Druckversion
Donnerstag, 8.06.2023, 04:45 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/eugh-beschluss-c-348-13-framing-youtube-verletzt-urheberrecht-nicht/
Fenster schließen
Artikel drucken
13601

EuGH erlaubt Framing von Youtube-Videos: Gut für die Netzgemeinde, schlecht für die Urheber

von Andreas Biesterfeld-Kuhn

24.10.2014

Video "Die Realität"

Bild: Screenshot, Youtube

Der EuGH hat am Dienstag entschieden, dass das Framing fremder Youtube-Videos grundsätzlich keine Urheberrechte verletzt. Damit passt er seine Rechtsprechung nicht unerwartet dem Zeitgeist an, meint Andreas Biesterfeld-Kuhn. Und warnt User trotzdem davor, fremde Inhalte allzu sorglos einzubinden.

Anzeige

Vier Gerichte, drei Meinungen. So lässt sich der Fall kurz zusammenfassen, über den am Dienstag nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied. Nachdem das Landgericht (LG) München die Frage, ob das „Framing“ einen Urheberrechtsverstoß darstellt, noch mit Ja, das Oberlandesgericht (OLG München dann mit Nein und schließlich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Vielleicht beantwortet hatte, schafft nun Luxemburger Richter Klarheit: Das Einbetten von Youtube-Videos mittels eines elektronischen Verweises in die eigene Webseite verstößt nicht gegen das Recht zur öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der Multimedia-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) (EuGH, Beschl. V.  21.10.2014, Az. C-348/13).

Für Rechteinhaber dürfte es schwer werden, sich mit dieser Aushöhlung ihres Urheberrechtsschutzes zu arrangieren, bedeutet diese Entscheidung doch einen erheblichen Kontrollverlust bei der Verwertung ihrer Werke.

Ob auf der anderen Seite die Nutzer sozialer Medien das Machtwort der Luxemburger Richter als Sieg der Netzfreiheit feiern oder nur mit einem gleichgültigen Schulterzucken quittieren werden, bleibt abzuwarten. Schließlich hat das Damoklesschwert einer möglichen Abmahnung  auch schon bislang kaum jemanden davon abgehalten, seine Lieblingsvideos auf Facebook zu teilen. Trotzdem bleibt beim Framing von Videos für die Netzgemeinde auch weiterhin Vorsicht geboten: Neben dem Urheberrecht kommen weitere Rechtspositionen in Betracht, die beim Einbetten fremder Inhalte unter Umständen verletzt werden können.

EuGH: Keine öffentliche Wiedergabe bei gleicher Technik und gleichem Publikum

Für die OLG-Richter war seinerzeit ausschlaggebend, dass sich das eingebettete Video nicht in der Zugriffssphäre des Framenden befindet, weil allein derjenige, der das Video ursprünglich auf Youtube einstellt hat, darüber entscheidet, ob es weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibt oder nicht. Dementsprechend halte der Framende selbst das Video weder zum Abruf bereit noch übermittle er es auf Abruf an Dritte. In seiner Person liege also keine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19 UrhG vor (Urt. v. 16.02. 2012, Az. 6 U 1092/11). Der BGH schloss sich dieser Auffassung zwar grundsätzlich an und verneinte ebenfalls eine öffentliche Zugänglichmachung.

Gleichwohl hielten die Bundesrichter es aber für möglich, dass ein über die öffentliche Zugänglichmachung hinausgehendes, im deutschen Recht nicht benanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe verletzt sein könnte und legten die Sache daher dem EuGH vor (Beschl. v. 16.05.2013, Az. I ZR I ZR 46/12 Die Realität).

Der erteilte diesen Bedenken nun eine entschiedene  Absage. Es liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn weder ein neues Publikum erschlossen noch eine neue Technik verwendet wird, meinen die Luxemburger Richter.

Beide Kriterien seien im konkreten Fall zu verneinen. Denn sofern und soweit das Werk auf der Webseite, auf welche der Link verweist, frei zugänglich ist, sei davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie die Wiedergabe erlaubt haben, an die Gesamtheit aller Internetnutzer als Publikum gedacht haben.

Keine überraschende Entscheidung

Der EuGH hält es dabei auch für unbeachtlich, dass dem Nutzer das Werk beim Anklicken auf der Webseite des Framenden in einer Art und Weise angezeigt wird, die ihm den Eindruck vermittelt, dass es von genau dieser Webseite aus gezeigt wird, obwohl es tatsächlich von einer anderen Seite stammt.

Die Entscheidung war insofern zu erwarten, als der EuGH die Leitlinien bereits jüngst in Sachen Svensson u.a. (Urt. v. 13.04.2014, Az. C 466/12) vorgegeben hat. Dort sprachen die Luxemburger Richter zu der verwandten rechtlichen Problematik des Setzens von Hyperlinks auf für jedermann frei zugängliche Inhalte ein nahezu identisches Diktum aus.

Mit dieser Reihe von Entscheidungen versucht Luxemburg  ganz offensichtlich, dem technischen Fortschritt und den wachsenden Bedürfnissen des Zeitgeists gerecht zu werden. Ob er zur Verwirklichung dieses grundsätzlich legitimen Ziels künftig die Anliegen der Urheber noch weiter in den Hintergrund treten lässt, darf man mit Spannung abwarten.

Kein Freibrief fürs Framing

Allerdings bedeutet die Entscheidung aus Europa nicht, dass dem Framing keinerlei Schranken mehr gesetzt sind. Nur weil das Framing keine Urheberrechte verletzt, bedeutet das natürlich nicht, dass auch andere Rechtspositionen plötzlich zurücktreten müssten.

