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BAG zur Verwertung von Zahngold nach Einäscherung: Mundraub?

von Anne-Christine Herr

22.08.2014

Übergabe einer Urne (Symbolbild)

© Kzenon - Fotolia.com

Das letzte Hemd hat keine Taschen, dachte sich ein Krematoriumsmitarbeiter in Hamburg. Über die Jahre bereicherte er sich, womöglich um mehrere hunderttausend Euro, indem er das Zahngold der Verstorbenen verkaufte. Das BAG hat nun klargestellt, dass an dem Edelmetall zwar niemand Eigentum hat – vorrangig aneignen dürfen es sich aber die Erben, sonst der Krematoriumsbetreiber.

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Wertvolle Metalle, die nach der Einäscherung eines Toten in der Asche übrig bleiben, sind herrenlos. Allerdings setzt sich das Verwahrungsverhältnis des Krematoriumsbetreibers, welches schon an dem Körper des Toten bestand, an diesen Gegenständen fort. Trotz fehlenden Eigentums darf also der Verwahrer diese Edelmetallrückstände grundsätzlich zu seinen Gunsten verwerten. Nehmen Beschäftigte Zahngold, Schmuck oder Titanprothesen aus der Kremationsasche an sich, kann der Arbeitgeber die Herausgabe, oder, wenn diese wegen Verkaufs unmöglich ist, Schadensersatz in entsprechender Anwendung des Auftragsrechts verlangen.

Das geht aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom Donnerstag hervor (Urt. v. 21.08.2014, Az. 8 AZR 655/13). Die Richter haben zwar nicht endgültig entschieden, sondern verwiesen die Klage des Krematoriumsbetreibers gegen einen entlassenen Mitarbeiter zurück an das Hamburger Landesarbeitsgericht (LAG). Dieses muss eine neue Beweisaufnahme durchführen, da der Vorsitzende Richter Friedrich Hauck Zweifel daran hatte, wieviel Gold der Mitarbeiter tatsächlich entwendet hat. Auch muss geklärt werden, wem ein Schadensersatzanspruch zusteht – der Stadt selber oder ihrer Tochter-GmbH, welche das Krematorium seit 2010 betreibt. Die zentrale Rechtsfrage nach den Eigentums- und Verwahrungsverhältnissen an Edelmetallen in Totenaschen, ist damit jedoch höchstrichterlich geklärt.

Angeblich über 30 Kilogramm Gold verkauft

Die Hamburger Friedhöfe hatten den ehemaligen Mitarbeiter auf Schadensersatz von über 250.000 Euro verklagt. Innerhalb von acht Jahren hatte dieser gemeinsam mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau und weiteren Beschäftigten unter anderem ca. 31,7 kg Gold aus der Asche an sich genommen und verkauft. Nachdem der Betreiber auf die fehlenden Edelmetalle aufmerksam gemacht wurde, weil das Hamburger Krematorium auf offiziellem Wege viel weniger Gold verkaufte als andere Einäscherungs-Anlagen, überführten polizeiliche Videoaufnahmen und eine Hausdurchsuchung den Täter. Diesem wurde sofort fristlos gekündigt.

Erstinstanzlich wurde die Klage in Bezug auf das Schadensersatzverlangen mit der Begründung abgewiesen, die Betreiberin sei nicht Eigentümerin am Zahngold geworden und habe daher keine Rechte an den Edelmetallen gehabt (Arbeitsgericht Hamburg, Urt. v. 12.09.2012, Az. 3 Ca 248/12). Das LAG hingegen hat in der Berufung der Klage stattgegeben (LAG Hamburg, Urt. v. 26.06.2013, Az. 5 Sa 110/12).

Das Bundesarbeitsgericht behält die Argumentation der Vorinstanz weitestgehend bei. Obwohl das Arbeitsverhältnis, anders als das Auftragsverhältnis, nicht unentgeltlich ist, seien die Grundsätze übertragbar. Wer für jemand anderen in dessen Interesse tätig werde, müsse ihm auch das herausgeben, was er durch die Tätigkeit erlangt. Mehr Vorteile als den normalen Lohn soll der Arbeitnehmer nicht bekommen.

Krematoriumsbetreiberin wird nicht automatisch Eigentümerin

Beide Gerichte folgten damit nicht der Argumentation der Krematoriumsbetreiberin aus der Vorinstanz, gaben ihr aber im Ergebnis trotzdem Recht. Sie war der Ansicht, der Schadenersatz stünde ihr bereits deshalb zu, weil sie Eigentümerin an dem Zahngold geworden sei, welches der Mitarbeiter ihr gestohlen habe. Obwohl diese Frage nicht entscheidungserheblich war, stellte das BAG fest, das Zahngold sei herrenlos gewesen und habe demzufolge nicht gestohlen werden können.

Vor der Einäscherung seien künstliche Körperteile Bestandteil des Leichnams und daher nicht eigentumsfähig. Deshalb könnten sie mit dem Tod auch nicht auf die Erben übergegangen sein. Mit der Verbrennung des Körpers werden sie zwar wieder zu beweglichen Sachen – diese gehören allerdings noch niemandem. Die Erben hätten allerdings ein vorrangiges Recht, sich die Sachen anzueignen. Solange sie nicht informiert worden seien und ausdrücklich verzichtet hätten, könne kein anderer durch Aneignung Eigentümer werden.

Im Juni dieses Jahres waren sechs Mitarbeiter des Krematoriums, unter anderem der Beklagte, wegen Störung der Totenruhe und Verwahrungsbruchs vom Landgericht Hamburg zu Bewährungsstrafen zwischen 8 und 16 Monaten verurteilt worden. Die Anklage wegen versuchten schweren Bandendiebstahls wurde allerdings nicht bestätigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Sollte das Landesarbeitsgericht den Mitarbeiter in voller Höhe verurteilen, wäre dieser wohl ruiniert. Denn den Erlös hätten er und seine Kollegen für Mexikoreisen, Autos und Spielhallenbesuche verbraucht. Die mutmaßlichen Mittäter könnte ein ähnliches Schicksal treffen. Die städtischen Friedhöfe hatten zunächst nur den 56-Jährigen vor Gericht gebracht, weil der Weg durch die Instanzen kostspielig ist. Die Friedhöfe wollen nun prüfen, ob sie auch gegen die übrigen fünf Ex-Mitarbeiter klagen wollen.

Erben sollen informierten werden

Für die Bestattungsunternehmen und Krematorien stellt sich die Frage, wie sie zukünftig mit Edelmetallen aus sterblichen Überresten verfahren sollen. Vorerst belassen sie das Zahngold in der Asche der Verstorbenen, es wird in der Urne beigesetzt. Doch sollen Zahngold und Prothesen wirklich mit der Urne begraben und damit wertvolle Rohstoffe aufgegeben werden?

Bisher hatten Krematorien die wertvollen Rohstoffe laut Arbeitsanweisung gesammelt und den Erlös aus der Verwertung an soziale Einrichtungen gespendet oder zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen eingesetzt. Auf Nachfragen bei den Angehörigen wurde bewusst verzichtet, um den Trauernden eine solche Entscheidung nicht abzuverlangen, heißt es.

Der Bundesverband der Bestattungsunternehmen regt für die Zukunft mehr Transparenz an. Durch schriftliche Erklärung sollen die Angehörigen entscheiden dürfen, ob sie von ihrem Aneignungsrecht Gebrauch machen wollen, oder ob die Metalle gespendet werden dürfen.

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Anne-Christine Herr, BAG zur Verwertung von Zahngold nach Einäscherung: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12969 (abgerufen am: 12.05.2025 )

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