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Kachelmann-Buch nennt vollen Namen von Claudia D.: Einmal identifiziert – immer erkennbar?

von Prof. Dr. Markus Ruttig

13.10.2012

Jörg Kachelmann und seine Frau Miriam

Jörg Kachelmann und seine Frau Miriam bei der Vorstellung ihres Buches in Frankfurt (12.10.2012), Foto: Thomas Lohnes/dapd

Jörg Kachelmann nennt seine Ex-Freundin Claudia D., die ihn wegen Vergewaltigung angezeigt hatte, in seinem Buch mit vollem Namen. Das LG Mannheim hat das per einstweiliger Verfügung vorläufig verboten, sein Anwalt bereits Widerspruch angekündigt. Ob die Radiomoderatorin ihre namentliche Erkennbarkeit ein Jahr nach dem Freispruch des Wettermoderators noch hinnehmen muss, kommentiert Markus Ruttig.

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Das Landgericht (LG) Mannheim begründete seine Entscheidung vom Donnerstag damit, dass die Angabe des vollständigen Namens der Antragstellerin nicht erforderlich sei. Die Aufarbeitung des umstrittenen Geschehens, die der Wettermoderator beabsichtige, erhalte kein stärkeres Gewicht, wenn man den Namen von Claudia D. vollständig nenne, argumentierten die Mannheimer Richter in ihrer einstweiligen Verfügung (Beschl. v. 11.10.2012, Az. 3 O 98/12).

Claudia D. habe sich auch durch die Interviews, die sie selbst gegeben habe, ihrer Rechte nicht begeben, da diese anonymisiert verbreitet worden seien. Auch die im Einzelfall abgedruckten Bilder der Radiomoderatorin erforderten keine abweichende Entscheidung, da diese damit nur für ihr nächstes Umfeld identifizierbar sei.

Im Bild erkennbar – mit Namen nicht

Mit einer vorschnellen Beurteilung der Entscheidung sollte man vorsichtig sein. Zum einen liegt diese selbst öffentlich noch nicht vor, sondern nur eine Presseerklärung des Gerichts. Zum anderen dürfte der ohne mündliche Verhandlung erlassene Beschluss vor allem von den tatsächlichen Umständen des Falls abhängen. Diese aber sind der Öffentlichkeit nicht vollständig bekannt.

Publik und in dem Verfahren offenbar berücksichtigt wurde der Umstand, dass Claudia D. im Juni des vergangenen Jahres der Zeitschrift "Bunte" ein Interview gegeben hat. Dabei zierte ein Bildnis von ihr unter anderem. die Titelseite der Zeitschrift. Im Text hieß es aber nur: "Exklusiv-Interview mit Claudia D! Jetzt redet sie! Sie ist die Frau, die Jörg Kachelmann vor Gericht brachte."

Ihr vollständiger Name wurde weder im Titel noch im Beitrag genannt. Namentlich war Frau D. offenbar nur einmal identifizierbar: Durch ein Versehen des LG Mannheim in einer Presseerklärung des Gerichts, die aber kurzfristig korrigiert worden sein soll.

Hat, wer einmal ins Rampenlicht tritt, kein Recht mehr auf Schatten?

Grundsätzlich muss man, will man den Namen einer Person vollständig nennen, im Wege einer Güterabwägung prüfen, ob der Name für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit relevant ist. Das Recht auf Anonymität kann eine Person aber gleichsam verwirken, wenn sie die Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit selbst herbeigeführt oder entsprechende Veröffentlichungen Dritter geduldet hat.

Presserechtlich stellen sich damit im nächsten Kapitel der "causa Kachelmann" vor allem zwei Fragen: Führt die einmalige Offenbarung der Identität von Frau D. durch Veröffentlichung eines Fotos dazu, dass sie auch andere Formen der Identifizierung, wie eben die vollständige Namensnennung, dulden muss?

Und: Wie lange nach einer identifizierenden Veröffentlichung muss man auf sein Recht auf Anonymität verzichten - und damit auf einen Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts?

Recht auf Anonymität verwirkt?

Schon die Antwort auf die erste Frage fällt schwer. Hier dürfte eine juristische Sollbruchstelle des Falles und presserechtliches Neuland liegen. Claudia D. scheint ihre namentliche Nennung weder geduldet noch in der Vergangenheit selbst herbeigeführt zu haben.

Auch nicht im Interview mit der "Bunten". Sie war lediglich damit einverstanden, dass im Juni 2011 ein Bild von ihr veröffentlicht wurde. Man darf vermuten, dass sie ohne ein entsprechendes Einverständnis in einer bebilderten Zeitschrift gar nicht zu Wort gekommen wäre. Auf ihre namentliche Anonymität scheint die Ex-Freundin von Jörg Kachelmann hingegen großen Wert gelegt zu haben.

Das LG Mannheim unterscheidet offenbar zwischen den verschiedenen Arten der Identifizierbarkeit. In dem Einverständnis mit der Bildnisveröffentlichung erkennt die Kammer keine gleichzeitige Einwilligung, auch namentlich genannt zu werden. Diese Unterscheidung entbehrt sicherlich nicht jeder Grundlage.

So ist man immerhin "googelbar", wenn der vollständige Name bekannt ist. Schon darin zeigt sich, dass die Veröffentlichung eines Bildnisses weniger schwer wiegt als die Namensnennung - zumal bei einer Person, die nicht in der Öffentlichkeit aufzutreten und im Bild festgehalten zu werden pflegt, sondern beim Radio arbeitet. Andererseits ist anerkannt, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar das Recht umfasst, darüber zu entscheiden, ob, aber nicht wie über eine Person berichtet wird.

Die Zeit kann nicht nur Wunden heilen: Ein Jahr danach

Vielleicht muss man aber die schwierige erste Frage fast anderthalb  Jahre nach dem Freispruch des Wettermoderators gar nicht mehr beantworten.

Mit der Lebach-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen bei länger zurückliegenden Ereignissen und bei der Berichterstattung (um die es sich bei dem Buch von Kachelmann nicht einmal handelt) über frühere strafrechtliche Verurteilungen definiert: Die Öffentlichkeit muss an der Identität der an dem Ereignis beteiligten Personen auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch interessiert sein (Urt. v. 05.06.1973, Az. 1 BvR 536/72).

Und gerade an dieser Stelle scheint das LG Mannheim Zweifel angemeldet zu haben, wenn es die Namensnennung von Frau D. nicht für erforderlich hielt. Die von Jörg Kachelmann beabsichtigte Aufarbeitung des umstrittenen Geschehens erhalte durch die namentliche Benennung der Frau, die ihn wegen angeblicher Vergewaltigung anzeigte, kein stärkeres Gewicht. In der Tat kann Kachelmann der Öffentlichkeit seine Sicht der Dinge, ein Jahr nachdem sein Freispruch rechtskräftig geworden ist, auch ohne namentliche Nennung von Frau D. schildern.

Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Fresenius in Köln. Neben dem Gewerblichen Rechtsschutz liegen seine Schwerpunkte u.a. im Urheber- und Presserecht und Medienrecht mit dem Schwerpunkt Glücksspielrecht.

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Markus Ruttig, Kachelmann-Buch nennt vollen Namen von Claudia D.: Einmal identifiziert – immer erkennbar? . In: Legal Tribune Online, 13.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7306/ (abgerufen am: 01.02.2023 )

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