Acht Gesetzesvorhaben aus den Bereichen Asyl und Einwanderung will die Bundesregierung am Freitag durch den Bundestag bringen. Diverse NGO beklagen einen "Geist des Rechtspopulismus", juristische Sachverständige äußerten Wohlwollen.
Ein ganzes Paket mit neuen Regelungen zum Asyl- und Einwanderungsrecht soll am Freitag den Bundestag passieren. Dabei geht es um zwei entgegengesetzte Stoßrichtungen: Einige Ausländer sollen kommen und - wenn es gut läuft in Deutschland – einfacher bleiben dürfen, andere hingegen möglichst schnell gehen.
Um diese Ziele zu erreichen, sollen acht Gesetzesvorhaben zu Migration und Asyl am Freitag abschließend beraten werden. Zum Paket gehören Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz, das "Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung", das "Gesetz zu Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung" sowie das zweite Gesetz zur verbesserten Durchsetzung der Ausreisepflicht, zu dem es bereits 2017 ein erstes Gesetz gab. Die aktuelle Fassung ist besser bekannt als das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).
Abschiebehaft in normalen Gefängnissen
Über letzteres wird seit Monaten diskutiert, am Montag fand die Anhörung im Innenausschuss statt, für den heutigen Mittwoch sind die Beratungen im Innenausschuss vorgesehen. Auch die Justizminister der Länder diskutieren auf ihrer Konferenz in Lübeck-Travemünde unter anderem über die bessere Durchsetzung von Abschiebungen straffälliger Flüchtlinge.
Mit der Neuregelung ist unter anderem geplant, dass Ausländer bei einer kurz bevorstehenden Abschiebung in regulären Gefängnissen untergebracht werden dürfen. Die Unterbringung in normalen Gefängnissen soll bis Juli 2022 möglich sein, weil es aktuell bundesweit nur rund 490 Abschiebehaftplätze gibt. Allerdings sollen die Ausreisepflichtigen nicht gemeinsam mit normalen Häftlingen untergebracht werden. Nach diesem Datum soll es Abschiebehaft im Gefängnis dann nur noch für Ausländer geben, die ausgewiesen werden, weil sie eine Straftat begangen haben.
Im Jahr 2014 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine gemeinsame Unterbringung von Ausreisepflichtigen mit Straftätern untersagt. Im Februar dieses Jahres hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage in Bezug auf die Unterbringung von Gefährdern in normalen Gefängnissen erneut dem EuGH vorgelegt. Die Entscheidung steht noch aus.
Wie weitgehend dieses sogenannte Trennungsgebot ist, darüber herrscht erbitterter Streit zwischen Befürwortern der härteren Gangart auf der einen und Asylrechtlern sowie Nicht-Regierungsorganisationen auf der anderen Seite. Nach Angaben des BMI hatten sich die juristischen Sachverständigen, die Konstanzer Professoren für Öffentliches Recht und Europarecht Dr. Marcel Kau und Dr. Daniel Thym, bei der Anhörung im Ausschuss positiv zu dem Entwurf geäußert.
Durchstechen von Abschiebeterminen strafbar
Mit dem Maßnahmenpaket sollen künftig Amtsträger, die Betroffene vor Abschiebungen warnen, strafrechtlich verfolgt werden können. Schon mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz von 2015 darf dem Ausländer der Termin zur Abschiebung – nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise - nicht mehr angekündigt werden, § 59 Abs .1 S. 8 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Gleichwohl sickern Informationen über geplante Abschiebungen immer wieder durch. Ausländerbehörden und Polizei kritisieren, dass sich die Ausreisepflichtigen so den Abschiebungen entziehen. Erstmals seien im vorigen Jahr mehr Rückführungen gescheitert als gelungen. Wesentliche Gründe seien fehlende Reisedokumente und Unklarheit über die Identität der Betroffenen, so das BMI.
Um das Untertauchen zu verhindern, soll die Polizei mehr Befugnisse erhalten. Die Beamten sollen auf Anordnung eines Richters die Wohnung des betroffenen Ausländers durchsuchen dürfen. Bei Gefahr im Verzug soll diese Durchsuchung allerdings auch von der Behörde angeordnet werden können, die für die Abschiebung zuständig ist. Als Wohnung gelten in diesem Sinne auch Flüchtlingsunterkünfte. Gegner der Regelung weisen darauf hin, dass damit in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen werde.
So hatte die Sozialsenatorin in Berlin kürzlich in einem Schreiben die Heimbetreiber angewiesen, der Polizei ein Betreten ohne Durchsuchungsbeschluss zu untersagen. Sie wies darauf hin, dass die Polizei für die Suche nach einem Ausländer einen richterlichen Beschluss brauche, woraufhin sie in einen Streit mit dem Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) geriet. Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, kritisierte die geplante Änderung am Dienstag: "Das Tor zur überfallartigen Festnahme zum Transport in den Ausreisegewahrsam wird schrankenlos geöffnet."
Auch an die Sozialleistungen will die Regierung mit dem Regelungspaket Hand anlegen: Sie sollen gekürzt werden dürfen, um Ausreisepflichtige zur Mitwirkung zu animieren, wenn es etwa um die Passbeschaffung geht. Für den Deutschen Anwaltverein hatte bei der Anhörung Rolf Stahmann auf die vielfach diskriminierende Behandlung hingewiesen, die Asylbewerber in Botschaften ihrer Heimatländer zuteil werde. In der Regel sei es ihnen nicht persönlich zuzurechnen, wenn die Beschaffung von Reisedokumente scheitere.
Duldungen und Duldung-Minus
Mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung nimmt sich die Bundesregierung eines anderen Problems an: Der Großteil der abgelehnten Asylbewerber erhält aus tatsächlichen, rechtlichen, dringenden humanitären oder persönlichen Gründen eine Duldung. Einen solchen Duldungsstatus haben laut Ausländerzentralregister mit Stand von November 2018 178.966 Personen. Mit zunehmender Duldungsdauer geht nicht selten auch eine zunehmende Integration einher, schreibt die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung.
Vorgesehen ist daher, Fallgruppen der Duldungen aus dem allgemeinen Duldungstatbestand des § 60a AufenthG in eigene Vorschriften zu überführen, also die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung für Menschen, die durch eine nachhaltige Beschäftigung ihren Lebensunterhalt selbst sichern und gut integriert sind. Von dieser Regelung soll aber nur profitieren können, wer vor August 2018 eingereist ist.
Grüne, Linke und der Paritätische Gesamtverband kritisierten besonders die geplante "Duldung minus" für abgelehnte Asylbewerber, die an der Klärung ihrer Identität und der Beschaffung von Reisedokumenten nicht mitwirken. Wer mit diesem Status in Deutschland lebt und sich später um einen dauerhaften Aufenthaltsstatus bemüht, bekommt diesen Zeitraum nicht als "Voraufenthaltszeiten" angerechnet.
Einwanderung von Fachkräften
Verabschiedet werden soll auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Auf Drängen der SPD sollen mehr Schulabsolventen aus Nicht-EU-Staaten als ursprünglich vorgesehen zur Suche eines Ausbildungsplatzes für sechs Monate nach Deutschland kommen dürfen. Der Entwurf der Bundesregierung sah diese Möglichkeit eigentlich nur für Absolventen deutscher Auslandsschulen vor und für junge Menschen, deren Schulabschluss mit einem deutschen Schulabschluss gleichgestellt ist. Dieser Kreis wird jetzt deutlich erweitert. Gute Deutsch-Kenntnisse bleiben aber weiterhin Voraussetzung.
Die von der Regierung ebenfalls geplanten Visa-Erleichterungen für Fachkräfte werden nach Einschätzung von Experten allerdings keine große Zahl von ausländischen Arbeitskräfte nach Deutschland locken. Die Hürden für die Einreise qualifizierter Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten blieben auch mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz noch ziemlich hoch, sagte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags.
DGB: "Nur echte Fachkräfte" kommen lassen
Die auf Erwerbsmigration spezialisierte Anwältin Bettina Offer sagte, das größte Problem seien nicht restriktive gesetzliche Vorgaben. Ein enormes Hindernis sei vielmehr, dass Fachkräfte an Standorten wie Bangalore in Indien oder Mexiko-City oft monatelang auf einen Termin warten müssten, um in einer deutschen Auslandsvertretung ihren Visumsantragstellung stellen zu können.
Johannes Jakob vom DGB-Bundesvorstand forderte, es dürften nur echte Fachkräfte kommen. "Wir sehen derzeit nicht die Notwendigkeit, Geringqualifizierte zusätzlich einwandern zu lassen." Unternehmen in Branchen wie der Fleischindustrie oder der Gastronomie könnten leicht Personal finden, wenn sie nur bessere Arbeitsbedingungen schafften.
Ein Bündnis von 22 zivilgesellschaftlichen Organisationen hatte die Abgeordneten des Bundestags aufgefordert, das Gesetz nicht zu verabschieden. Pro Asyl erklärte: "Diese Gesetzespakete atmen den Geist des Rechtspopulismus". Der Paritätische Gesamtverband sprach von einer "maßlosen Ausweitung der Abschiebungshaft".
Über die Gesetzentwürfe könnte bereits diesen Freitag im Bundestag abschließend beraten werden. Mehrere Oppositionspolitiker beklagten angesichts dessen das hohe Tempo, mit dem über diese Migrations- und Asylvorhaben beraten wird.
Mit Material von dpa
Neues Asyl- und Migrationspaket der Regierung: . In: Legal Tribune Online, 05.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35773 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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