Druckversion
Dienstag, 30.05.2023, 04:26 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/bverwg-urteil-9c618-9c718-zweitwohnungssteuer-rechtswidrig-keine-ubergangsfrist-fuer-gemeinden-kommunen/
Fenster schließen
Artikel drucken
38977

BVerwG zur Zweitwohnungsteuer: Keine Schon­frist für die Gemeinden

Gastbeitrag von Prof. Dr. Dennis Klein

29.11.2019

Häuschen auf Geldstücken

jaturonoofer - stock.adobe.com

Weil Gemeinden die Zweitwohnungsteuer auf Grundlage alter Zahlen erheben, ist sie rechtswidrig. Eine Übergangsfrist für neue Regelungen gibt es nicht, entschied nun das BVerwG. Kommunen müssen jetzt schnell reagieren, zeigt Dennis Klein.

Anzeige

Wird eine kommunale Abgabensatzung im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig erkannt, darf sie auch nicht übergangsweise als wirksam behandelt werden. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig (Urt. v. 27.11.2019, Az. 9 C 6.18, 9 C 7.18, u. a.).

In den Fällen, die zusammengefasst von den Leipziger Richtern entschieden wurden, geht es um die Zweitwohnungsteuer, die eine örtliche Aufwandsteuer ist. Gemeinden dürfen diese erheben, sofern dies landesrechtlich zugelassen ist und sie entsprechende kommunale Abgabensatzungen erlassen. Steuerlicher Belastungsgrund ist die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, die durch das Innehaben einer Zweitwohnung neben der Hauptwohnung zum Ausdruck kommt.

Das gesamte Aufkommen durch die Zweitwohnungsteuer beträgt bundesweit rund 110 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zu anderen Steuern nicht viel, die Zweitwohnungsteuer ist also eher eine Bagatellsteuer. Das eigentliche Motiv vieler Gemeinden dürfte auch weniger in der Einnahmenerzielung liegen, als vielmehr darin, Steuerpflichtige zu veranlassen, ihren Hauptwohnsitz im Gemeindegebiet anzumelden. Dann winken nämlich höhere Anteile an den Steuermilliarden aus der Einkommensteuer.

Erhebung der Zweitwohnungsteuer basiert auf viel zu alten Zahlen

Das Problem der Zweitwohnungsteuer liegt in ihrer Bemessungsgrundlage. Viele kommunale Zweitwohnungsteuersatzungen knüpfen nämlich an die Wertverhältnissen des Jahres 1964 an. Wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Wertverzerrungen verstößt dies aber gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 GG.

Die Zweitwohnungsteuer teilt insofern das Schicksal der Grundsteuer: Diese knüpfte nämlich ebenfalls an die Wertverhältnisse von 1964 an und wurde 2018 in ihrer damaligen Fassung vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungswidrig eingestuft.

Der Hintergrund ist, dass ursprünglich für Grundstücke Einheitswerte festgestellt werden sollten, die dann für verschiedene Steuerarten einheitlich als Bewertungsgrundlage hätten herangezogen werden können. Die Einheitsbewertung sämtlicher 35 Millionen Grundstücke in Deutschland stellte sich für die Verwaltung aber als so aufwendig heraus, weswegen sie letztmalig für 1964 vorgenommen wurde. Zwischenzeitlich haben sich die Grundstückswerte weiterentwickelt – und zwar höchst unterschiedlich. Während Grundstücke in Metropolen enorme Wertzuwächse erfuhren, fielen diese in anderen Gegenden bescheidener aus oder waren teilweise sogar negativ. Auch innerhalb von Gemeinden hat es erhebliche Wertverschiebungen gegeben. Da diese jahrzehntelange Entwicklung ignoriert wurde, lag die Gleichheitswidrigkeit quasi auf der Hand.

Die eigentlich als Arbeitserleichterung für die Gemeinden gedachte Anknüpfung an die Einheitswerte erweist sich damit als steuerlicher Bumerang: Über die Anknüpfung an die Einheitsbewertung importieren viele kommunale Abgabensatzungen gewissermaßen die Verfassungswidrigkeit.

