Attac ist nicht gemeinnützig und ein trockenes Brötchen ist kein Frühstück. Außerdem sagte der BFH etwas zur Absetzbarkeit von Sky-Abos und zu Kosten der doppelten Haushaltsführung – und er stellte klar, was "unverzüglich" bei Erbfällen bedeutet.
1/8: Attac ist nicht gemeinnützig
Zu politisch und deshalb nicht gemeinnützig. So ließe sich das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) zu Attac kurz und knapp zusammenfassen (Urt. v. 26.02.2019, Az. V R 60/17). Der globalisierungskritische Verein verfolgt nach Ansicht der obersten Finanzrichter politische Zwecke – und das sei mit steuerlichen Begünstigungen nicht zu vereinbaren. Als nicht gemeinnützige Organisation kann Attac Geldgebern keine Spendenbescheinigung mehr ausstellen, mit denen diese ihre Zuwendungen steuerlich absetzen können.
Zwar ist die Liste dessen, wofür sich Organisationen einsetzen können, um als gemeinnützig anerkannt zu werden, lang: 25 Nummern führt § 52 der Abgabenordnung (AO) auf, Förderung der Wissenschaft, des Naturschutzes oder etwa des Karnevals. Verfolgt ein Verein allerdings politische Ziele, kann er nicht gemeinnützig sein – egal welche anderen Zwecke er sonst noch hat. So steht es zumindest in Nr. 15 des Anwendungserlasses des Bundesfinanzministeriums (BMF) zu der Norm.
Zwar dürfen Organisationen nach ständiger Rechtsprechung des BFH durchaus öffentlich Missstände benennen und politische Lösungen vorschlagen. Aber: Die politische Arbeit darf aber nicht in Aktivismus umschlagen, so die Finanzrichter. Ihrer Ansicht nach ist das bei Attac aber der Fall, etwa mit Kampagnen zur Finanztransaktionensteuer oder zum sogenannten bedingungslosen Grundeinkommen.
2/8: Keine Umsatzsteuerermäßigung für Zweckbetriebe
Nach der Attac-Entscheidung fällte der BFH in diesem Jahr ein weiteres Urteil, das gemeinnützige Einrichtungen betrifft: Die Umsätze sogenannter Zweckbetriebe unterliegen nicht der ermäßigten Umsatzsteuer von sieben Prozent (Urt. v. 23.07.2019, Az. XI R 2/17). Damit müssen viele gemeinnützige Einrichtungen prüfen, ob sie in ihren "Zweckbetrieben" – das können Cafés oder Läden sein - Umsatzsteuer in der richtigen Höhe abführen.
Geklagt hatte ein gemeinnütziger Verein, der unter anderem ein Bistro betreibt, in dem auch Menschen mit Behinderung arbeiten. Der Verein begehrte für die Bistro-Umsätze den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, das Finanzamt setzte aber den üblichen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent an.
Zu Recht, entschied der BFH. Wolle der Zweckbetrieb den ermäßigten Umsatzsteuersatz, dürfe er entweder nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu Unternehmen stehen, die der Regelbesteuerung unterliegen, oder die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Vereins müssten mit den Leistungen des Zweckbetriebs selbst verwirklicht werden. Das ist hier aber aus Sicht der Finanzrichter nicht der Fall: Zum einen sei der Verein mit seinem Bistro in Wettbewerb zu anderen Gastronomen getreten. Zum anderen dienten die Umsätze, die er dort erwirtschaftet, in erster Linie den Zwecken der Bistrobetreiber und seien daher keine originär gemeinnützigen Leistungen.
3/8: Ein trockenes Brötchen ist kein Frühstück
Geklärt hat der BFH 2019 auch die gar nicht so irrelevante Frage, was - steuerrechtlich betrachtet – eigentlich ein Frühstück ist.
Ein Softwareunternehmer hatte für seine Angestellten und Kunden jeden Morgen 150 Brötchen und Heißgetränke zur Verfügung gestellt. Eine freundliche Geste, die dem Finanzamt bei einer Lohnsteueraußenprüfung aufgefallen war und prompt zu einem Nachzahlungsbescheid von insgesamt 30.000 Euro führte. Aus Sicht der Behörde handelte es sich bei den Brötchen und Getränken nämlich um ein Frühstück. Und eine Mahlzeit muss mit den amtlichen Sachbezügen versteuert werden.
Das Unternehmen klagte gegen den Bescheid und bekam zunächst vor dem Finanzgericht (FG) Münster und schließlich auch vor dem BFH Recht (Urt. v. 03.07.2019, Az. VI R 36/17). Die obersten Finanzrichter schlossen sich im Wesentlichen den Ausführungen der Vorinstanz an. Das FG entschied damals, die Brötchen und Heißgetränke seien bloße Aufmerksamkeiten, aber keine vollwertige Mahlzeit im steuerrechtlichen Sinne. Es wäre mindestens noch ein Brotaufstrich nötig, damit von einer Mahlzeit gesprochen werden könne.
Die Entscheidung klingt kurios, hat aber einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund. Denn wäre das Finanzamt mit seiner Rechtsauffassung erfolgreich gewesen, hätten wohl bundesweit Lohnsteuernachforderungen in Millionenhöhe geltend gemacht werden können.
4/8: Kosten für ein Sky-Abo können Werbungskosten sein
Es klingt wie der Traum eines jeden Fußballfans: Fußball im Fernsehen schauen und die Kosten für das Sky-Abo von der Steuer absetzen. "Nicht ausgeschlossen", sagt dazu der BFH - zumindest im Fall eines hauptamtlichen Trainers, der angibt, das Bundesligapaket überwiegend beruflich zu nutzen (Urt. v. 16.01.2019, Az. VI R 24/16).
Der Torwarttrainer hatte beim Pay-TV-Sender Sky ein Abonnement abgeschlossen, wobei eines von drei Paketen die Spiele der Fußball Bundesliga beinhaltete. In seiner Einkommenssteuererklärung wollte der Mann den Teil der Abo-Kosten, der auf das Fußballpaket entfällt, als Werbungskosten abziehen. Er gab an, dass er die Bundesligaspiele ganz überwiegend nur zum Kenntnisgewinn im Zusammenhang mit seiner Trainertätigkeit schaue.
Das Finanzamt lehnte das ab, ebenso das Finanzgericht (FG) Düsseldorf. Als Werbungskosten können unter anderem Ausgaben für Güter geltend gemacht werden, wenn diese ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend beruflich genutzt werden. Aus Sicht des FG ist ein Sky-Bundesliga-Abonnement aber immer privat und nicht beruflich veranlasst.
Der BFH hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zurück. Bei einem Trainer eines Lizenzfußballvereins halten die obersten Finanzrichter eine weitaus überwiegende berufliche Nutzung des Bundesliga-Pakets jedenfalls "nicht für ausgeschlossen". Das muss das FG nun prüfen. Dazu soll das Gericht, so der BFH, auch Trainerkollegen und Spieler vernehmen.
5/8: Eine Fahrschule ist keine Universität
Fahrschulen müssen für ihren Unterricht auch weiterhin die Umsatzsteuer ausweisen, entschied der BFH im Mai (Urt. v. 23.05.2019, Az. V R 7/19, V R 38/16). Sie seien nicht mit Universitäten und Hochschulen vergleichbar, die ihre Leistungen nach § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfrei anbieten können.
Geklagt hatte eine deutsche Fahrschule, die für ihren Fahrschulunterricht keine Umsatzsteuer auswies. Sie war der Ansicht, ihr Unterricht verfolge wie die Schule oder Universität das Ziel, die berufliche Zukunft der Fahrschüler mitzugestalten. Ohne Führerschein sei die Aufnahme mancher Berufe schließlich nicht zu realisieren. Die BFH-Richter zweifelten, ob an dieser Argumentation nicht doch etwas dran sei und legten die Frage dem EuGH vor.
Die Luxemburger Richter stellten klar, dass es in puncto Wissensvermittlung zwischen einer Hochschule und einer Fahrschule gravierende Unterschiede gibt. Die universitäre Ausbildung sei geprägt durch die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites Spektrum von Stoffen. Zu lernen, wie man ein Auto fährt, genüge diesen Kriterien aber nicht, so der EuGH. Bei dem Wissen, das eine Fahrschule vermittelt, handele es sich um Spezialwissen.
6/8: "Unverzüglich" heißt: maximal sechs Monate
Nach dem Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) kann die Erbschaft eines Familienheimes steuerfrei sein. Zum Beispiel dann, wenn das Haus bis zuletzt vom Erblasser bewohnt wurde, der Erbe "unverzüglich" nach dem Erbfall die Eigennutzung des Hauses anzeigt und die Wohnfläche 200 Quadratmeter nicht überschreitet. Was unter "unverzüglich" zu verstehen ist, klärte der BFH im Mai (Urt. v. 28.05.2019, Az. II R 37/16). Demnach muss der Erbe innerhalb von sechs Monaten selbst dort einziehen.
Geklagt hatte ein Mann, der erst zweieinhalb Jahre nach dem Tod seines Vaters in das geerbte Haus eingezogen ist. Er hatte sich über zwei Jahre damit Zeit gelassen, Angebote von Handwerkern zur Renovierung des Hauses einzuholen.
Das Finanzamt lehnte daher eine Befreiung von der Erbschaftssteuer ab. Zu Recht, so der BFH. Nach einem Zeitraum von über zwei Jahren könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass der Erbe das Haus "unverzüglich" zur Selbstnutzung angezeigt hat. Nach Auffassung des Gerichts kommt eine Steuerbefreiung nämlich nur in den ersten sechs Monaten nach Erbfall in Betracht.
7/8: Einrichtungskosten bei doppelter Haushaltsführung voll absetzbar
Wer aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt führt, kann die Kosten für Möbel und Hausrat als Werbungskosten absetzen. Einen Höchstbetrag gibt es dabei nicht, urteilte der BFH im April (Urt. v. 04.04.2019, Az. VI R 18/17). Die obersten Finanzrichter widersprachen damit der Finanzverwaltung. Sie war der Ansicht, dass solche Kosten auf einen Höchstbetrag von 1.000 Euro begrenzt sind.
Im Streitfall machte ein Mann, der aus beruflichen Gründen zwei Haushalte führte, die Kosten für Miete und Einrichtung als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen aber nur in Höhe von 1.000 Euro pro Monat an. Es argumentierte, dass Aufwendungen für die Unterkunft nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) nur bis zu dieser Höhe absetzbar seien.
Allerdings handele es sich bei den Kosten gar nicht um Aufwendungen für die Unterkunft, so der BFH. "Die Nutzung der Einrichtungsgegenstände ist nicht mit der Nutzung der Unterkunft als solcher gleichzusetzen", stellte das Gericht klar. In anderen Worten: Wer Geld ausgibt, um Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände zu kaufen, tut das, weil er diese nutzen will – und nicht die Wohnung, in der sie sich befinden.
8/8: Ämterhäufung aus Spargründen bei Richtern ist unzulässig
Mit Steuerrecht hatte ein Beschluss des BFH vom März nur am Rande zu tun, dafür umso mehr mit Sparmaßnahmen der Bundesländer in der Richterschaft: Die obersten Finanzrichter in München haben im März ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Mecklenburg-Vorpommern aufgehoben - wegen nicht ordnungsgemäßer Besetzung (Beschl. v. 14.03.2019, Az. V B 34/17).
Denn der Präsident des FG war zum damaligen Zeitpunkt auch Präsident des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern und leitete an beiden Obergerichten fünf verschiedene Senate. Die beiden Stellen waren aus Spargründen im Jahr 2013 mit demselben Richter besetzt worden.
Auslöser war ein Steuerstreit zwischen einer Kurklinik und dem örtlichen Finanzamt, den die Klinik in der ersten Instanz gewonnen hat. Der vom Doppelpräsidenten geleitete Senat ließ keine Revision zu. Das Finanzamt legte in München Nichtzulassungsbeschwerde ein und argumentierte, der Chef des Finanzgerichts sei wegen seiner vielen Aufgaben überfordert.
Der BFH hob die Entscheidung des FG wegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 119 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf. Nach Ansicht des BFH müsste ein Doppelpräsident mit mindestens der Hälfte seiner Arbeitskraft für seinen Senat im Finanzgericht arbeiten. Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts enthielt aber hierzu keine Angaben, deswegen ergab sich schon daraus ein Besetzungsmangel.
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es inzwischen keinen Doppelpräsidenten mehr. Das Land hatte schon im Januar angekündigt, die Personalunion zu beenden, wenn der Amtsinhaber Ende September pensioniert wird.
Sollten Juristen kennen: 8 wichtige BFH-Urteile aus 2019 . In: Legal Tribune Online, 23.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39345/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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