Nach dem EuGH-Urteil zur Linkhaftung hat mit dem LG Hamburg nun das erste deutsche Gericht entschieden. Wer einen Link auf eine Seite mit geklauten Bildern setzt, haftet danach selbst. Allerdings wohl nicht immer.
Im September hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass schon das Setzen eines Links eine Urheberrechtsverletzung sein kann, wenn auf der verlinkten Webseite ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne die Einwilligung des Urhebers veröffentlicht ist.
Gelten sollte dies nach Ansicht der Brüsseler Richter zumindest dann, wenn der entsprechende Link mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurde und der Linksetzende vorher keine Nachprüfung vorgenommen hat, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der verlinkten Webseite nicht unbefugt veröffentlicht wurde.
In Deutschland hat das Urteil zwar in der Presse für Schlagzeilen gesorgt, bei vielen Webseiten-Betreibern, Urhebern und Juristen jedoch eher für Fragezeichen. Denn der EuGH ließ offen, wann genau von einer Linksetzung "mit Gewinnerzielungsabsicht" auszugehen ist, und welchen Umfang die Nachprüfungspflichten haben sollen.
Gewinnerzielungsabsicht: Webseite im Ganzen zählt
Das Landgericht (LG) Hamburg hat nun im einstweiligen Rechtsschutz eine Verfügung zugunsten eines Fotografen erlassen, die der nicht anwaltlich vertretene Antragsgegner zwischenzeitlich als verbindliche Regelung anerkannt hat (Beschl. v. 18.11.2016, Az. 310 0 402/16).
Der Fotograf, vertreten durch die Leipziger Sozietät Spirit Legal, war auf einer Webseite auf einen Artikel gestoßen, der mit einem von ihm angefertigten Foto illustriert war. Das Bild stand zwar unter (kostenfreier) Creative Commons Lizenz, war jedoch unter Verstoß gegen diese Lizenz bearbeitet worden, ohne dies kenntlich zu machen, und nannte auch den Fotografen nicht in geeigneter Form als Urheber. Er ging dagegen per Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor, Antragsgegner am LG war aber nicht der Betreiber der Seite, auf der das Bild zu sehen war, sondern ein Dritter, auf dessen Webseite ein Link auf die Webseite mit dem unberechtigt genutzten Foto gesetzt war. Es handelte sich nur um einen Textlink, das Bild war nicht auf der Seite des Antragsgegners eingebunden worden.
Das LG entschied, dass auch die bloße Verlinkung auf eine nicht lizenzierte Fotografie eine eigene Urheberrechtsverletzung sein kann. Für das vom EuGH herangezogene Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht soll es nach Ansicht der Hamburger Richter nicht auf die Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des konkreten Links, sondern auf die verlinkende Webseite im Ganzen ankommen.
2/2: Gewinnerzielungabsicht weitestmöglich ausgelegt
Zwar habe der EuGH nicht definiert, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen, so dass sich den Richtern die Frage stellte, ob gerade die Linksetzung als solche, der Betrieb der konkreten Unterseite mit dem Link oder der Betrieb des Internetauftritts insgesamt der Erzielung eines Gewinns dienen soll. Das LG Hamburg nimmt damit die weitestmögliche Auslegung der EuGH-Rechtsprechung an: Es reicht der Kammer aus, wenn der Internetauftritt insgesamt zumindest auch einer Gewinnerzielungsabsicht dient.
Der EuGH nutzt das Kreiterium nach Auffassung des LG nur, um abzugrenzen, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation der verlinkten Seite zuzumuten sind. Diese Zumutbarkeitserwägung greife aber nicht erst dann, wenn die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen würde, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen).
Der Kammer reicht es vielmehr aus, dass der Antragsgegner im Rahmen seines Internetauftritts im Eigenverlag vertriebenes Lehrmaterial entgeltlich anbietet. Weil er keine Nachforschungen zu der Rechtesituation betrieben hatte, bevor er die Seite verlinkte, beruhe daher auf seinem Verschulden.
Der Vertreter des Fotografen sieht in der Entscheidung eine massive Verschärfung der Prüfpflicht und der Haftung vor allem von Nutzern, die sich mit Gewinnerzielungsabsicht im Netz bewegen. "Um auszuschließen, dass man als Linksetzender selbst wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird, sollte man künftig vor jeder Verlinkung prüfen, ob dem Seitenbetreiber die erforderlichen Rechte für dort veröffentlichte Fotos eingeräumt wurden. Ist das nicht der Fall, sollte man auf die Linksetzung verzichten, wenn man kein Haftungsrisiko eingehen will", so Rechtsanwalt Dr. Jonas Kahl von Spirit Legal.
Wegweisend, aber mit Ausweg?
Die Entscheidung ist allerdings die - soweit bekannt - erste deutsche zu dieser Frage und stammt zudem vom traditionell als rechteinhaber-freundlich geltenden LG Hamburg, das Urheber beim fliegenden Gerichtsstand bei Verletzungen ihrer Rechte im Internet daher gern anrufen.
Die Hamburger Richter hatten zudem insofern über einen Sonderfall zu entscheiden, als das Bild um das es ging, über die Seite Wikimedia Commons mit einer sogenannten Creative Commons-Lizenz erworben werden konnte, und zudem von dem Betreiber der Seite, auf die der Antragsgegner verlinkte, bearbeitet worden war. Bei der Veröffentlichung wurden aber offenbar die Lizenzbedinungen zum Beispiel für die Weiterbearbeitung nicht eingehalten.
Zudem scheint die Entscheidung eine Tür offen zu halten, die auch die eher unklaren, in gegenseitige Abhängigkeit gebrachten Kriterien des EuGH nahe legten. Voraussetzung einer Urheberrechtsverletzung ist nämlich die öffentliche Wiedergabe des Werks im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. Das bedeutet beim Setzen von Links aus Sicht des EuGH, dass das geschützte Werk für ein neues Publikum wiedergegeben werden muss. Daher liegt keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn das Werk, zu dem der Link Zugang gibt, auf einer anderen Seite mit Erlaubnis des Rechteinhabers schon frei zugänglich war.
Das LG Hamburg stellt daher für den objektiven Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe darauf ab, ob der Urheber seine Zustimmung zu einer frei zugänglichen anderweitigen Zugänglichmachung des Werks gegeben hatte. Dies verneint die Kammer, weil die einzige anderweitige bisher ersichtliche Zugänglichmachung eben die - durch Nichteinhaltung der Lizenzbedingungen - rechtswidrige gewesen sei, auf die der Linksetzer verlinkt hat und die eben nicht mit Zustimmung des Fotografen erfolgte.
Das würde bedeuten, was auch die EuGH-Entscheidung schon nahe legte: Eine Rechtsverletzung durch einen Link könnte mit dem Nachweis widerlegt werden, dass das Bild irgendwo im Netz mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht wurde, bevor es rechtswidrig auf der Seite veröffentlicht wurde, auf die verlinkt wurde.
Pia Lorenz, LG Hamburg bejaht Urheberrechtsverletzung: Wer verlinkt, haftet für geklaute Bilder auf fremder Seite . In: Legal Tribune Online, 08.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21403/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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