Viele Gemeinden hatten zunächst gehofft, dass eine an den Inflationsraten ausgerichtete Wertfortschreibung der Einheitswerte das Problem lösen würde. So hatte 2018 auch noch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass eine Hochrechnung der Wertverhältnisse von 1964 anhand von Preisindizes ausreichen würde. Jedenfalls bewege sich dies noch innerhalb des gesetzlichen bzw. kommunalen Regelungsspielraumes.

Diesen Ideen hat allerdings das BVerfG in einer kürzlichen Entscheidung aber ebenfalls eine Absage erteilt. Für zwei bayerische Gemeinden entschied es, dass eine Hochrechnung mit dem Verbraucherpreisindex nicht geeignet sei, die inzwischen aufgetretenen Wertverzerrungen auszugleichen. Denn mit dem Index werden naturgemäß alle Werte einheitlich fortgeschrieben, zwischenzeitliche Wertverzerrungen also ignoriert.

Gemeinden wollten eine Atempause

Bei den jetzt vom BVerwG zu entscheidenden Fällen dreier Gemeinden aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen ging es deshalb auch gar nicht mehr darum, ob die betroffenen Zweitwohnungsteuersatzungen rechtswidrig waren. Daran gab es keinen Zweifel mehr. Die betroffenen Gemeinden kämpften aber noch darum, ihre bisherigen rechtswidrigen Satzungen wenigsten übergangsweise weiter anwenden zu dürfen, bis sie neue verfassungskonforme Regelungen erlassen hätten.

Sie sahen sich darin durch die Tradition des BVerfG bestärkt, das nicht selten eine befristete Fortgeltungsanordnung zu Übergangsfristen bei verfassungswidrigen Steuergesetzen zubilligt. Die Karlsruher Richter nehmen nämlich regelmäßig auf die Haushaltsbelange der öffentlichen Hand Rücksicht, zumal wenn rückwirkend Steuerrückzahlungen im Raum stehen. So hatte es beispielsweise für die Grundsteuer eine Übergangsfrist gebilligt, wenn bis Ende 2019 eine Neuregelung gefunden würde. Die Politik lockte die in Aussicht gestellte Atempause und einigte sich: Nach zähem Ringen hat der Bundestag im Herbst 2019 denn auch einen Reformkompromiss gefunden.

Das Bundesverwaltungsgericht vermochte sich dieser Tradition nun aber nicht anzuschließen. Es erkannte die betroffenen Abgabensatzungen ausnahmslos für rechtswidrig an und billigte den Gemeinden keine Übergangsfrist zu. Recht ist Recht und Unrecht ist Unrecht, wenn man so will.

Gemeinden können Einnahmenausfälle begrenzen

Anders als das BVerfG hat das Bundesverwaltungsgericht auch keine Kompetenz zu einer Fortgeltungsanordnung. Die vorliegenden Anfechtungsklagen der betroffenen Bürger konnte es nur nach den Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung entscheiden. Danach war es verpflichtet, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, soweit diese keine Grundlage in einer rechtmäßigen Satzung finden und deshalb die betroffenen Bürger in ihren Rechten verletzten.

Das ist eine folgerichtige Entscheidung. Sie erhöht den Handlungsdruck auf die Gemeinden, notwendige gesetzliche Anpassungen zeitnah vorzunehmen.

Ein kleines Trostpflaster gab das BVerwG den Gemeinden dann doch noch mit auf den Weg: Betroffen sind nur konkret angefochtene Bescheide. Sofern Zweitwohnungsteuerbescheide bestandskräftig sind, gibt es keine kommunale Verpflichtung, diese von sich aus zu überprüfen und anzupassen. Und die erforderlichen Neufassungen der kommunalen Abgabensatzungen dürfen sogar rückwirkend in Kraft gesetzt werden, sofern das Verschlechterungsverbot für die Steuerpflichtigen beachtet wird. Wenn Gemeinden jetzt schnell reagieren, lassen sich die Einnahmeausfälle also durchaus begrenzen.

