Weihnachtsmänner sieht man derzeit überall – im trauten Heim, in Kindergärten oder auf Betriebsfeiern tauchen die bärtigen Herren auf. Doch was, wenn der "gemietete" nette Onkel sturzbetrunken ist, die Kinder traumatisiert und im schlimmsten Fall ihren Glauben an die Legende zerstört? Dann muss ein Jurist her! Roland Schimmel illustriert, welche rechtlichen Fallstricke man dabei zu beachten hat.
In der Kaffeepause versucht man möglichst, juristische Themen zu vermeiden. Das gelingt nicht immer. In den erfreulicheren Momenten guckt einer aus dem Fenster, sieht – leicht möglich in diesen Tagen – einen Weihnachtsmann vorüberziehen und fragt die Kollegen: "Was macht der da eigentlich, rechtlich betrachtet?" Bestenfalls kommt man dann mit einem Stückchen kollektiv hergestellter Jurisprudenz des täglichen Lebens aus der Pause zurück.
Wer sich nun von den professionellen Deformationen der Kollegen mit Grausen abwenden will, hat natürlich Recht. Aber stellen Sie sich nur mal vor, Sie sitzen in der Ersten Juristischen Prüfung und Ihr Prüfer im zivilrechtlichen Teil fragt ein paar "einfache Sachen zum Aufwärmen", jahreszeitabhängig. Schon haben Sie den Salat.
Es gibt vermutlich massenhaft Rechtsfragen rund um den Weihnachtsmann. Klammern wir hier die komplizierteren Dinge aus: Arbeitsrechtliche Beziehungen zu Knecht Ruprecht unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes etwa. Oder die zahlreichen internationalprivatrechtlichen Fragen, die sich aus der weltweiten Tätigkeit ergeben können. Damit bleibt zum Einstieg das simple Problem: Haftet eigentlich so ein Weihnachtsmann, wenn bei seinem Auftritt etwas schief geht? Auf Schadensersatz? Auf Nacherfüllung kraft Mangelgewährleistung?
Oma mit dem Rauschebart
Sicherheitshalber sollte man allerdings noch überlegen, ob es sich beim Weihnachtsmann-Besuch im Kindergarten wirklich um ein Vertragsverhältnis handelt. Oft übernimmt ein Vater oder eine Großmutter diese Rolle (der Verfasser weiß, wovon er spricht). Das geschieht nicht nur unbezahlt, sondern auch rechtlich eher auf Gefälligkeits- als auf Vertragsgrundlage.
Auch wenn die Kindergartenleitung minutengenaues Erscheinen fordert und den Auftritt inhaltlich recht genau abspricht ("Keinesfalls die Kleinen mit der Reisigrute traumatisieren! Interkulturell kompatibel bleiben! Alle liebhaben!"), erklären die Beteiligten dies meist ohne den erforderlichen Rechtsbindungswillen.
Schlimmste Konsequenz des Weihnachtsmann-Versagens ist dann die anderweitige Auftragsvergabe im Folgejahr und die vorübergehende soziale Ächtung in der Elternschaft. Gehen wir also für das Folgende von der entgeltlichen Auftragserteilung an einen professionell handelnden Unternehmer aus, mag dieser auch nur saisonal tätig sein.
Kann man den Weihnachtsmann mieten?
Auch wenn man im Internet zahlreiche Anzeigen findet, den "Weihnachtsmann zu mieten", dürfte bei kurzem Überlegen doch das Werkvertragsrecht die einschlägige Regelungsmaterie sein.
Dass man Menschen nicht mieten kann, hat man im ersten Semester schon gelernt. Also: Falsa demonstratio non nocet, Werk- oder Dienstvertragsrecht. Verspricht der Weihnachtsmann denn nun aber einen Erfolg oder doch nur ein Bemühen? Kommt drauf an, wie immer.
Bei einem dreiviertelstündigen Besuch im Kindergarten mit Vorlesen und Geschenkeverteilen wird man einen erfolgsbestimmten Werkvertrag annehmen dürfen. Schließlich kommt es auch im Theater und im Kino nicht darauf an, wie gut sich der Zuschauer amüsiert hat, sondern nur darauf, ob das vereinbarte Spektakel vollständig aufgeführt wurde.
2/2: "N Weihnachssssmaan jibs nich, Kinners, hicks…"
Was geschieht nun, wenn der "Miet"-Weihnachtsmanns die Leistung nicht planmäßig erbringt? Das hängt von der Art der Leistungsstörung ab. Die verspätete Leistung und die daran anknüpfende Verzugshaftung dürften hier nicht den Problemschwerpunkt bilden. Maßvolle Verzögerungen sollten die souveränen Erzieher im Alltagsbetrieb des Kindergartens gut auffangen können. Anders mag das aber schon wieder liegen, wenn ein Unternehmen den Herrn für seine Betriebsfeier oder dergleichen bucht.
Heikler wird es, wenn der Weihnachtsmann malperformt. Ein von seinem traurigen Aushilfsarbeitsverhältnis genervter, vom unterwegs genossenen Glühwein schon angetrunken lallender und üble Witze reißender Weihnachtsmann wird die Kindergartenkinder womöglich zwar bleibend beeindrucken, aber vermutlich nicht im Sinne des Werkbestellers. Dass in solchen Situationen die ausdrückliche oder schlüssige Abnahme ("fein, vielen dank, bis nächstes Jahr!") ausbleiben wird und damit die Fälligkeit des Werklohns nicht eintritt, bildet das angerichtete Unheil aber nur ansatzweise ab.
"Kommen Sie fix!"
Den juristisch-argumentativen Weg über das Mangelgewährleistungsregime der §§ 634 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) muss man nicht gehen, wenn die verspätete oder die mangelbehaftete Leistung des Weihnachtsmanns eine Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung nach sich zieht.
Das liegt gar nicht so fern. Bucht der Kindergarten den alten Mann als Nikolaus, könnte man damit eine absolute Fixschuld begründen. Der "Bischof" muss den Kleinen wohl bis zum 6.12. einen Besuch abstatten. Sofern dieser auf einen kindergartenfreien Wochenendtag fällt, bis zum 5.12. oder – bei großzügiger Legenden-Uminterpretation durch geeignetes pädagogisches Personal und sinnentsprechender Heranziehung von § 193 BGB – spätestens bis zum nächstfolgenden Werktag.
Dem Besteller ist zu empfehlen, zumindest ein sogenanntes relatives Fixgeschäft vertraglich festzuhalten. Er sollte mit einem präzisen Leistungstermin und einem deutlichen Zusatzindikator ("fix!") klarstellen, dass der Weihnachtsmann-Unternehmer wegen der besonderen Bedeutung der Termintreue mit einem sofortigen Rücktritt rechnen muss, wenn er die Leistung nicht vereinbarungsgemäß erbringt .
Fehlt eine solche Abrede, muss man überlegen, ob dem Besteller wegen der Schwere der Pflichtverletzung ausnahmsweise ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist. Hier bleibt je nach Ausgangssachverhalt Platz für Wertungen. Zwar muss der Unternehmer seine Verzögerung nicht einmal verschuldet haben, um das Rücktrittsrecht zu begründen. Dennoch wird man unterscheiden müssen zwischen den eher harmlosen Fällen, in denen etwa die Kindergartenkinder den Studenten hinter dem weißen Bart und dem roten Mantel enttarnen, und den vorwerfbaren Situationen, in denen ein betrunkener Weihnachtsmann eine Leistung erbringt, die nur noch ansatzweise dem ursprünglichen Programm entspricht.
Kein Schadensersatz für Glaubensabfall
Mit Schadensersatzansprüchen wird indes in den meisten Situationen von schuldhaftem Weihnachtsmann-Fehlverhalten nicht viel zu erreichen sein. Ein in Geld bemessbarer Schaden, wie ihn die §§ 249 ff BGB regelmäßig voraussetzen, ist wohl ausgeschlossen, wenn die Kinder seit einer halben Stunde nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben. Für einen ausnahmsweise ersatzfähigen immateriellen Schaden nach § 253 Abs. 2 BGB fehlen die Voraussetzungen.
Immerhin sind Situationen vorstellbar, in denen die alerte Kindergartenleitung schnell reagiert und einen zuverlässig leistenden Ersatz-Weihnachtsmann auftreibt, der mit großem improvisatorischen Talent die Situation rettet und die Sicht der Kinder auf die heile Welt wieder zurechtrückt. Das kostet natürlich einen Aufpreis, schon wegen der kurzfristigen Buchung und der Sonderwünsche. Die darauf entfallenden Mehrkosten kommen als Schaden in Frage. So langsam wird ein Prüfungssachverhalt draus.
Jetzt ist aber die Kaffeepause zu Ende. Wenn es Sie wirklich interessiert: Prüfen Sie’s doch mal durch!
Der Autor Prof. Dr. Roland Schimmel ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der FH Frankfurt am Main.
Leseempfehlung: David Sedaris, Holidays on ice, New York 1998, dt. von Harry Rowohlt, Zürich 1999. Das kleine Büchlein enthält genug Einsichten in die Psyche des Nebenberufs-Weihnachtsmanns, dass man nie wieder Christmas-Shopping mit der Familie machen möchte. Die darin nur beiläufig angerissenen juristischen Probleme muss man nicht nach dem Recht des Staates New York bearbeiten. Auch nach deutschem Recht dürften sie für mehr als eine Staatsprüfungssitzung ausreichen.
Roland Schimmel, Rechtsfragen im Advent: Weihnachtsmann zu vermieten . In: Legal Tribune Online, 15.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14098/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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