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Finanzierung parteinaher Stiftungen: Mut zur Rechts­si­cher­heit

Gastbeitrag von Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley)

27.10.2021

Der Bundestag in Berlin

(c)  visualpower - stock.adobe.com

Wenn der Bundestag bald wieder über Zuschüsse an parteinahe Stiftungen entscheidet, will auch die AfD-nahe Erasmus-Stiftung Gelder erhalten. Der Streit um ihre Verfassungstreue zeigt, dass ein klarer Rechtsrahmen fehlt, meint Markus Ogorek. 

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Mit 660 Millionen Euro jährlich wird die Arbeit der parteinahen Stiftungen gegenwärtig in Deutschland gefördert. Gemessen an der großen Finanzkraft und wichtigen bildungspolitischen Arbeit war das mediale Interesse an ihnen bislang insgesamt überschaubar. Dass mit der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) nun eine Stiftung, deren Verfassungstreue in Zweifel gezogen wird, von diesen Geldern profitieren könnte, hat den Fokus auf das bisherige Verfahren und die Kriterien der Mittelvergabe gerichtet.

Nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) haben alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf angemessene Berücksichtigung bei der staatlichen Förderung parteinaher Stiftungen (Urt. v. 14.07.1986, Az. 2 BvE 5/83). Die Finanzierung müsse der pluralen Struktur der gesellschaftlichen und politischen Kräfte Rechnung tragen. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung ist vom Parlament bedauerlicherweise bislang noch nicht in Gesetzesform gegossen worden.

Undurchsichtiger Verteilungsschlüssel

Der Bundestag verabschiedet den durch seinen Haushaltsausschuss auf Basis eines Regierungsentwurfs vorgelegten Haushalt – und entscheidet somit auch über die Budgets für parteinahe Stiftungen. In der Staatspraxis wurde hierbei stets auf Empfehlungen der parteinahen Stiftungen selbst zurückgegriffen, die sich in sog. Stiftungsgesprächen auf einen Verteilungsschlüssel geeinigt haben. 

Diese Vorgehensweise ist angesichts der mit internen und abseits des Parlaments erfolgenden Vorabsprachen verbundenen Intransparenz zu Recht auf Kritik gestoßen. Zum einen sei problematisch, dass die parteinahen Stiftungen – jedenfalls mittelbar – die Höhe der ihnen seitens des Staates gewährten Zuschüsse selbst festlegten. Zum anderen wird zur Ermittlung, ob eine neue Stiftung ebenfalls Fördermittel erhält, auf eine von den etablierten Stiftungen in Eigenregie definierte Regel zurückgegriffen. 

Förderungswürdig soll eine politische Stiftung danach sein, wenn die ihr nahestehende Partei zweimal in Folge im Bundestag vertreten ist, davon mindestens einmal in Fraktionsstärke. Die Höhe der Förderung richtet sich nach den Ergebnissen bei den vergangenen Bundestagswahlen. In der "Gemeinsamen Erklärung zur staatlichen Finanzierung der Politischen Stiftungen" heißt es hierzu, Maßstab für die Dauerhaftigkeit und Gewichtigkeit einer politischen Grundströmung sollten die letzten vier Bundestagswahlen sein.

Keine Finanzierung von Verfassungsfeinden

Die Frage, ob die DES de lege lata einen Anspruch auf staatliche Finanzierung hat, ist vor allem mit Blick auf die grundgesetzlichen Gleichheitssätze zu beantworten. Danach darf im Grundsatz z.B. niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Wenn die DES also – anders als andere Stiftungen etablierter Parteien – von der staatlichen Förderung ausgeschlossen würde, bedürfte es hierfür eines die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Grundes. Ein solcher wäre insbesondere für den Fall der Verfassungsfeindlichkeit der DES anzunehmen.

Die Verfassungsfeindlichkeit einer Stiftung ist vor allem daran zu messen, ob sie selbst darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Zur Beurteilung der Verfassungsfeindlichkeit einer parteinahen Stiftung ist dabei nicht nur auf den Wortlaut der Stiftungssatzung abzustellen, sondern ebenso auf Äußerungen von Stiftungsfunktionären sowie die Inhalte von Stiftungsveröffentlichungen. Zudem legt eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nahe, dass es jedenfalls in Teilen zulässig erscheint, auch auf die Äußerungen von Vertretern und das Gebaren der hinter politischen Stiftungen stehenden Parteien abzustellen (Urt. v. 12.02.1998, Az. 3 C 55/96).

"Demokratiezersetzende Haltung"

In Bezug auf die DES beklagen zahlreiche gesellschaftliche Akteure, dass die Stiftung Kontakt zu rechtspopulistischen und teils rechtsradikalen Kadern unterhalte. So wird immer wieder über rassistische, antisemitische und andere extreme Positionen berichtet, die führende Stiftungsvertreter öffentlich beziehen. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, attestierte der DES jüngst im Nachrichtenmagazin Der Spiegel eine "demokratiezersetzende Haltung“. Die AfD-nahe Stiftung betreibe eine Bildungsarbeit, die auf die Relativierung von NS-Verbrechen abziele und damalige Täter verharmlose. Mendel hatte deshalb jüngst einen eigenen Gesetzentwurf vorgestellt, dem zufolge jede Stiftung vor ihrer Anerkennung u.a. eine Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit und Anerkennung der Menschenrechte beim Bundesverwaltungsamt zu durchlaufen habe.

Die DES hat auf diese Debatte in einer Tonalität reagiert, wie man sie von der ihr nahestehenden Partei kennt. Als "selbstherrlich" und "abenteuerlich" bezeichnete Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach Stimmen, die eine Förderwürdigkeit der AfD ablehnen – um sodann zu behaupten: Keine andere neue Partei habe in Deutschland jemals einen "derart rasanten, weitreichenden und dauerhaften Aufstieg geschafft". Ob das die übrigen politischen Parteien beindruckt, darf in Zweifel gezogen werden. Letztverbindlich wird wohl die Judikative darüber entscheiden müssen, ob die DES verfassungsfeindlich ist – nämlich dann, wenn der Bundestag der Stiftung die staatliche Finanzierung verwehren und diese sich gerichtlich zu Wehr setzen sollte.

Das Parlament ist am Zug

Die geschilderte Rechtsunsicherheit in Bezug auf die DES hat in besonderer Weise deutlich gemacht, dass es von den abstrakten Maßgaben des BVerfG ausgehend endlich eines konkretisierenden Stiftungsfinanzierungsgesetzes bedarf. Dass der Bund hierfür zuständig ist, wird zwar bisweilen angezweifelt – unter anderem, weil die politischen Stiftungen nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung organisatorisch von den hinter ihnen stehenden Parteien getrennt werden müssen. Aufgrund der Sachnähe dürften Regelungen zur Finanzierung politischer Stiftungen aber unter den Gesetzgebungstitel des Art. 21 Abs. 5 Grundgesetz fallen. Materiell sollte ein Stiftungsfinanzierungsgesetz insbesondere die folgenden zwei Aspekte aufgreifen: 

Erstens müsste die Mittelvergabe an parteinahe Stiftungen daran geknüpft werden, dass die Stiftungen bestimmte Voraussetzungen aktiv erfüllen. So ließe sich etwa zur Förderbedingung machen, dass die betreffende Stiftung sich in ihren Zielen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Zudem könnten Kriterien wie die Gemeinnützigkeit der Stiftung und das Handeln im Sinne der allgemeinen Menschenrechte als Anforderungen festgelegt werden. Solche Maßstäbe erscheinen geeignet, den grundgesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, die an derartige Unterscheidungsmerkmale zu stellen sind. Der Haushaltsausschuss müsste dann eine rechtliche Bewertung treffen, die abgelehnte Stiftungen gerichtlich überprüfen lassen könnten.  

Wer indes die Verwaltung entscheiden lassen will, wie es die Bildungsstätte Anne Frank vorschlägt, verliert zweierlei aus dem Blick. Zunächst ist das Haushaltsrecht originäre Domäne der Legislative, Regierungsstellen sollten daher nicht letztverbindlich entscheiden dürfen. Vor allem aber ließe es sich allzu leicht als "Gesinnungsprüfung" verunglimpfen, wenn der Bundesregierung nachgeordnete Behörden über das Vorliegen wertungsbedürftiger Kriterien zu entscheiden hätten.  

Zweitens sollte ein Stiftungsfinanzierungsgesetz einen konkreten Verteilungsschlüssel anhand differenzierter, objektiver Maßstäbe enthalten. Grundlage könnte eine Sockelfinanzierung für alle Stiftungen sein, die im Sinne des BVerfG eine "dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung" repräsentieren. Hinzu träte ein variabler Zuschuss, der anhand der Stimmergebnisse der hinter den Stiftungen stehenden Parteien in den jeweils zwei letzten Bundestagswahlen bemessen werden könnte. Insgesamt sollten diese Anteile gegenüber der jetzigen Höhe der staatlichen Finanzierung jedoch abgesenkt werden, um Mittel für zweckgebundene Vorhaben freizusetzen. Die parteinahen Stiftungen müssten dann in einem Ideenwettbewerb um diese zweckgebundenen Mittel konkurrieren – etwa auf dem Gebiet der Demokratiebildung. 

Ein Dreiklang aus Grundfinanzierung, weiteren Zuschüssen nach parlamentarischer Stärke der nahestehenden Parteien und projektbezogenen Zuweisungen würde Bewegung in das bisherige System bringen. Wenn nicht nur das "Ob", sondern auch das "Wie" der Vergabe staatlicher Mittel eindeutig geregelt wird, stärkt dies zudem die öffentliche Akzeptanz für die den politischen Stiftungen zugewiesenen, durchaus beträchtlichen Summen.

AfD entzaubern

Insgesamt gilt: Die jetzige nebulöse Rechtslage um die Finanzierung parteinaher Stiftungen leistet nicht nur der pauschalierenden Parteienkritik Vorschub, die mittlerweile vermehrt zu vernehmen ist. Sie ist vielmehr auch Wasser auf die Mühlen jener Partei, die sich als Opfer vermeintlicher "Kartellparteien" der Mitte zu stilisieren versucht. Mit einer klaren gesetzlichen Regelung würde der Bundestag daher nicht nur für mehr Rechtssicherheit sorgen, sondern auch die teils fadenscheinigen Anwürfe der AfD entzaubern. 
 
Der Autor Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley), ist Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln. 

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Finanzierung parteinaher Stiftungen: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46466 (abgerufen am: 17.06.2025 )

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