Die in vielen AGB enthalte sog. Darlehensgebühr benachteiligt Bausparer unangemessen, entschied der BGH am Dienstag. Warum die sich mit einer Rückforderung sicherheitshalber beeilen sollten, erklärt Ilja Ruvinskij.
Die Bestimmung in einem Bausparvertrag, wonach bei Auszahlung des Darlehens eine Gebühr in Höhe von zwei Prozent der Darlehenssumme fällig wird, stellt eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers im Sinne von § 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dar. Das entschied der BGH am Dienstag (Urt. vom 08. November 2016, Az. XI ZR 552/15).
In zwei anderen, bereits terminierten Verfahren zur selben Rechtsfrage hat die beklagte Wüstenrot Bausparkasse sich mit den dortigen Klägern geeinigt. Gegen die Bausparkasse Schwäbisch Hall aber war nun die Verbraucherzentrale NRW erfolgreich. Wie auch zahlreiche andere Bausparkassen hatte diese in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) eine Darlehensgebühr in Höhe von zwei Prozent der Darlehenssumme festgesetzt.
Dank des Urteils können tausende Bausparer ihr Geld zurückverlangen. Viele von ihnen sollten das bis Ende dieses Jahres tun, wenn sie auf der sicheren Seite sein wollen.
Eine absehbare Entscheidung?
Bereits im Jahr 2014 hatte der BGH sogenannte Bearbeitungsentgelte für Kredite gekippt. In der Entscheidung hieß es, Finanzinstitute dürften Kosten, die in ihrem eigenen Interesse entstehen, nicht einfach auf den Kunden abwälzen (Urt. v. 13.05.2014, Az. XI ZR 405/12, XI ZR 170/13).
Infolge dieser Urteile konnten Kreditnehmer ihre bereits geleisteten Entgelte zurückverlangen, Zehntausende von ihnen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Der Verbraucherschutzverband NRW fand, dass dies auch für Bauspardarlehen gelten müsse. Eine Darlehensgebühr sah er als nicht erforderlich an, weil schon die Abschlussgebühr als Eintrittsgebühr in das System gelte und ein Entgelt für die Kreditgewährung beinhalte. Diese Gebühr, die beim Abschluss eines Bauvertrags anfällt, hat der BGH im Dezember 2010 für zulässig erklärt, auch wenn der Bausparer dafür keine explizite Gegenleistung erhält (Urt. v. 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10).
In der ersten und zweiten Instanz scheiterten die Verbraucherschützer mit dieser Argumentation noch.
Vorinstanz: Gebühr gesetzgeberisch gebilligt
Nach Auffassung des OLG Stuttgart erlaube das Leitbild des Bausparvertrages die Erhebung der streitigen Darlehensgebühr. Indizien für ihre Billigung durch den Gesetzgeber seien die staatliche Förderung in Form von Bausparprämien, aber auch die Einbeziehung der Darlehensgebühr in die Berechnung des effektiven Jahreszinses.
Dass die Darlehensgebühr bei vorfälliger Tilgung des Bausparers nicht zurückerstattet wird, sah das OLG ebenfalls nicht als Benachteiligung an. Schließlich stehe es dem Bausparer frei, vor der Fälligkeit zu tilgen. Er wäre hierdurch außerdem nicht mehr belastet. Zwar steige der effektive Jahreszins. Dafür sinke aber die nominale Gesamtbelastung.
2/2: BGH: Klausel benachteiligt Bausparer unangemessen
Das sieht der u.a. für das Bankenrecht zuständige XI. Senat des BGH anders. Nach seiner Auffassung wird mit der Darlehensgebühr einzig und allein der Verwaltungsaufwand der Bausparkasse abgegolten. Dazu führte er die gleichen Argumente an, auf die er 2014 seine Entscheidung zur Unzulässigkeit von Verbraucherkreditgebühren stützte.
Die Darlehensgebühr klassifiziert der Senat als sogenannte Preisnebenabrede. Damit sei sie der AGB-Kontrolle zugänglich. Diese führe zur Unwirksamkeit der Klausel wegen unangemessener Benachteiligung der Bausparer.
Mit der Gebühr werde keine konkrete vertragliche Gegenleistung bepreist, Bausparkunden profitierten nicht von ausgleichenden Individualvorteilen wie etwa günstigen Darlehenszinsen. Denn diesen stünden bereits andere Nachteile, nämlich die vom BGH für zulässig erachtete Abschlussgebühr gegenüber.
Klausel wälzt Verwaltungsaufwand unzulässig ab
Der BGH sieht die Darlehensgebühr nicht als eine dem Leitbild der Bausparverträge entsprechende Zahlung an. Er betont, dass dieses Leitbild nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB einen laufzeitabhängigen Zins vorsieht, die Darlehensgebühr aber laufzeitunabhängig ist.
Zudem dürften Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht dazu genutzt werden, den Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abzuwälzen, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet sei, beziehungsweise diese im eigenen Interesse erbringe.
Schließlich gewährleiste die Gebühr nicht die Funktionsfähigkeit des Bausparwesens und es gebe auch kein kollektives Gesamtinteresse an ihrer Erhebung.
BGH bleibt verbraucherfreundlich
Von dem Urteil werden viele Tausende Bausparer profitieren. Es fügt sich nahtlos ein in den verbraucherfreundlichen Kurs des XI. Senats unter Dr. Jürgen Ellenberger, der seit März 2015 den Vorsitz übernommen hat. Erst am 25.Oktober 2016 kippten die Richter mit ähnlichen Argumenten Klauseln der Deutschen Bank und der Targobank, die ein pauschales Entgelt für geduldete Überziehungen vorsahen.
Unklar bleibt die zeitliche Reichweite der Entscheidung. Bei der verbraucherfeindlichsten Auslegung wäre für viele Betroffene Eile angesagt. In diesem Fall würden Ansprüche innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis verjähren. Bausparer, die im Jahr 2013* die Darlehensgebühr gezahlt haben, müssten diese dann bis zum Ende 2016 zurückfordern, um die Verjährung zu hemmen.
Wahrscheinlicher scheint allerdings, dass die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt. Diese absolute Verjährungsfrist ist dann anzuwenden, wenn die Rechtslage zuvor unklar war, beziehungsweise höchstrichterliche Urteile etwaigen Zahlungsforderungen entgegenstanden. In solchen Konstellationen ist den Betroffenen eine Klageerhebung innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist nicht zuzumuten. In diesem Sinne entschied der BGH zu den besagten Kreditbearbeitungsgebühren (Urt. v. 28.10.2014, Az. XI ZR 348/13 und 17/14).
Die Bausparkassen werden sich auf eine Welle von Rückforderungen gefasst machen müssen. Man darf vermuten, dass sie bei älteren Verträgen flächendeckend die Einrede der Verjährung erheben werden. Insofern wird die Darlehensgebühr wohl auch in Zukunft die Gerichte beschäftigen.
*Jahreszahl korrigiert am 10.11.2016, 14:11 Uhr.
Der Autor Ilja Ruvinskij ist Rechtsanwalt und Partner der auf Insolvenz- und Bankenrecht spezialisierten Kanzlei Kraus Ghendler Ruvinskij. Er ist verantwortlich für das Bankenrechtsdezernat der bundesweit tätigen Kanzlei, die ausschließlich Verbraucherinteressen vertritt und sich auf Massenverfahren fokussiert.
Ilja Ruvinskij, BGH kippt Darlehensgebühr: Tausende Bausparer verlangen Rückzahlung . In: Legal Tribune Online, 08.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21095/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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