Wer beispielsweise die Persönlichkeitsrechte eines Dritten verletzt, indem er Videos einbettet, welche diesen lächerlich machen oder bloß stellen, muss natürlich auch weiterhin mit  Abmahnungen rechnen.

Auch Verstöße gegen das Markenrecht bleiben weiterhin denkbar. Im dem Fall, über den der EuGH zu entscheiden hatte, hätte man übrigens durchaus auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche diskutieren können. Es ging um einen Film über Wasserverschmutzung, den der Rechteinhaber ursprünglich als eigene Werbemaßnahme angedacht hatte, dann aber feststellen musste, dass ein Wettbewerber diesen Film im Wege des Framings für eigene Zwecke nutzte. Die Möglichkeiten, beim Framing von Inhalten in Anspruch genommen zu werden, sind also vielfältig. Bedenkenlos sollte daher auch künftig kein Internetnutzer fremde Inhalte einbetten.

Der Autor Andreas Biesterfeld-Kuhn ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft in Köln. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Medienrecht und dort insbesondere auf Rechtsverletzungen im Internet.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Andreas Biesterfeld-Kuhn, EuGH erlaubt Framing von Youtube-Videos: Gut für die Netzgemeinde, schlecht für die Urheber . In: Legal Tribune Online, 24.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13601/ (abgerufen am: 08.06.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Urheber- und Medienrecht
    • Internet
    • Urheber
    • YouTube
  • Gerichte
    • Europäischer Gerichtshof (EuGH)
26.05.2023
Drohnen

OLG Hamm zum Urheberrecht:

Bild­auf­nahmen einer Drohne fallen nicht unter die Pan­ora­ma­f­rei­heit

Luftaufnahmen sind von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit nicht erfasst, entschied das OLG Hamm. Es seien nur Bilder geschützt, die aus der Perspektive von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aufgenommen worden sind.

Artikel lesen
23.05.2023
Recht auf Vergessenwerden

BGH zur Auslistung von Google-Suchergebnis:

Wer ver­gessen werden will, muss Fehler nach­weisen

Das Netz vergisst gemeinhin nichts. Für Betroffene kann das mitunter unangenehm werden. Doch sie haben die Möglichkeit, gegen unliebsame Veröffentlichungen vorzugehen. Wie das geht, hat nun der BGH entschieden.

Artikel lesen
07.06.2023
Klimaproteste

LTO liegt Beschluss vor:

Durfte die Polizei "letz­te­ge­ne­ra­tion.de" kapern?

Warum wurde die Webseite der "Letzten Generation" im Zuge der Razzia komplett abgeschaltet – und war das verhältnismäßig? Darf die Polizei eine Webseite für ihre eigene Warnung nutzen? Ein Gerichtsbeschluss wirft neue Fragen auf.

Artikel lesen
07.06.2023
Volksabstimmung

Vorerst kein neues Radgesetz für Bayern:

Ver­fas­sungs­ge­richtshof hält Volks­be­gehren für unzu­lässig

Ein neues Radgesetz sollte in Bayern für besser ausgebaute Radwege sorgen. Knapp 30.000 Menschen unterzeichneten ein entsprechendes Volksbegehren. Nun stellt sich jedoch der BayVerfGH in die Quere: das Volksbegehren sei unzulässig.

Artikel lesen
07.06.2023
Diskriminierung

Diskriminierungsvorwurf in München:

Jura­fa­kultät der LMU dis­tan­ziert sich von Semina­ran­kün­di­gung

An der LMU sorgt eine Seminarankündigung zum Arbeitsrecht für Aufsehen. Die zu diskutierenden Rechtsfragen darin seien diskriminierend und herablassend formuliert worden. Nun distanziert sich das Professorium von den Passagen seines Kollegen.

Artikel lesen
06.06.2023
Justiz

Die Justiz braucht nicht mehr Personal, sondern Effizienz:

Was Staats­an­wälte und Richter ein­fach besser machen müssen

Statt mehr Personal zu fordern, sollten Richter und Staatsanwälte zuerst auf sich selbst schauen: Mit effizienteren Arbeitsabläufen ließen sich viele Verfahren schneller und besser erledigen, meint Strafverteidiger Sebastian T. Vogel.

Artikel lesen
TopJOBS
Rechts­an­walt/Rechts­an­wäl­tin (m/w/d)

Loschelder Rechtsanwälte , Köln

Rechts­an­walt (m/w/d) im Ge­werb­li­chen Rechts­schutz, IT- und Me­di­en­recht ...

weber • sauberschwarz , Düs­sel­dorf

Le­gal Coun­sel (w/m/d)

we are era GmbH , Köln

Chief Pro­duct Ma­na­ger - di­gi­ta­les Pro­dukt­ma­na­ge­ment WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Was ich als Be­rufs­ein­s­tei­ger über die Ar­beit ei­nes Ver­sor­gungs­wer­kes und...

Simmons & Simmons , Frank­furt am Main

Wis­sen­schaft­li­che/r Mit­ar­bei­ter/in (m/w/d)

Loschelder Rechtsanwälte , Köln

PRAK­TI­KAN­TEN (M/​W/​D) AR­QIS SUM­MER SCHOOL 2023

ARQIS , Düs­sel­dorf

Ju­rist als Di­gi­tal Con­tent Ma­na­ger / Re­dak­teur (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Erfolgreich Prozessieren vor dem FG und dem BFH

15.06.2023

Online Info Session MSc in Strategy/Management & MBA

15.06.2023

Rechtsabteilungen & Unternehmensjuristen Konferenz 2023

19.06.2023, Frankfurt am Main

Marburger Workshop zum Medizin- und Pharmarecht

16.06.2023

Zertifizierter Berater für Kryptowerte und Steuern (WIRE)

15.06.2023, Frankfurt am Main

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH