Eine GbR darf sich auf Eigenbedarf berufen. Außerdem in der Presseschau: Bundeskabinett verabschiedet neues Finanzausgleichssystem, BVerfG weist Verfassungsbeschwerde gegen Polizeikessel ab und Abschiebungen nach Afghanistan.
Thema des Tages
BGH zu Mietbeendigung durch GbR: Eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts darf dem Mieter aus Eigenbedarf kündigen, wenn einer der Gesellschafter die Wohnung für seine Angehörigen benötigt. Die Mieter in dem konkreten Fall hatten argumentiert, die Eigenbedarfskündigung sei unwirksam, da der einzelne Gesellschafter nicht Vertragspartei des Mietvertrags sei. Der Bundesgerichtshof entschied aber nun, dass in einem solchen Fall die Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts sich auf Eigenbedarf berufen könne und zieht damit Parallelen zur Erbengemeinschaft. Damit weicht der Bundesgerichtshof von seiner bisher rigiden Rechtsprechung zur Anbietpflicht ab. Das Unterlassen von Angeboten zur Anmietung einer anderen Wohnung führt somit nicht mehr über § 242 Bürgerliches Gesetzbuch zur Unwirksamkeit der Kündigung. "Als doppelte Ohrfeige für Mieter" bezeichnete der Mieterbund das Urteil. Es berichten die FAZ (Markus Jung/Michael Psotta), die SZ (Valentin Dornis/Harald Freiberger) und die BadZ (Christian Rath). Auf lto.de befasst sich Rechtsanwalt Dominik Schüller ausführlicher mit den juristischen Einzelheiten des Urteils.
In einem Kommentar kritisiert Jan Heidtmann (SZ) das Urteil, insbesondere die darin enthaltene Aufweichung der Anbietpflicht, scharf. Michael Fabricius (Die Welt) warnt davor, Gerichtsurteile für politische und ideologisch aufgeladene Debatten zu nutzen und sieht Behandlungsbedarf auf Seiten der Gesetzgebung und des Wohnungsbaus.
Rechtspolitik
Strafverfahren: Ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz soll zur Beschleunigung von Strafverfahren beitragen, ohne allerdings – wie Bundesminister Heiko Maas betont – Beschuldigtenrechte einzuschränken, wie nun auch lto.de berichtet.
Contergan: In einem ausführlichen Bericht schreibt die taz (Simone Schmollack) über die Verhandlungen im Bundestag zum Gesetzentwurf zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes, die heute ihren Abschluss finden sollen. Die Änderung sieht vor, Betroffenen nunmehr einen Pauschalbetrag zukommen zu lassen und darüber hinaus Leistungen für den individuellen Bedarf, die – wie zuvor auch – bei der Contergan-Stiftung beantragt werden müssen. Betroffene hatten bemängelt, dass das in der Stiftung verfügbare Geld bei ihnen nicht ankomme, Anträge auf medizinische und therapeutische Hilfsmittel würden oftmals willkürlich abgelehnt.
Bund-Länder-Finanzen: Das Bundeskabinett hat den umstrittenen Gesetzentwurf zur Grundgesetzänderung, mit welchem das bundesstaatliche Finanzausgleichssystem neu geordnet werden soll, verabschiedet, wie die FAZ (Manfred Schäfers) und die taz (Martin Kreutzfeldt) melden.
Autobahn: Felix Rohrbeck (Die Zeit) befasst sich mit den Themen der Pkw-Maut und der geplanten Autobahngesellschaften und bringt diese in Zusammenhang. Er prognostiziert eine Autobahn-Maut für alle Straßen, an denen Konzerne mitverdienten.
Justiz
BVerfG zu Polizeikessel: Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit dem Polizeikessel auf der Blockupy-Demonstration im Jahre 2013 in Frankfurt am Main auseinanderzusetzen. Die Polizei hielt mehrere hundert Personen fest, die erst Stunden später nach Identitätsfeststellungen, Durchsuchungen und Anfertigung von Videobildern den Kessel wieder verlassen durften. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass Grundrechte nicht verletzt worden seien und die Maßnahme verhältnismäßig gewesen sei, wie zeit.de, lto.de und die taz (Christian Rath) berichten. Zwar hätte der Beschwerdeführer sich selbst nicht rechtswidrig verhalten, er hielt sich aber in einem Demonstrationsblock auf, der ein "planvoll-systematisches" Zusammenwirken der Teilnehmer mit Gewalttätern zeigte. Die Polizei durfte daher davon ausgehen, dass fast alle in diesem Block befindlichen Teilnehmer die Gewalttäter "bestärkt hätten". Die Betroffenen wurden auch nicht übermäßig lange festgehalten, die zeitliche Verzögerung hätten die Teilnehmer selbst zu verantworten.
BVerfG zu Abschiebung nach Afghanistan: Wie focus.de und spiegel.de melden, hat das Bundesverfassungsgericht in einer einstweiligen Verfügung die Abschiebung eines Afghanen im Rahmen einer Sammelabschiebung nach Afghanistan gestoppt. Ihm bliebe sonst die Weiterverfolgung seines Asylfolgeantrags verwehrt.
BAG zur Zustimmungspflicht beim FB-Auftritt: Die SZ (Detlef Esslinger) befasst sich nun auch mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Unternehmen für Facebook-Auftritte mit Kommentarfunktion die Zustimmung des Betriebsrates brauchen, und beleuchtet Hintergründe und Reaktionen auf das Urteil.
BGH zu Schadensersatz wegen Wohnungsdurchsuchung: Wie lto.de berichtet, müssen Mieter, in deren Wohnung eine Durchsuchung durch die Polizei vorgenommen wurde, nicht dem Vermieter gegenüber für die aus der Maßnahme resultierenden Schäden gegenüber haften. So entschied gestern der Bundesgerichtshof.
BVerwG zu Überwachung: Das Bundesverwaltungsgericht hat angekündigt Auflagen- und Beweisbeschlüsse erlassen zu wollen, um aufklären, wie die Verkehrsanalyse-Software des Bundesnachrichtendienstes funktioniert, so lto.de (Pia Lorenz). Das Vorgehen der Kläger gegen die strategische Fernmeldeüberwachung wird aber voraussichtlich nicht weiterverhandelt.
BAG – Urlaubsgewährung: Das Bundesarbeitsgericht legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob Arbeitnehmer ihren Urlaub aktiv beantragen müssen, damit dieser nicht verfällt. Auf lto.de befasst sich Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen und Head of HRPolicies (Deutsche ABB), eingehend mit den Hintergründen, dem Zweck und der mit dieser Vorlage verbundenen Rechtsunsicherheit.
LG Mönchengladbach – Schmerzensgeld: Wie lto.de und die SZ melden, wurde einem Mann, der bei dem zweiten Versuch eine Tankstelle zu überfallen von einem Polizisten angeschossen wurde und dabei einen Hoden verlor, ein Schmerzensgeld vom Land Nordrhein-Westfalen zugestanden.
LG Köln – Schadensersatz Schickedanz: Der Rechtsstreit zwischen der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und der Deutschen Bank steht, nach Informationen der SZ (Klaus Ott/Uwe Ritzer), vor einer außergerichtlichen Einigung. Schickedanz hatte von der Deutschen Bank zuletzt 1,9 Milliarden Euro an Entschädigung gefordert, weil diese sie in Anlagegeschäften nicht über die Risiken aufgeklärt habe und sie letztlich hereingelegt habe. Über die Inhalte der Einigung ist allerdings nichts Näheres bekannt.
Recht in der Welt
Syrien – Kriegsverbrechen: In einem Interview mit der Zeit (Michael Thumann) bezeichnet die ehemalige UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte die Geschehnisse in Ost-Aleppo als "Kriegsverbrechen" und bemängelt die in Syrien vorherrschende "totale Straflosigkeit". Del Ponte hält für die Verfolgung der Verbrechen in Syrien die Einrichtung eines Sondergerichtshofes, wie im Fall Jugoslawien, für sinnvoll.
Österreich – Rachat Alijew: Der kasachische Geschäftsmann Rachat Alijew wurde Anfang des Jahres 2015 in der Justizvollzugsanstalt Josefstadt in Wien erhängt aufgefunden. Ein neues rechtsmedizinisches Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um Suizid gehandelt habe. Der Fall Alijew sowie das Leben und Wirken des kasachischen Ex-Politikers wird in einem ausführlichen Bericht in der Zeit (Stephan Lebert/Daniel Müller) dargestellt.
Kolumbien – Friedensprozess: Das Verfassungsgericht von Kolumbien bestätigte eine schnelle Umsetzung des zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung geschlossenen Friedensvertrages. Es entschied außerdem, dass die Verabschiedung des Friedensabkommens durch den Kongress rechtmäßig war, wie die taz meldet.
Indonesien – Blasphemie: Nun berichtet auch die SZ (Arne Perras) über das Verfahren gegen den Gouverneur der Hauptstadt Indonesiens, Jarkarta. Dem Christen chinesischer Herkunft wird Blasphemie vorgeworfen.
Sonstiges
Abschiebungen nach Afghanistan: Heribert Prantl (SZ) kritisiert Abschiebungen nach Afghanistan. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbiete es, Abschiebungen in Länder vorzunehmen, in denen das Leben bedroht sei. Trotz den Nachrichten über zahlreiche Anschläge – wie etwa in Masar-i-Sharif – werde behauptet, Afghanistan sei partiell sicher. "Signal" sei der künftige Abschiebungsgrund, bei dem "Rechte auf der Strecke bleiben," so Prantl.
"Fake News": Jochen Bittner (Die Zeit) beschäftigt sich mit der Frage nach dem rechtlichen Vorgehen gegen sogenannte "Fake News". Er hält das derzeitige Straf- und Presserecht für ausreichend, um sich gegen solche falschen Tatsachenbehauptungen zu wehren. Es müssten juristische Wege gefunden werden, "Facebook & Co" haften zu lassen.
Das Letzte zum Schluss
LG Hof zu Bierbetrug: Um die britische Alkoholsteuer zu umgehen, hatten drei Männer "tausende LKW-Ladungen" mit Bier in Deutschland versteuert, um sie dann auf dem Schwarzmarkt in Großbritannien weiterzuverkaufen. Wie spiegel.de meldet, wurden sie nun vom Landgericht Hof wegen Steuerhinterziehung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. Dezember 2016: Eigenbedarfskündigung auch durch GbR / Einkesselung auch von Unschuldigen / Umstrittene Abschiebungen . In: Legal Tribune Online, 15.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21493/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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