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BGH zu Urheberrechtsschutz an Romanfiguren: Karlsruher Ausflug ins Taka-Tuka-Land

von Georg Lecheler

19.07.2013

Inger Nilsson als Pippi Langstrumpf

Nationaal Archief, Den Haag, Rijksfotoarchief: Fotocollectie Algemeen Nederlands Fotopersbureau (ANEFO), (CC BY-SA 3.0 NL)

Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, gemeinhin bekannt als Pippi Langstrumpf, ist grundsätzlich schützenswert. Das hat der BGH am Mittwoch zu Recht entschieden – und Pippi Langstrumpf dennoch im Stich gelassen, findet Georg Lecheler.

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Den Einstieg in den Rechtsstreit lieferte im Jahr 2010 der Discounter Penny mit einer gewissermaßen närrischen Verkaufsaktion. Die Kette bot damals Karnevalskostüme an, mit denen man sich als Pippi Langstrumpf verkleiden konnte. Penny vermarktete die Kostüme als "Püppi" und warb unter anderem mit einem Foto, auf dem ein Mädchen zu sehen war: mit roter Perücke, geschwungenen Zöpfen, Punkten im Gesicht, einem grünen Kleid und Ringelstrümpfen.

Zwar hat Astrid Lindgren Pippi Langstrumpf geringfügig anders beschrieben, das Bild ist der bekannten Romanfigur aber ersichtlich ähnlich. Die Gesellschaft, der Lindgren die Rechte an ihrem literarischen Schaffen übertragen hatte, klagte daher wegen unerlaubter Ausbeutung Pippis. Sie hatte zudem einem anderen Discounter vertraglich das Recht eingeräumt, dessen Kostüm mit Abbildungen von Pippi Langstrumpf zu bewerben – und dafür eine hübsche Summe Geldes erhalten. Einen vergleichbaren Betrag forderte sie nun auch von Penny.

Pippi: Endlich anerkannt...

Das Landgericht (LG) und das Oberlandesgericht (OLG) Köln fanden das nachvollziehbar und verurteilten Penny entsprechend. Sie erklärten unisono, dass die "fiktive literarische Figur" Pippi Langstrumpf selbstständigen urheberrechtlichen Schutz genieße – auch außerhalb der Geschichten als den eigentlichen, urheberrechtlich geschützten Sprachwerken.

Die Gerichte billigen einer Figur für sich allein regelmäßig dann Urheberrechtsschutz zu, wenn diese "der Phantasie des Urhebers entsprungen, ausreichend individuell ist und auch außerhalb der konkreten Geschichte eine charakteristische und unverwechselbare Persönlichkeit aufweist", wie es im Urteil des LG Köln heißt. Maßgeblich dafür ist eine Kombination der äußeren Merkmale sowie der ihr von ihrem Schöpfer gegebenen Eigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen. Kein Zweifel also im Fall von Pippi, die äußerlich wie innerlich bemerkenswert ist.

Damit bescheinigten die Kölner Gerichte Pippi Zugehörigkeit zur illustren Gesellschaft gerichtlich als schutzwürdig anerkannter Fantasiegestalten. Weitere Mitglieder sind etwa der Igel Mecki, die Schlümpfe, Pumuckl, Bambi, Donald Duck oder Asterix und Obelix. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Einschätzung nun bestätigt, so dass Pippi sozusagen im Establishment angekommen ist.

...und dennoch schutzlos?

Anders als die Vorinstanzen sah der BGH in der werbenden Abbildung verblüffenderweise aber keine Urheberrechtsverletzung (Urt. v. 17.07.2013, Az. I ZR 52/12). Zwar gibt es von Pippi (als literarischer Figur) keine "verbindliche" Zeichnung wie von den Schlümpfen, sondern zunächst nur die Bilder, die sich in den Köpfen der Leser von Lindgrens Geschichten bilden.

Damit stellt sich die Frage, ob die Übertragung dieses geistigen Bildes in eine (durchaus abweichende) Abbildung eine Bearbeitung oder Umgestaltung ist, die nach § 23 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) der Zustimmung des Urhebers bedarf. Alternativ könnte darin auch eine eigene Leistung gesehen werden, die als "freie Benutzung" nach § 24 UrhG zulässig ist. Letzteres würde indes voraussetzen, dass "angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen".

Die Kölner Gerichte waren sich einig, dass hiervon bei Pennys "Püppi" keine Rede sein könne – und bejahten eine Urheberrechtsverletzung. Der BGH meint jedoch, die aus Astrid Lindgrens Beschreibung Pippis übernommenen Elemente reichten nicht aus, um eine Rechtsverletzung zu begründen – und schreibt zugleich in seiner Pressemitteilung, dass der Betrachter erkennt, "dass es sich bei den Figuren in der Werbung […] um Pippi Langstrumpf handeln soll." Darin kann man durchaus einen Widerspruch sehen, der sich vielleicht noch auflösen wird, wenn die Urteilsbegründung im Volltext erscheint.

Der unterlegenen Klägerin bleibt jetzt nur noch die Hoffnung auf den ergänzenden Leistungsschutz des Wettbewerbsrechts. Das gezielte Spielen Pennys mit der Nähe zu Pippi könnte ausreichen, um in der Werbung eine Täuschung über die Herkunft des Kostüms oder eine unangemessene Ausnutzung Pippis zu sehen. Karlsruhe hat zur Klärung dieser bisher nebensächlichen Frage nach Köln zurückverwiesen – und dort haben die Richter die Welt ja schon einmal so gemacht, wie sie Pippi gefällt.

Georg Lecheler ist Rechtsanwalt bei Oppenhoff & Partner.

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Georg Lecheler, BGH zu Urheberrechtsschutz an Romanfiguren: Karlsruher Ausflug ins Taka-Tuka-Land . In: Legal Tribune Online, 19.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9179/ (abgerufen am: 03.10.2023 )

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