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Ein bisschen Reform im Familienrecht: Jus­tiz­mi­nis­terin lehnt auto­ma­ti­sches Sor­ge­recht für unver­hei­ra­tete Väter ab

von Hasso Suliak

10.08.2020

(c) Jacob Lund/stock.adobe.com

Die geplante Reform des Sorgerechts aus dem BMJV sorgt bei Familienrechtlern auf Unverständnis: Entgegen den Empfehlungen einer hochkarätigen Arbeitsgruppe soll es auch weiterhin kein automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter geben.

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Rund eineinhalb Jahre hatten sich acht Familienrechtler aus Wissenschaft, Justiz und Anwaltschaft im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) beraten. Ihre Aufgabe: das zuletzt 1998 umfassend geänderte Sorge- und Umgangsrecht an moderne Betreuungsmodelle und geänderte Lebenswirklichkeiten vieler Familien anzupassen.

Nachdem im November 2019 der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, steht nun der entsprechende Gesetzentwurf in weiten Teilen. In dieser Woche soll er in die Ressortabstimmung gelangen. Indes: Bei den Familienrechts-Experten dürfte die Enttäuschung groß sein. Denn einem ihrer wichtigsten Vorschläge möchte die Ministerin nicht folgen: Ein automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter soll es – entgegen anderslautenden Medienberichte - auch weiterhin nicht geben.

BMJV: Mutter muss zustimmen

Damit erteilte die Ministerin dem Rat der Experten eine Absage, wonach die elterliche Sorge den rechtlichen Eltern eines Kindes von Anfang an per Gesetz sofort gemeinsam zustehen soll. Die Familienrechtler hatten vorgeschlagen, dass unverheiratete Väter, deren Vaterschaft rechtlich anerkannt ist, mit Geburt des Kindes wie die Mutter automatisch sorgeberechtigt sein sollen.

Derzeit bedarf es hierfür einer gemeinsamen Sorgeerklärung beider Eltern. Weigert sich die Mutter, mit dem Vater das Sorgerecht zu teilen, muss der Vater den Weg übers Familiengericht gehen und einen Antrag auf gemeinsame Sorge (§ 1626 a Abs. 2 S.1 Bürgerliches Gesetzbuch) stellen. Das Familiengericht prüft dann, ob die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes entspricht.

Nach den jetzt bekannt werdenden Plänen der Ministerin wird sich daran im Prinzip nichts ändern, einen neuen Automatismus wird es auch weiterhin nicht geben. "Die gemeinsame elterliche Sorge soll eintreten, wenn eine Person die Vaterschaft oder Mutterschaft anerkennt und die Geburtsmutter zustimmt, " bestätigte ein Sprecher des BMJV auf LTO-Anfrage. Will die Mutter also dem Vater das Sorgerecht nicht zugestehen, muss der auch künftig gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Warum Bundesjustizministerin Lambrecht trotzdem in einem Interview mit der Nachrichtenagentur KNA am vergangenen Freitag davon sprach, mit dieser Lösung werde das gemeinsame Sorgerecht von nicht verheirateten Eltern "erleichtert", erschließt sich Rechtsanwältin Eva Becker, Mitglied der AG und Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein, nicht.

"Auch weiterhin wird es Hürden für unverheiratete Väter geben, das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Es ist bedauerlich, dass die Ministerin nicht der Auffassung der Arbeitsgruppe gefolgt ist. Kinder haben von Geburt an den Anspruch auf zwei sorgeberechtigte Eltern", so Becker gegenüber LTO. Die Anwältin hatte den Automatismus beim Sorgerecht mit Etablierung der rechtlichen Elternschaft seinerzeit als "Leitbild einer geplanten Reform" bezeichnet. Der Vorschlag war in der Arbeitsgruppe im BMJV ohne Gegenstimme angenommen worden.

Vorbehalte gegen Automatismus bei diversen Verbänden

Warum die Ministerin ihm dennoch nicht folgen will, das dürfte damit zusammenhängen, dass insbesondere Frauenrechtsorganisationen einem Automatismus von Anfang an kritisch gegenüber gestanden haben und wohl noch stehen. So hatte der Deutsche Juristinnenbund seinerzeit etwa erklärt, dass die Mutter nicht selten einen guten Grund habe, den Vater nicht immer mit im Boot zu haben.

Auch die Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), Daniela Jaspers, warnte gegenüber LTO vor einem Automatismus eines gemeinsamen Sorgerechtes: "Gemeinsame Sorge ist kindeswohldienlich, wenn Eltern gut miteinander kooperieren können, bei starken Elternkonflikten oder häuslicher Gewalt hingegen nicht.“ Der VAMV lehne es entschieden ab, das Sorgerecht bereits an die Anerkennung der Vaterschaft zu knüpfen. "Wir halten es für gut, wenn Eltern bewusst die Entscheidung treffen, dass sie miteinander für gemeinsame Kinder sorgen wollen. Durch Heirat oder gemeinsame Sorgeerklärung tun dies bereits über 91 Prozent der Eltern im Geburtsjahr des Kindes, andere später. Tun sie es nicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass gute Gründe gegen gemeinsame Sorge im Spiel sind, beispielsweise Alkohol, Gewalt, eine hochstrittige Trennung oder weil Eltern sich kaum kennen", so Jaspers.

Rückendeckung bekommt SPD-Ministerin Lambrecht auch vom Koalitionspartner: So begrüßte der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Rechtsanwalt Jan-Marco Luczak, gegenüber LTO den BMJV-Vorschlag: Wenn bereits die Anerkennung der Vaterschaft zum Streit führe und erst gerichtlich festgestellt werden müsse, so sei es richtig, "zum Schutz und zum Wohl des Kindes Hürden für ein gemeinsames Sorgerecht beizubehalten und weiterhin sorgfältig zu prüfen".

Familiengründung: Schwule Paare bleiben auf Adoption angewiesen

Das Thema gemeinsame Sorge ist indes nur ein Teil des Gesetzentwurfes aus dem BMJV. Ein weiterer Schwerpunkt des Entwurfs liegt in der Reform des Abstammungsrechts. So soll etwa bei lesbischen Paaren künftig neben der Geburtsmutter eine weitere Frau Mutter sein können, ohne dass sie hierzu wie aktuell ein aufwändiges Adoptionsverfahren führen muss. Diese Forderung hatten LGBTI-Verbände bereits seit längerem an das BMJV adressiert und waren damit lange unerhört geblieben.   

Während sich für lesbische Paare, die Eltern werden wollen, insofern also die Situation verbessert, soll bei männlichen Paaren alles beim Alten, sprich beim Weg über die Adoption bleiben. "Wir wollen daran festhalten, dass die erste Elternstelle der leiblichen Mutter, die das Kind geboren hat, vorbehalten bleibt. Ihr Vorhandensein ist Grundvoraussetzung", so Ministerin Lammbrecht gegenüber der Agentur KNA.

Änderungen sind darüber hinaus auch beim Thema Wechselmodell geplant, bei dem das Kind abwechselnd zu annähernd gleichen Zeitanteilen in den Haushalten der getrennten Eltern wohnt. Auch wenn das Modell nicht zum Regelmodell im Umgangsrecht werden soll, sollen doch zumindest für die Eltern, die das Modell praktizieren, Alltagsentscheidungen erleichtert werden. Bislang sieht das Gesetz vor, dass im Wechselmodell alle alltäglichen Angelegenheiten von beiden Eltern gemeinsam entschieden werden müssen. Künftig soll jeweils das Elternteil eigenständig entscheiden können, in dessen Lebensbereich bestimmte Fragen fallen wie außerschulische Sport- und Freizeitaktivitäten des Kindes.

Keine Erleichterungen sieht das BMJV-Vorhaben dagegen für Frauen mit Kinderwunsch vor, die auf eine Eizellenspende hoffen, weil sie selbst keine oder keine gesunden Eizellen produzieren können. Frauen bleibt es weiterhin strafrechtlich verboten, Eizellen zu spenden (§ 1 Abs.1 Embryonenschutzgesetz). Ein Verstoß wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Warum das Ministerium sich an dieser Stelle nicht endlich bewegt, kann DAV-Familienrechtlerin Becker nicht nachvollziehen: "Das Verbot ist nicht mehr zeitgemäß. Während die männliche Samenspende erlaubt ist, traut man den Frauen offenbar weiter nicht zu, hier eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen."

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Ein bisschen Reform im Familienrecht: Justizministerin lehnt automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter ab . In: Legal Tribune Online, 10.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42453/ (abgerufen am: 07.03.2021 )

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