Der Autor Prof. Dr. Dennis Klein ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

BVerwG zur Zweitwohnungsteuer: Keine Schonfrist für die Gemeinden . In: Legal Tribune Online, 29.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38977/ (abgerufen am: 30.05.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Verwaltungsrecht
    • Öffentliches Recht
    • Steuerrecht
    • Kommunale Steuern
    • Kommunen
    • Steuern
    • Verfassung
    • Wohneigentum
  • Gerichte
    • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
15.05.2023
Papst

Anpassung an "Erfordernisse der Zeit":

Papst erneuert Ver­fas­sung des Vatik­an­staats

Frauen in der Päpstlichen Kommission und strengere Haushaltsregeln für den Vatikan – mit diesen Neuerungen will Franziskus den Vatikanstaat zeitgemäßer aufstellen. Die "Gesamtheit der Regierungsgewalt" des Papstes bleibt aber erhalten.

Artikel lesen
08.05.2023
Haftung

OLG Oldenburg zur Haftung beim Hauskauf:

Ein unbe­merkter Mar­der­schaden im Dach­stuhl

Marder im Dachstuhl sind in aller Regel keine beliebten Gäste. Dass es aber durchaus möglich sein kann, sie jahrelang nicht zu bemerken, hält das OLG Oldenburg für möglich. Beim Hausverkauf haften muss man für die Störenfriede dann nicht.

Artikel lesen
29.05.2023
Jurastudium

Videobericht zu Demonstration vor Justizministerkonferenz:

"Die juris­ti­sche Aus­bil­dung darf nicht krank machen!"

Empörte Nachwuchsjuristen gewappnet mit Megaphon und Schildern richten ihre Reform-Forderungen an die in Berlin tagenden Justizminister. Angesichts sinkender Studentenzahlen liegt der Handlungsbedarf auf der Hand. Wie reagiert die Politik? 

Artikel lesen
29.05.2023
Arbeitszeit

Arbeitszeitmodelle in Kanzleien:

Mit Teil­zeit in die Part­ner­schaft?

60 Stunden die Woche, am Wochenende erreichbar: Für einige Anwälte ist das normal, andere wollen mehr Zeit für Familie und Hobbys. Ist Teilzeitarbeit in Großkanzleien überhaupt realistisch? Und wie sieht es mit der Partnerschaft aus?

Artikel lesen
27.05.2023
BVerfG

Abschied von Baer und Britz am BVerfG:

"Diver­sität ist berei­chernd"

In einer bewegenden Abschiedsrede reflektierte Susanne Baer ihre Rolle als erste offen lesbische Verfassungsrichterin. Sie und Gabriele Britz warnten vor populistischen Angriffen auf das BVerfG. Christian Rath hat zugehört.

Artikel lesen
28.05.2023
Referendariat

Gestrichene Prüfungsorte in Bayern:

Laptop und Land­straße

Bayern streicht Prüfungsstandorte, um das E-Examen einzuführen. Das schafft Ungleichheit und macht nicht nur die Juristenausbildung unattraktiver, sondern wird auch zum übergeordneten Glaubwürdigkeitsproblem für die Politik, meint Holm Putzke.

Artikel lesen
TopJOBS
Sta­ti­ons­re­fe­ren­da­re (m/w/x)

Freshfields Bruckhaus Deringer , Mün­chen

Ers­te Stadträ­tin / Ers­ter Stadt­rat (m/w/d)

Magistrat der Stadt Bad Nauheim , Bad Nau­heim

Ju­rist*in (m/w/d) – Sach­ge­biets­lei­tung der Schwer­be­hin­der­ten­s­tel­le

Stadt Köln , Köln

Voll­ju­ris­tin / Voll­ju­rist (m/w/d)

Robert Koch-Institut (RKI) , Ber­lin

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/x)

Freshfields Bruckhaus Deringer , Mün­chen

Rechts­an­walt Ge­sell­schafts- und/oder Steu­er­recht (m/w/d)

Treuhand Rechtsberatung Hochhäusler · Duwe & Partner Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB , Ol­den­burg (Oldb)

Steu­er­be­ra­ter*in­nen (m/w/d)

CLIFFORD CHANCE Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Ju­rist*in (m/w/d) in Teil­zeit in der Stabs­s­tel­le für Be­tei­li­gungs­steue­rung...

Stadt Köln , Köln

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Online Info Session Part-time Master (MA)

06.06.2023

CV writing workshop – What it takes to stand out

06.06.2023

Internationale Vertragsgestaltung

07.06.2023

Online Info Session Bachelor in Law, Politics and Economics (BA)

07.06.2023

Online Info Session Bachelor in Business Studies (BSc)

07.06.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH