermord

75 Jahre nach Verabschiedung der Völkermordkonvention:

Das völ­ker­recht­liche "Nie wieder!"

Im Schatten des Holocaust wurde die Konvention verhandelt. Jüngere Ereignisse und Missbräuche des Völkermordbegriffs belegen ihre Aktualität. Lars Berster, Björn Schiffbauer und Christian J. Tams mit einem Blick zurück und nach vorn.

Artikel lesen
08.12.2023
Nachrichten

IOC-Zulassung für 2024 unter Auflagen:

Rus­si­sche und bela­rus­si­sche Ath­leten dürfen an Olympia teil­nehmen

Seit Russlands Angriff auf die Ukraine tobt die Debatte über den Umgang mit russischen Sportlern. Jetzt hat das IOC die Athleten aus Russland und Belarus zu den Sommerspielen zugelassen. Flagge zeigen dürfen sie allerdings nicht.

Artikel lesen
07.12.2023
Bürgergeld

Der Sozialstaat nach dem Schuldenbremse-Urteil:

Die Höhe des Bür­ger­geldes ist nicht beliebig

Sollte das Bürgergeld wegen knapper Kassen nicht erhöht werden? Vorschläge, Haushaltsprobleme bei den Ärmsten abzuladen, haben Konjunktur. Doch sie verkennen das Gesetz und die Rechtsprechung des BVerfG. Eine Analyse von Thorsten Kingreen.

Artikel lesen
08.12.2023
Rechtsberatung

BGH zum Fall "Die Freien Brauer":

Bran­chen­ver­bände dürfen ihre Mit­g­lieder recht­lich beraten

In Deutschland ist streng geregelt, wer juristisch beraten darf. Der Verband "Die Freien Brauer" beriet zum Schadensersatz wegen überhöhter Zuckerpreise. Das OLG Karlsruhe hielt dies für rechtswidrig, der BGH ist anderer Ansicht.

Artikel lesen
TopJOBS
Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Re­fe­ren­da­re | Düs­sel­dorf

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Düs­sel­dorf

Werk­stu­dent oder wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (m/w/d) für Mit­ar­beit an...

Bird & Bird LLP , Frank­furt am Main

Rechts­an­walt für den Be­reich Di­gi­tal Bu­si­ness in Mün­chen (m/w/d)

Simmons & Simmons , Mün­chen

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Frank­furt am Main

Re­fe­ren­dar*in­nen (m/w/d)

Deminor Litigation Funding , Ham­burg

Re­fe­ren­da­re | Mün­chen

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Mün­chen

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­beit im Da­ten­schutz (m/w/d)

Latham & Watkins LLP , Frank­furt am Main

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
PEAK CONNECTIONS - be part of it

29.02.2024, Garmisch-Partenkirchen

Days of Winter- Come meet us at the summit

01.02.2024, Garmisch-Partenkirchen

RA-MICRO vOffice – Das sichere virtuelle Büro inkl. Videokonferenzmöglichkeit

18.12.2023

Diktieren und Spracherkennung effizient in den Kanzleialltag integrieren

18.12.2023

Essentials – Die moderne Anwaltskanzlei

19.12.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH