Druckversion
Freitag, 14.11.2025, 11:40 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/feuilleton/f/alfred-apfel-strafverteidiger-weimarer-republik
Fenster schließen
Artikel drucken
14685

Juristenbiografien: Das ereignisreiche Leben des Alfred Apfel

von Martin Rath

15.02.2015

Alfred Apfel

Bild: Bundesarchiv, Bild 183-B0527-0001-861 / Röhnert / CC-BY-SA

Ein gutes Herz habe er gehabt, nur leider nicht im medizinischen Sinne: Der Strafverteidiger Alfred Apfel gehörte zu den bekannten Juristen der kurzen Weimarer Republik. Martin Rath hat in seiner lange vergessenen Biografie viele seiner teils recht absurden Prozesse wiederentdeckt – zum Beispiel den eines Alu-Haube tragenden kommunistischen Dichters, der offensichtlich die falsche Drogen genommen hatte.

Anzeige

"Ich glaube, ich habe einen Herzanfall", zitiert Varian Fry in seinen Erinnerungen "Auslieferung auf Verlangen" die letzten Worte des einst prominenten deutschen Rechtsanwalts Alfred Apfel. "Eine halbe Stunde später war er tot."

Nach dem Sieg der Wehrmacht über die französischen Streitkräfte, 1940, waren zahllose Emigranten von der Auslieferung an die Behörden des NS-Staats bedroht. Im Auftrag des Emergency Rescue Committees, einer US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation, verhalf der gebürtige New Yorker Varian Fry (1907-1967) vielen Bedrohten zur Ausreise, unter anderem mit gefälschten Papieren für den Weg durchs faschistische Spanien. Fry organisierte den Schmuggel von Menschen durch die Pyrenäen und versorgte die US-Presse mit Nachrichten aus dem umkämpften Europa.

Bekannte Künstler und Intellektuelle wie Heinrich und Golo Mann, Max Ernst und Lion Feuchtwanger zählten zu Frys Klienten – und eben auch der heute weitgehend in Vergessenheit geratene Dr. iur. Alfred Apfel, der 1882 im rheinländischen Städtchen Düren (bei Aachen) zur Welt gekommen war.

Fry attestierte dem früheren Strafverteidiger Apfel ein gewisses Geschick darin, mit Polizisten ins Gespräch zu kommen. Gerade erst hatte Apfel Neuigkeiten von einem Beamten des Staatsschutzes im unbesetzten Teil Frankreichs erhalten. Wenige Tage zuvor hatte die französische Polizei die führenden deutschen Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid (1874-1944) und Rudolf Hilferding (1877-1941) an die Gestapo ausgeliefert. Breitscheid starb im Konzentrationslager Buchenwald, Hilferding unmittelbar nach der Inhaftierung unter der Folter, durch Suizid oder Mord. An besagtem Februarnachmittag suchte Apfel Fry auf, um über die aktuelle Bedrohung zu sprechen, zählten die beiden Sozialdemokraten doch zum gemeinsamen Bekanntenkreis. Fry erwähnte, dass Apfel nun zur Gruppe der unmittelbar Gefährdeten zählte - ein Gedanke, den Apfel nicht überlebte.

Das Juristenleben eines Juden in antisemitischen Zeiten

Seit vorvergangenem Jahr gibt es Gelegenheit, den einst prominenten Strafverteidiger und politischen Juristen Alfred Apfel wiederzuentdecken. 2013 erschien mit "Hinter den Kulissen der deutschen Justiz. Erinnerungen eines deutschen Rechtsanwalt 1882-1933" ein bis dahin nur in französischer und englischer Sprache publiziertes autobiografisches Werk Apfels. Dem Germanisten und Historiker Heinrich Schwing kommt das Verdienst zu, weitere, teils sehr unzugängliche Einzelwerke und biografische Daten zu Alfred Apfel zusammengetragen und neu ediert zu haben, darunter die für Juristen recht interessanten "Autobiografien, Publikationen" (2014).

Anhand persönlicher und publizistischer Dokumente Alfred Apfels lässt sich aus Schwings Sammlung ein Juristenleben in unangenehm interessanten Zeiten nachzeichnen. Für das Jahr 1908 dokumentiert der Band beispielsweise eine Eingabe von Apfels Vater an Kaiser Wilhelm II. in dessen Funktion als Chef der Streitkräfte. Trotz guter Lehrgangsabschlüsse war dem promovierten Sohn und königlich-preußischen Nachwuchsjuristen die Ernennung zum Reserveoffizier verweigert worden. Die Vermutung, dass dies der jüdischen Konfession des kaisertreuen rheinländischen Bürgers geschuldet war, lag nahe.

Justizfreie Hoheitsakte, derlei kennt man hierzulande und heutzutage kaum noch. Die Dienstsache Apfel – für jüdische Untertanen seiner preußischen Majestät kein seltener Akt antisemitischer Staatspraxis – gibt ein Beispiel für die glücklicherweise selten gewordene Rechtskonstruktion: Über die Beschwer verfügte in diesem Fall letztlich die schon eingangs entscheidende Behörde. Das lässt noch heute Juristenaugen rollen.

Weimarer Strafprozesse zeigen, wie gut wir heute dastehen

Nach dem Ersten Weltkrieg politisierte sich der 1906 mit einer harmlosen, aber erkennbar von Fleiß geprägten Arbeit über "Die Grenzscheidungsklage des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter Berücksichtigung des römisch-gemeinen, preußischen, sächsischen und französischen Rechtes" zum Doktor der Rechte promovierte Alfred Apfel zusehends. In Reaktion auf den verschärften Antisemitismus engagierte sich Apfel in der zionistischen Bewegung, die einen friedlichen Landerwerb im britischen Mandatsgebiet Palästina anging.

Als Strafverteidiger war Alfred Apfel in einigen der großen und kleineren politischen Prozesse der Weimarer Republik, dieser kurzen 14 Jahre zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur, involviert. Sie war das erste Laboratorium eines demokratisch verfassten Rechtsstaats. Der zweite Anlauf sollte erfolgreicher werden: Das Grundgesetz hat 1949 normativ einen Schlussstrich unter den älteren deutschen Obrigkeitsstaat gezogen, die Justiz zog im Tagesgeschäft mit einer gewissen Mentalitätsverzögerung nach.

In den von Schwing republizierten Aufsätzen Alfred Apfels aus der Weimarer Zeit tun sich jene Abgründe auf, aus denen sich die zweite deutsche Republik und ihr Rechtsstaat herausarbeiten mussten. Es sind dabei mitunter jene kleineren Fälle, die der Verteidiger Apfel bearbeitete bzw. publizistisch in die Öffentlichkeit brachte, die auch ein wenig zeigen, wie gut wir heute dastehen. Zum Beispiel der des kommunistischen Dichters Becher.

Seite 1/2
  • Seite 1:

    Das Leben eines Strafverteidigers in der Weimarer Republik

  • Seite 2:

    Die Ursprünge des heutigen Rechtsstaats

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Martin Rath, Juristenbiografien: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14685 (abgerufen am: 15.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Persönlichkeiten
    • Rechtsgeschichte
Ana Bruder 14.11.2025
Most Wanted

13-Prozent-Edition:

LTO Most Wanted mit Ana Bruder

Ana Bruder über inspirierende Frauen, den Spagat zwischen Beruf und Privatleben und die Bedeutung von Soft Skills in der juristischen Ausbildung.

Artikel lesen
Schuhe binden 09.11.2025
Rechtsgeschichte

Rechtsgeschichte:

Der Schnür­senkel vor Gericht

Wer früher Schnürsenkel verkaufen musste, war nicht sehr angesehen und zählte zur Unterschicht. Doch nicht einmal Schnürsenkel sind so unwichtig, dass sie nicht die Aufmerksamkeit der Justiz fänden – national wie international.

Artikel lesen
Reichsbanner-Veranstaltung 1929 02.11.2025
Rechtsgeschichte

Das "Reichsbanner":

Vom Wehr­ver­band zum Muse­ums­ve­rein

Der Name "Reichsbanner" wirkt heute etwas obskur, doch gehörten diesem stärksten Wehrverband der 1920er Jahre viele wichtige Köpfe der jungen Bundesrepublik an. Nach 1945 ging es um "Wiedergutmachung" und die Furcht vor neuer Polarisierung.

Artikel lesen
Kartoffeln werden aus der Erde geholt 12.10.2025
Lebensmittel

Rechtsgeschichte:

Was die Kar­toffel mit Jura zu tun hat

"Die Kartoffel hat dem deutschen Volke von jeher über schwierige Zeiten hinweggeholfen": Wer es gesagt hat, wie es gemeint war und warum die Knolle oft vor Gericht gelandet ist, erklärt Martin Rath. Dumme Bauern sind dabei auch ein Thema.

Artikel lesen
Beratungsstelle Blaues Kreuz in München 05.10.2025
Rechtsgeschichte

Zum Umgang der Religionen mit Alkohol:

Soziale Spal­tung passt ins kleinste Wirts­haus

Die Versäulung, das "verzuiling", der niederländischen Gesellschaft war lange legendär. In Deutschland ließ ausgerechnet der Kampf gegen den Alkohol alle edlen Menschen getrennt marschieren – seit 1885 unter anderem mit dem "Blauen Kreuz".

Artikel lesen
Helmut-Kohl-Ufer in Speyer 03.10.2025
Deutsche Einheit

Zum Tag der Einheit:

Helmut Kohl, ein Idol, ein Idol

Acht Jahre nach seinem Tod wird vielerorts gestritten, ob und wie der frühere Bundeskanzler zu ehren sei. Juristen könnten sich dank des schönen Kürzels "BKHKohlStErrGArtG" aber an ein besonderes Staatskunstwerk Kohls erinnert fühlen.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Deutsches Anwaltsinstitut e.V.
Re­fe­rent:in der Ge­schäfts­füh­rung (m/w/d)

Deutsches Anwaltsinstitut e.V. , Bochum

Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter (w/m/d) Ar­beits­recht

Osborne Clarke GmbH & Co. KG , Ham­burg

Logo von Airbus Bank
Se­nior Spe­zia­list AML (m/w/d) in Teil­zeit

Airbus Bank , Mün­chen

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Düs­sel­dorf

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Düs­sel­dorf

Logo von Hanseatic Bank
Voll­ju­rist*in / Le­gal Coun­sel (m/w/d)

Hanseatic Bank , Ham­burg

Logo von Wolters Kluwer
Ju­rist als Pro­dukt­ma­na­ger Print & On­li­ne (m/w/d)

Wolters Kluwer , Hürth

Logo von Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Re­fe­ren­da­re | Ber­lin

Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern , Ber­lin

Logo von A&O Shearman
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) Le­vera­ged Fi­nan­ce- und...

A&O Shearman , Mün­chen

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Logo von Osborne Clarke GmbH & Co. KG
Sundowner @ Osborne Clarke - Köln - Die Winteredition

25.11.2025, Köln

15. Europas größte IP-Konferenz und Fachmesse

24.11.2025, München

NomosWebinar: Praktisch cybersicher – NIS-2 im Unternehmen

01.12.2025

4. Digital Justice Summit

24.11.2025, Berlin

Online-Seminar! § 15 FAO - Fahrzeugrennen und der technische Nachweis dieser sowie die juristischen

24.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH