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Im Schulterschluss mit der Versicherungswirtschaft: Busch­mann gegen verpf­lich­tenden Hoch­was­ser­schutz

von Hasso Suliak

05.01.2024

Ein von Hochwasser betroffenes Grundstück in Niedersachsen

Hochwasser-Katastrophe in Deutschland: Viel Hauseigentümer dürften auf ihren Schäden sitzen bleiben. Foto: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Viele von Überflutungen und Starkregen Betroffene können sich einen freiwilligen Versicherungsschutz nicht leisten oder bekommen keinen. Eine Pflichtversicherung gegen Überschwemmungen könnte helfen. Das BMJ ist aber dagegen.

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Tausende Menschen in Deutschland sind derzeit vom Hochwasser betroffen. Ob sie ihre Schäden ersetzt bekommen, hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie über den richtigen Versicherungsschutz verfügen. Indes: Viele von ihnen dürften auf den Kosten hängen bleiben. Denn nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind derzeit nur rund 50 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Überschwemmung versichert. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind gravierend. Im aktuell weitflächig überfluteten Niedersachsen sind etwa nur knapp 30 Prozent aller Gebäude gegen Starkregen und Hochwasser versichert. 

Was den anderen 70 Prozent fehlt, nennt sich im Versicherungsfachjargon Elementarschadenversicherung. Diese wird von den Versicherern als zusätzlicher Baustein im Rahmen einer Wohngebäude- oder Hausratversicherung angeboten und schützt Eigentümer und Mieter vor den finanziellen Folgen von Naturereignissen. Versichert sind – je nach Vertrag – das Gebäude und/oder das Eigentum. Allerdings lassen sich die Versicherer nicht lumpen: Je näher man z.B. an einem potenziellen Hochwassergebiet wohnt, desto teurer wird dieser Baustein für die Versicherungsnehmer. Und tritt der nahegelegene Fluss häufiger über die Ufer, dürfen Versicherer den Versicherungsvertragsabschluss sogar ablehnen. 

Nicht erst seit der Flutkatastrophe im Ahrtal wird daher vermehrt die Frage diskutiert, ob die Absicherung gegen Extremwetter-Ereignisse womöglich zur Pflicht für Hauseigentümer werden sollte. Verbraucherschützer und Politiker fordern eine solche Allgefahrdeckung schon länger.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verpflichtung, das eigene Vermögen zu schützen, räumte vor geraumer Zeit ein Rechtsgutachten des Regensburger Staatsrechtlers Thorsten Kingreen im Auftrag des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen aus. Es kam zum Ergebnis, dass eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden an Wohngebäuden sowohl mit europäischem Unionsrecht als auch mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar ist. Verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei etwa der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art.2 Abs.1 GG der Eigentümer. Überhaupt diene eine Versicherungspflicht, so der Jurist, nur auf den ersten Blick allein dem Eigenschutz des Eigentümers und nicht auch schutzbedürftigen Dritten. "Die Ziele einer Versicherungspflicht lassen sich wegen der sozialen Dimension des Grundeigentums nicht auf Eigenschutz reduzieren. Nicht nur besteht ein ordnungsrechtliches Interesse an der Vermeidung von Obdachlosigkeit und ist es ein städtebauliches Anliegen, zerstörte Wohngebäude wiederherzurichten, sondern es besteht auch ein öffentliches Interesse daran, die öffentlichen Haushalte zu schonen."

BMJ: "Versicherungsdichte auf freiwilliger Basis erhöhen" 

Gleichwohl sträubt sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) beharrlich gegen einen verbesserten Versicherungsschutz für Haus- und Wohnungseigentümer gegen Unwetterschäden. Er sieht es so wie die Versicherungswirtschaft, die das Thema "Elementarpflicht" jenseits der Versicherungsfrage "ganzheitlich neu denken" will.

Laut BMJ löst die Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung das Problem der Gefahr für Schäden an Gebäuden und die damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger nicht. "Eine Elementarschadenpflichtversicherung kann den Eintritt von Elementarschadenereignissen nicht verhindern und deren Eintrittswahrscheinlichkeit nicht reduzieren. Sie kann auch den Bau von Wohngebäuden in Risikogebieten nicht unterbinden oder präventive bauliche Schutzmaßnahmen zur Verringerung von Gebäudeschäden ersetzen", sagt eine BMJ-Sprecherin gegenüber LTO. Vielmehr sollten Beratungs- und Aufklärungskampagnen für Elementarversicherungsschutz helfen, die Versicherungsdichte auf freiwilliger Basis zu erhöhen. 

Wesentliche Argumente, die Buschmann immer wieder gegen die Einführung einer Versicherungspflicht anführt, sind Kosten und ein Mehr an Bürokratie: "Für viele Haushalte wäre der zusätzliche Versicherungsschutz mit drastischen finanziellen Belastungen verbunden", heißt es aus dem Ministerium. Außerdem führe eine Pflicht zu mehr Bürokratie, da die Einhaltung der Versicherungspflicht kontrolliert werden müsse. Diese Kontrolle sei bei vielen Millionen Wohngebäuden in Deutschland und der zur Prüfung notwendigen versicherungsrechtlichen Expertise überaus aufwendig und kostenintensiv.

Kostenexplosion für Verbraucher? 

"Ein Versicherungszwang für Elementarschäden würde das Wohnen in ganz Deutschland teurer machen – für Eigentümerinnen und Eigentümer und für Mieterinnen und Mieter", sagt die BMJ-Sprecherin und verweist dabei – natürlich – auf Zahlen des GDV. Die Versicherungsbranche schätze, dass die Kosten je Einfamilienfamilienhaus bei 100 bis 2.000 EUR jährlich liegen würden. Zudem würden die Beiträge für Wohngebäudeversicherungen derzeit auch infolge der Inflation und dem noch stärkeren Anstieg des Baupreisindexes, also der Entwicklung des Baupreises, steigen. Bereits in 2023 seien die Gesamtbeiträge in der Wohngebäudeversicherung um rund 15 Prozent gestiegen, in 2024 würden sie um weitere rund sieben Prozent ansteigen. "Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft rechnet aufgrund der Klimafolgen sogar mit einer Verdoppelung der Versicherungsprämien in den kommenden zehn Jahren", heißt es.

Während Buschmann die Angaben der Versicherungslobby eins zu eins übernimmt, unterstellt er Befürwortern einer Pflichtversicherung, dass es ihnen vor allem um die Schonung der Staatskasse gehe. "Sie haben die Hoffnung, dass der Staat bei großen Naturkatastrophen weniger Hilfen zahlen muss, wenn es eine Pflichtversicherung gibt", sagte die BMJ-Sprecherin. Doch diese Hoffnung trüge. "Gerade sehr große Naturkatastrophen können die Versicherungswirtschaft an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen. Deshalb sagt die Versicherungswirtschaft: Ein Versicherungszwang wird ohnehin nur funktionieren, wenn der Staat bereit ist, notfalls einzuspringen (sog. stop-loss-Regelung). Am Ende wäre für die Steuerzahlerinnen und -zahler also wenig gewonnen." Bei der Katastrophe im Ahrtal führte der mangelnde Versicherungsschutz dazu, dass der Staat mit Milliardenhilfen einspringen musste.

Grüne und Länder drängen, BMJ verweist auf Arbeitsgruppe

Nicht abfinden mit der Blockade des BMJ wollen sich unterdessen Länder und sogar der Koalitionspartner. Der Grünen-Rechtspolitiker Lukas Benner sagte der FAZ, Buschmann sollte "schnellstmöglich ein sozialverträgliches Konzept vorlegen, um mehr Sicherheit für Betroffene zu schaffen". Staatliche Notfallhilfen böten im Schadensfall kaum Planungssicherheit. Auch fiskalische Argumente sprächen für eine bundesweite Versicherungspflicht. "Nichthandeln ist die teuerste Option", mahnte Benner. Ländervertreter erinnerten an eine Entschließung der Ministerpräsidentenkonferenz vom Juni 2023. Darin hatten die Länder die Bundesregierung, namentlich das BMJ, ermahnt, "kurzfristig einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag für die Einführung einer Versicherung zu erarbeiten".

Allerdings sind inzwischen Monate vergangen und es scheint, dass das BMJ auf Zeit spielt. Gegenüber LTO verwies die Ministeriumssprecherin auf eine "gerade eingerichtete" Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Elementarrisiken. Diese solle "alle Optionen prüfen, wie die Verbreitung der Elementarschadenversicherung erhöht werden kann, inklusive einer Pflichtversicherung". Allerdings werde die Arbeitsgruppe auch untersuchen, "welche Präventionsmaßnahmen z. B. im Bau- und Umweltrecht notwendig sind, um die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden bei Naturereignissen zu reduzieren, und wie finanzielle Risiken für die öffentlichen Haushalte durch Großschadensereignisse beherrschbar gehalten werden können".

Es ist wohl davon auszugehen, dass Marco Buschmann in seiner Amtszeit den Fokus eher auf letzteres richten wird.

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Im Schulterschluss mit der Versicherungswirtschaft: . In: Legal Tribune Online, 05.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53567 (abgerufen am: 13.05.2025 )

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