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EuGH zu UN-Terrorlisten: Zu Unrecht Verdächtigter hat Recht auf Rehabilitierung

von Stephan Lorentz

28.05.2013

Terrorist

© Oleg_Zabielin - Fotolia.com

Auf seine Konten kann Abduhlbasit Abdulrahim wieder zugreifen, seit er nicht mehr auf den Terrorlisten von UN und EU steht. Sein guter Ruf aber, der ist dahin. Daher darf der Londoner Restaurantleiter auch heute noch gerichtlich feststellen lassen, dass seine Aufnahme in die Listen per se rechtswidrig war, entschied der EuGH am Dienstag. Dennoch bleiben viele Fragen offen, erklärt Stephan Lorentz.

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Abduhlbasit Abdulrahim leitet zwei Restaurants und einen Souvenirshop in London. Und vielleicht, so vermutet es die britische Regierung, führt er daneben noch ein zweites Leben als Financier einer libyschen Islamistengruppe mit Verbindung zu Al-Qaida. Vielleicht aber auch nicht.

Abdulrahim bekommt jedenfalls keine Möglichkeit, den gegen ihn gerichteten Verdacht aufzuklären.

Stattdessen bittet die britische Regierung im Oktober 2008 das Sanktionskomitee des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UN), ihn auf eine Terrorliste zu setzen. Hinter verschlossenen Türen und ohne Anhörung des Betroffenen beschließt das Komitee, der britischen Bitte nachzukommen.

Damit sind nun alle Mitgliedsstaaten der UN nach Art. 103 UN-Charta verpflichtet, die Konten des Unternehmers zu sperren. Auch die Europäische Union (EU) kommt dieser Verpflichtung nach und setzt ihn im Dezember 2008 ohne weitere Prüfung auf ihre eigene Terrorliste.

EuGH: Stigmatisierung der Betroffenen gibt Rechtsschutzinteresse

In seinem Urteil Abdulrahim vom 28. Mai 2013 (C-239/12) betont der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun, welch schwere Konsequenzen die Aufnahme in eine Terrorliste für den Betroffenen hat. Das Einfrieren von Geldern behindert nicht nur die Freiheit zum Abschluss von Rechtsgeschäften und erschüttert damit zutiefst das Berufs- und Familienleben. Es ruft auch das Misstrauen der Gesellschaft hervor und ist daher mit einer Stigmatisierung verbunden.

Mit diesem Argument widerspricht der EuGH dem Europäsichen Gericht erster Instanz (EuG). Dieses wollte das Verfahren einstellen, weil die EU Herrn Abduhlrahim in der Zwischenzeit von ihrer Terrorliste gestrichen hatte. Die Europäer setzten damit die entsprechende Entscheidung des Sanktionskomitees zur UN-Terrorliste um.

Der EuGH stellt hingegen klar, dass es nicht ausreiche, dass die Konten wieder freigegeben werden und der Betroffene über sein Geld verfügen kann. Die Rehabilitierung seines guten Rufes kann er nur erreichen, wenn gerichtlich festgestellt wird, dass die Aufnahme in die Terrorliste von vorneherein rechtswidrig war. Er hat daher auch nach der Streichung von der Terrorliste immer noch ein Rechtsschutzinteresse.

Zurückverweisung: Nun muss das EuG entscheiden

Im Ergebnis verweisen die Luxemburger Richter die Sache damit an das Europäische Gericht erster Instanz zurück. Dieses muss jetzt entscheiden, ob die Aufnahme des Briten in die EU-Terrorliste im Jahr 2008 rechtmäßig war. Daran bestehen erhebliche Zweifel.

Bereits im September 2008 hat der EuGH in seinem Urteil Kadi (v. 03.09.2008, Az. C-402/05) festgestellt, dass Rat und Kommission bei der Erstellung der EU-Terrorlisten die Entscheidungen des Sanktionskomitees nicht einfach übernehmen dürfen, sondern auch an die Unionsgrundrechte gebunden sind.

Das bedeutet vor allem, dass dem Terrorverdächtigen rechtliches Gehör gewährt werden muss. Im Jahr 2008 bestand aber für die Betroffenen weder vor dem Sanktionskomitee noch auf Ebene der EU irgendeine Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Verbesserungen des UN-Sanktionsregimes

Bei aller berechtigten Kritik an der Ausgestaltung des Verfahrens vor dem Sanktionskomitee darf aber nicht aus dem Auge verloren werden, dass die internationale Kooperation bei der Bekämpfung des Terrorismus ein wichtiges Anliegen ist. Die EU muss Wege finden, um Vorgaben des Sicherheitsrats umzusetzen, ohne dabei die Unionsgrundrechte zu verraten.

Erste Schritte zu einem Kompromiss hat der Sicherheitsrat in den letzten Jahren unternommen, indem er den Betroffenen verschiedene Verfahrensrechte eingeräumt hat. Diese haben nun die Möglichkeit, die Gründe für ihre Aufnahme in die Liste zu erfahren. Auch können sie sich an einen Ombudsmann wenden, der dem Sanktionskomitee eine Löschung von der Liste empfehlen kann. Das Sanktionskomitee kann einer solchen Löschung nur einstimmig widersprechen.

Allerdings entspricht dies immer noch nicht einer gerichtlichen Kontrolle. Man darf gespannt sein, wie der EuGH eine Sanktion unter dem neuen Regime bewerten wird.

Der Autor Stephan Lorentz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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EuGH zu UN-Terrorlisten: . In: Legal Tribune Online, 28.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8815 (abgerufen am: 22.05.2025 )

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